Christian Gärtner fordert Mitbestimmung in Finanzfragen

Eichstätter Diözesanrats-Chef: Leute fühlen sich auf den Arm genommen

Veröffentlicht am 26.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Eichstätt ‐ Am Freitag hat der Diözesanrat im Bistum Eichstätt zum ersten Mal in seiner Geschichte zu einer außerordentlichen Vollversammlung gerufen. Im katholisch.de-Interview spricht der Vorsitzende Christian Gärtner über die Versammlung, den Unmut im Bistum und Wege aus der Krise.

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"Ich weiß selbst nicht, ob ich optimistisch sein soll", sagt der Eichstätter Diözesanratsvorsitzende Christian Gärtner im katholisch.de-Interview. Er erklärt, warum sich der Diözesanrat gemeinsam mit anderen Gremien und der Bistumsleitung zu einer außerordentlichen Vollversammlung getroffen hat und was passieren muss, damit sich die Lage im Bistum beruhigt.

Frage: Herr Gärtner, bei einer außerordentlichen Vollversammlung des Diözesanrats haben Sie laut Pressemitteilung von einer "Krisensituation" gesprochen, in der sich das Bistum Eichstätt derzeit befinde. Worin besteht diese Krise?

Gärtner: Zunächst einmal ist es vor allem eine finanzielle Krise. Das Bistum muss sparen. Anfang des Jahres gab es einen Not-Haushalt und die Art und Weise, wie diese Sparmaßnahmen entstanden und kommuniziert worden sind, hat im Bistum Verunsicherung und Aufregung verursacht. Sehr viele Menschen, die sich hier engagieren, haben den Eindruck, dass von oben herab verkündet wird, ohne dass man Einfluss auf die Entscheidungen nehmen oder überhaupt mitreden kann. Dazu kommt, dass das Ordinariat umstrukturiert wird und auch das zu Verunsicherung bei den Beschäftigten führt. Außerdem haben wir die allgemeine Krise, in der die gesamte Kirche derzeit steckt: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Kirchenaustritte bei uns im Bistum um 70 Prozent angestiegen.

Frage: Sie haben die finanzielle Lage angesprochen. Wenn die finanziellen Ressourcen zurückgehen, müssen unliebsame Entscheidungen getroffen werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass damit nicht alle einverstanden sind. Wo liegt also das Problem in Eichstätt?

Gärtner: Das Grundproblem liegt darin, dass die Menschen, die sich noch engagieren, mitreden und letztlich auch mitentscheiden wollen, wofür die Kirchensteuer, die sie zahlen, verwendet wird und wofür sie – weil man es sich nicht mehr leisten kann – nicht mehr verwendet wird. Und die Art und Weise, wie das kommuniziert wurde, hat für sehr viel Unmut gesorgt. Die Leute sind nicht dumm, sie wissen, dass wir sparen müssen. Aber sie wollen bei der Frage eingebunden werden. Das war der Hintergrund für diese außerordentliche Vollversammlung.

„Ich weiß selbst nicht, ob ich optimistisch sein soll, aber es ist der Versuch, ein Angebot zu machen, dass wir diesen Umbauprozess konstruktiv mitgehen wollen.“

—  Zitat: Christian Gärtner

Frage: Es war das erste Mal in der Geschichte des Diözesanrats, dass eine solche außerordentliche Vollversammlung einberufen wurde. Warum haben Sie sich entschieden, diesen Schritt zu gehen?

Gärtner: Es war uns wichtig, ein Forum zu schaffen, in dem dieser Unmut zum einen geäußert werden kann, in dem man zum anderen aber auch überlegen kann, wie man es in Zukunft besser machen könnte. Wir haben deshalb nicht nur den Diözesanrat eingeladen, sondern als Gäste waren auch Mitglieder anderer Entscheidungsgremien dabei, beispielsweise aus dem Priesterrat, dem Diözesansteuerausschuss und dem Konsultorenkollegium. Wir haben den Eindruck, dass es in dieser Situation mehr als genug Gremien gibt, die eigentlich in irgendeiner Form Mitverantwortung übernehmen müssen, aber die Vernetzung fehlt. Deswegen wollten wir die Initiative ergreifen. Ich weiß selbst nicht, ob ich optimistisch sein soll, aber es ist der Versuch, ein Angebot zu machen, dass wir diesen Umbauprozess konstruktiv mitgehen wollen.

Frage: Haben die anderen genannten Gremien auch den Eindruck, dass viele Entscheidungen an ihnen vorbei getroffen werden?

Gärtner: Die Rückmeldung derjenigen, mit denen ich mich austauschen konnte, ist schon, dass die Mitglieder der anderen Gremien bis hin zum Diözesansteuerausschuss nicht den Eindruck hatten, dass sie inhaltlich in ausreichendem Maße mitdiskutierenden konnten, welche Einsparmaßnahmen geplant sind.

Frage: Die Pressemitteilung des Bistums nach der Vollversammlung klingt ziemlich versöhnlich: Alle sind sich einig, dass sie den Weg gemeinsam weitergehen wollen. Ist jetzt also alles wieder in bester Ordnung?

Gärtner: Nein, das ist es nicht. Es kommt jetzt ganz entscheidend darauf an, ob es tatsächlich gelingt, dass bei den Transformationsprozessen im Bistum die Leute, die sich noch engagieren wollen, breiter beteiligt werden und dass sie mitreden können. Es geht darum, gemeinsam zu entscheiden, wo wir einsparen müssen. Wenn uns das gelingt, dann wäre es wieder in Ordnung. Ich habe persönlich mitbekommen, dass bei der Versammlung deutliche Worte gefallen sind, weil die Menschen sich schrecklich auf den Arm genommen fühlen von der Art und Weise, wie diese Sparmaßnahmen letztlich entschieden und kommuniziert wurden. Wenn man dann unter dem euphemistischen Titel "Zukunftsplan" im Grunde genommen nur Einsparungen verkauft, obwohl die Menschen durchaus ein Verständnis dafür haben, dass man sparen muss, dann nimmt man die Engagierten nicht ernst.

Frage: Sie waren selbst Mitglied der Synodalversammlung und werden es auch im Synodalen Ausschuss sein. Ein Handlungstext des Synodalen Wegs sieht Synodale Räte auf Diözesanebene vor, an dessen Weisung sich der Bischof selbst binden soll. Dieser Text wurde bei der letzten Synodalversammlung nicht verabschiedet. Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass es in Zukunft ein solches Gremium in ihrem Bistum geben wird?

Gärtner: Da bin ich nicht wirklich optimistisch. Bischof Gregor Maria Hanke gehörte zu den Bischöfen, die der Finanzierung des Synodalen Ausschusses nicht zugestimmt haben. Vor diesem Hintergrund wollen wir nicht abwarten, ob und wie so ein Gremium tatsächlich eingerichtet wird, sondern wir versuchen, die Gremien, die es ja schon gibt, stärker zu vernetzen. Dazu ist die Situation einfach zu schwierig und es ist zu dringend, dass sich etwas ändert. Man kann nicht warten, bis sich die Strukturen formal verändern. Sinnvoll wäre ein Synodaler Rat aber natürlich schon.

Bayerns Katholikenkomitee: Mehr Mitverantwortung für Laienräte

Bei seiner Frühjahrsvollversammlung hat sich das Landeskomitee der Katholiken in Bayern zur Synodalität in der Kirche bekannt und weitere Reformen gefordert: Gerade die Laienräte in den Diözesen bräuchten mehr Entscheidungskompetenz.

Frage: Im September wollen Sie sich wieder zu einer Vollversammlung mit den Gremien und der Bistumsleitung treffen. Dann soll der Blick nach vorne gehen, heißt es in der Pressemitteilung. Worum soll es dann konkret gehen?

Gärtner: Ich erhoffe mir, dass wir dann miteinander überlegen können, was tatsächlich Bereiche sind, bei denen man im Bistum sparen kann und muss, und dass man sich vielleicht auch darauf verständigt, welche Bereiche auf keinen Fall unter den reduzierten finanziellen Möglichkeiten leiden dürfen, wo man also auch weiterhin entsprechend investiert und personelle Ressourcen zur Verfügung stellt.

Frage: Wie optimistisch sind Sie denn, dass Sie noch Einfluss nehmen können? Der "Zukunftsplan" ist schon vorgestellt und die Entscheidungen ja offenbar schon zum Teil getroffen?

Gärtner: Einzelne Entscheidungen sind bisher nur Absichtserklärungen, die in diesem Sinne noch nicht umgesetzt wurden. Ich weiß nicht, inwieweit sich das im Einzelnen noch revidieren lässt. Aber wenn ich in den Plan schaue, dann ist noch lange nicht das Einsparvolumen erreicht. Wir werden uns also auch in den kommenden Jahren auf weitere Einsparungen vorbereiten müssen.

Frage: Bleiben wir beim Blick in die Zukunft: Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit das Bistum gut in die Zukunft gehen kann?

Gärtner: Es gibt immer noch ein großes Potenzial an Menschen, die sich gern bei uns in der Kirche engagieren, die gerne in der Pfarrei, in den Gemeinderäten und in den Verbänden mitarbeiten. Aber sie brauchen auch Hoffnungszeichen, dass es unter veränderten Rahmenbedingungen auch möglich ist, mitzugestalten. Momentan erleben die Menschen aber einfach nur Abbruch und da ist natürlich sehr viel Frustration zu spüren. Und ich hoffe, dass wir auf Ideen kommen, wie wir in dem ein oder anderen Punkt wieder mit einem positiven Blick nach vorne gehen können.

Von Christoph Brüwer