Lüdecke: Kirche droht wegen Schmerzensgeld keine Insolvenz
Trotz möglicher Schmerzensgeldzahlungen an Missbrauchsbetroffene droht den katholischen Bistümern in Deutschland nach Ansicht eines Theologen keine Insolvenz. "Das halte ich nicht für realistisch. Die Kirchensteuer fließt ja noch sehr üppig", sagte Kirchenrechtler Norbert Lüdecke der "Rheinischen Post" (Freitag).
Im Juni hatte das Landgericht Köln entschieden, dass das Erzbistum Köln einem missbrauchten früheren Messdiener eine Schmerzensgeldsumme von 300.000 Euro zahlen soll. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Inzwischen fordert eine weitere Betroffene nun eine Entschädigung von 830.000 Euro. In Bayern verhandelt das Landgericht Traunstein über die Schmerzensgeldforderung eines Missbrauchsopfers von mindestens 300.000 Euro vom Erzbistum München und Freising. Der Prozess soll im September fortgesetzt werden.
Die Bischöfe dürften für solche Zahlungen Kirchensteuern verwenden – "und werden das auch tun", so Lüdecke weiter. "Sie fragen auch sonst nicht." Katholiken wüssten, dass sie nicht effektiv beeinflussen könnten, wie die Kirchensteuer verwendet werde. "Und sie wissen auch, dass sie mit diesem Geld die entscheidende Machtbasis für eben jene Hierarchen liefern, die nicht nur in Missbrauchsfragen nach dem Prinzip 'Macht ohne Verantwortung' walten können."
Laien könnten sich nicht einfach für unschuldig erklären
Auch könnten sich die Laien nicht einfach für unschuldig erklären, sagte der Theologe. "Man kann nicht permanent 'Wir sind Kirche' rufen und dann erklären, das war nur die Institution. Selbstverständlich haften die Laien mit für die Institution, die von ihnen lebt."
Missbrauchsbetroffene in der katholischen Kirche erhalten bislang von Bistümern und Orden in der Regel Zahlungen in Anerkennung ihres Leids. Über die Höhe dieser freiwillig von der Kirche geleisteten Zahlungen entscheidet seit 2021 die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA).
In den ersten zwei Jahren erhielten Betroffene im Mittel rund 22.000 Euro pro Antrag. In etwa acht Prozent der Fälle wurden laut UKA mehr als 50.000 Euro gezahlt, mitunter auch mehr als 100.000 Euro. Experten fordern nach dem Kölner Urteil, die Höhe dieser Anerkennungsleistungen anzupassen. Die UKA zeigte sich dafür offen, will aber zunächst abwarten, ob der Gerichtsentscheid rechtskräftig wird. (KNA)