Trotz hoher Kirchenaustrittszahlen in Deutschland

Regensburger Generalvikar: Die Kirche verschwindet nicht

Veröffentlicht am 21.07.2023 um 12:31 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Regensburg ‐ Im Juni war ein neuer Rekord bei den Kirchenaustrittszahlen in Deutschland veröffentlicht worden. Regensburgs Generalvikar Roland Batz warnt trotzdem vor zu viel Schwarzmalerei: Die Kirche werde nicht verschwinden, aber sie werde sich verändern.

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Der Generalvikar des Bistums Regensburg, Roland Batz, hat angesichts der hohen Kirchenaustrittszahlen in Deutschland vor zu viel Schwarzmalerei gewarnt. "Die Kirche verschwindet nicht, vielmehr verändert sie ihr soziales Gesicht", sagte Batz in einem am Freitag veröffentlichten Interview auf der Internetseite der bayerischen Diözese. Die aktuelle Entwicklung gehe einher mit einem veränderten Lebensgefühl und einer veränderten Lebenseinstellung der Menschen.

"Denken wir doch nur an die unbegrenzte Mobilität und die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten. Zudem möchten Menschen ihr Leben selbst bestimmen, sie sind entscheidend geprägt von naturwissenschaftlichem Denken und erleben eine Welt, in der es schwer ist, Gott zu entdecken", so der Generalvikar. Dies alles mache es – neben einzelnen Skandalen – nicht leichter, Menschen in der Kirche zu halten. "Dennoch müssen wir nicht wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren, und sagen: Wir sterben aus, sondern offensiv den Sinn und die Wahrheit der christlichen Botschaft den Menschen vorleben", betonte Batz, der seit September 2021 Generalvikar des Bistums Regensburg ist.

Batz verteidigte zudem die Staatsleistungen an die Kirchen. Zwar stehe die Kirche deren Ablösung "offen und konstruktiv" gegenüber. Zugleich dienten die Zahlungen jedoch der Erfüllung von kirchlichen Aufgaben wie Personalkosten oder Baulasten. "Weil der Staat das Erbe der kirchlichen Vermögensmassen übernommen hat, hat er auch diese Verpflichtung übernommen", so der Generalvikar. Er beklagte zugleich, dass eine "zunehmende Geschichtsvergessenheit oder gar eine Geschichtsblindheit" immer weniger Verständnis dafür aufbringe, dass sich der Staat einst durch kirchlichen Besitz bereichert habe: "Daher ist es wichtig, deutlich zu machen: die Kirche ist hier keine Bittstellerin vor der Tür des Staates."

Aus historischen Gründen Geld von den Bundesländern

Viele katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen erhalten aus historischen Gründen regelmäßig Geld von den Bundesländern. Die meisten dieser sogenannten Staatsleistungen gehen zurück auf das Jahr 1803: Damals wurden zahlreiche Kirchengüter auf der rechten Rheinseite enteignet und verstaatlicht. Nutznießer waren deutsche Reichsfürsten, die damit für Gebietsverluste an Frankreich auf der linken Rheinseite entschädigt wurden. Die Fürsten verpflichteten sich im Gegenzug, den Kirchen regelmäßige Unterhaltszahlungen zum Bestreiten ihrer Aufgaben zu leisten. Für die beiden großen Kirchen zusammen machen diese Staatsleistungen jährlich etwa 600 Millionen Euro aus.

Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestimmte in Artikel 138, dass die Staatsleistungen durch Landesgesetze „abgelöst werden“ sollen. Die Grundsätze hierfür muss die Bundesebene festlegen. Das Grundgesetz übernahm 1949 in Artikel 140 diese Verpflichtung. Die Kirchen stehen einer möglichen Ablösung aufgeschlossen gegenüber. Die amtierende Ampelkoalition strebt ein Grundsätzegesetz an, das die Rahmenbedingungen für eine Ablösung schaffen soll. Darüber sind Bund, Länder und Kirchen seit mehreren Monaten im Gespräch. (stz)