Kulturkämpfer und sexuelle Minderheiten

Reform und Ausgleich: Wie Papst Franziskus die Weltsynode besetzt hat

Veröffentlicht am 12.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Thomas Spang (KNA) – Lesedauer: 

Washington ‐ Der Papst setzt bei der Benennung der US-Delegation zur Weltsynode ein klares Signal. So nominierte Franziskus auch den Jesuiten James Martin, der wegen seiner Unterstützung für LGBTQ in der US-Kirche umstritten ist.

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Er gilt als Lieblingsgegner katholischer Konservativer in den USA. Anfang des Jahres überschrieb das "Crisis Magazine" einen Beitrag über den Jesuiten mit der Schlagzeile "Der teuflisch häretische Pater James Martin". Der Grund? Seit dem Massenmord in einem von Schwulen, Lesben, Trans- und Queermenschen oder anderen sexuellen Minderheiten (LGBTQ) besuchten Nachtclub in Orlando durch einen radikalen Muslim 2016 und der verhaltenen Reaktion der US-Bischöfe darauf setzt sich Martin offen für eine neue Willkommenskultur in seiner Kirche ein.

Sein Buch "Building a Bridge" inspirierte einen gleichnamigen Dokumentarfilm, der die Widerstände nachzeichnete, auf die Martin mit dem Einsatz für sexuelle Minderheiten stieß. Ein Jahr nach der Premiere schrieb er dem Papst einen Brief. Darin fasste er die Ergebnisse der "2022 Outreach LGBTQ Catholic Ministry Conference" an der katholischen Fordham University zusammen. Franziskus dankte ihm und ermutigte Katholiken, "eine Kultur der Begegnung" zu schaffen.

Jetzt steht der von seinen Gegnern als "häretisch", also ketzerisch geschmähte Jesuit auf der Liste der 48 Teilnehmer aus den USA, die der Papst persönlich zur Weltsynode nach Rom im Oktober eingeladen hat. Es geht um zentrale Fragen für die Verfasstheit der Kirche im 21. Jahrhundert. Unter den Eingeladenen befinden sich auch die von Franziskus benannten US-Kardinäle Blase Cupich aus Chicago, Wilton Gregory aus Washington, Robert McElroy aus San Diego und Joseph Tobin aus Newark, das Mitglied des päpstlichen Beratergremiums, Kardinal Sean O'Malley aus Boston, sowie Erzbischof Paul Etienne aus Seattle. Hinzu kommen eine Reihe Laienvertreter.

Mit Reformern gefülltes Personaltableau

Beobachter werten das mit Reformern gefüllte Personaltableau des Papstes als klares Signal an die konservative Mehrheit der US-Bischofskonferenz, die sich mit seinem pastoralen Ansatz schwertut. Wie schwer, das lässt sich an den Vertretern ablesen, die von den Bischöfen selbst ausgewählt worden waren. Angeführt wird die Liste von dem neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz Timothy Broglio, der in der Vergangenheit homosexuelle Priester für die Missbrauchskrise der Kirche verantwortlich gemacht hatte.

Verlässlich konservative Stimmen sind auch der New Yorker Kardinal Timothy Dolan, der Vorsitzende der Eucharistie-Kommission Kevin Rhoades aus Indiana, sowie Bischof Robert Barron aus Winona-Rochester, der in seinen als "Word on Fire Ministries" veröffentlichten Texten regelmäßig scharfe Papstkritiker wie den Autor Jordan Peterson zu Wort kommen lässt. Viele der Delegierten der Bischofskonferenz taten sich zudem als Wortführer in der Kontroverse um die Eucharistiewürdigkeit von katholischen Politikern wie Präsident Joe Biden und der damaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hervor, die sich für den straffreien Zugang zur Abtreibung einsetzen.

Bild: ©picture alliance/empics/Steven Paston

Der Umgang mit sexuellen Minderheiten spaltet die Kirche in den USA.

Der Berichterstatter an die Synode, Bischof Daniel Flores aus Brownsville in Texas, lässt sich weniger eindeutig einem der Lager zuordnen. Andere Beobachter machen darauf aufmerksam, dass der Papst in Deutschland fast spiegelbildlich vorgegangen sei: Um die reformfreudige Delegation auszubalancieren, habe er den früheren Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, persönlich zur Synode eingeladen.

Alle Stimmen hören

Michael O'Loughlin hebt im Jesuiten-Magazin "America" hervor, dem Papst gehe es darum, alle Stimmen in der Kirche zu hören. Mit Blick auf die Situation in den USA sei es darum gegangen, "die Ansichten der von der Bischofskonferenz benannten Bischöfe auszubalancieren, die zum großen Teil die Mentalität der Kulturkrieger teilen". Franziskus vergrößere damit die Chance, dass die Weltsynode die Kirche stärker für Frauen und Gruppen öffnet, die sich bisher nicht willkommen gefühlt haben, allen voran Gläubige aus sexuellen Minderheiten.

Der Exekutivdirektor der Organisation New Ways Ministry, Francis DeBernardo, begrüßt die Einladung des Jesuiten Martin zur Weltsynode. Gleichzeitig betrachtet es der Leiter der Interessenvertretung für katholische LGBTQ-Menschen als verpasste Chance, dass Angehörige der Minderheit selbst nicht unter den knapp 400 Synoden-Teilnehmern sein werden. "Ihre Stimmen werden nicht direkt gehört", bedauert DeBernardo.

Umso lauter wird wohl "LGBTQ-Advokat" James Martin seine Stimme erheben. Er fühle sich geehrt, vom Heiligen Vater eingeladen worden zu sein, so der Jesuit. Und freue sich darauf, bei der Begegnung in Rom zu ergründen, "wie der Heilige Geist auf der Synode und in der Kirche weht".

Von Thomas Spang (KNA)