Standpunkt

Der Urlaubsverzicht des Papstes ist ein Ansporn gegen Faulheit

Veröffentlicht am 27.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Jeremias Schröder OSB – Lesedauer: 

Bonn ‐ Franziskus pflegt einen eigenen Stil, der im Vatikan nicht allen gefällt. Ein Beispiel dafür ist der Verzicht des Pontifex auf einen Sommerurlaub. Das könne anspornen, glaubt Abtpräses Jeremias Schröder – auch wenn er selbst Urlaub sehr schätzt.

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Vor einiger Zeit bemerkte eine Besucherin am Schwarzen Brett in meinen Diensträumen einen Hinweis auf Ferien, und war leicht verstört, weil Mönche nach ihrer Meinung keine Ferien machen sollten. (Ganz beiläufig stießen wir so auch auf ein Datenschutzproblem.)

Wir Benediktiner machen im Allgemeinen Ferien, wie die meisten anderen Ordensleute auch. Selbst von Jesuiten gibt es Selfies im Sonnenstuhl. Nur nicht von Papst Franziskus. Der hat die päpstliche Ferienwohnung in Castel Gandolfo in ein Museum umgewandelt, und arbeitet den Sommer über durch. Und wie: die päpstlichen Aktivitäten der letzten Wochen – mitten in der Hitzewelle – sprechen für sich! Die große Schar der Kurienmitarbeiter macht mit, nolens volens, und nur ganz gelegentlich hört man ein leises Murren.

Auf uns Europäer hat der päpstliche Sommereifer einen zwiespältigen Effekt: großzügiger Urlaub ist Teil der sozialen Errungenschaften in unseren Ländern, die kaum einer missen will. Und auch kirchlich haben wir gelernt, dem Urlaubswesen Gestalt zu geben: mit ausgedehnten Fußwallfahrten, Ferien im Kloster, Urlauberseelsorge und so fort.

Auf Italienisch heißen die Ferien "vacanze". Mit "vacare" ist das Freisein von Verpflichtung gemeint. Das sind ein paar Wochen im Jahr, die etwas vom paradiesischen Urzustand ahnen lassen, bevor wir uns wieder dem Joch der Aufgaben und Verpflichtungen unterwerfen. Der Papst ist mit seinem heroischen Urlaubsverzicht ein Vorbild für Pflichtbewusstsein und ein Ansporn gegen Faulheit. Aber wer seinen Urlaub genießt, darf sich damit trösten, dass auch damit etwas von dem verwirklicht wird, das uns Menschen mitgegeben ist: Sehnsucht nach Unbeschwertem, und eine Andeutung von Freiheit, die die Leichtigkeit der Erlösten ahnen läßt.

Von Jeremias Schröder OSB

Der Autor

Jeremias Schröder OSB ist Abtpräses der Benediktinerkongregation von St. Ottilien.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.