Auf der Zugspitze wurde der Schneeferner betrauert

Gletscher-Requiem: "Wir sind keine Aktivisten, sondern Seelsorger"

Veröffentlicht am 29.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Ohlstadt ‐ Das Gletscher-Requiem auf der Zugspitze hatte schon im Vorfeld für Diskussionen gesorgt. Nach dem Gottesdienst beschreibt Pastoralreferent Florian Hammerl im katholisch.de-Interview, warum der Sinn des Gottesdienstes nicht in erster Linie mit dem Schutz des Klimas zu tun hatte.

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Der südliche Schneeferner auf der Zugspitze ist kein Gletscher mehr, zu wenig ist von ihm übriggeblieben. Bis 2030 wird er wohl ganz verschwinden. Ihm zu Ehren wurde am Dienstag in einer kleinen Kapelle auf dem Berg ein "Gletscher Requiem" gefeiert. Der Pastoralreferent Florian Hammerl arbeitet in der Tourismusseelsorge im Werdenfelser Land und hat den ökumenischen Gottesdienst mitgestaltet. Im Interview erzählt er von seinen Eindrücken und den Zielen der Aktion.

Frage: Herr Hammerl, wie haben Sie dieses Gletscher-Requiem erlebt?

Hammerl: Es war ein Blumenstrauß an Gefühlen: Zum Teil war es drollig, weil während der Aussegnung die Glocke der Kapelle geläutet hat und sie niemand abstellen konnte. Ein Teil der extra für den Gottesdienst komponierten Musik konnte nicht gespielt werden, weil es für die Trommeln zu feucht war. Dann waren wir überrascht, dass das Medienecho so groß war. Zum Teil war es sehr traurig, weil uns die Größe des Verlusts ähnlich wie bei der Beerdigung eines Menschen schmerzhaft bewusst wurde. Dazwischen waren Hoffen und Bangen gestreut, auch weil das Wetter mit Schneeregen und starkem Wind sehr schlecht war. Es war erhebend, denn in der kleinen Zugspitzkapelle waren so viele Menschen, die gemeinsam gebetet und gesungen haben. Also eine große Bandbreite.

Frage: Bei der Aktion hat sich der Eindruck eingeschlichen, dass es in erster Linie um Aufmerksamkeit für den Klimawandel geht. Ist dafür ein Requiem die richtige Form?

Hammerl: Das war eher ein Nebeneffekt in unserer Planung. Wenn das der Hauptzweck gewesen wäre, wäre ein Gottesdienst die völlig falsche Form dafür. Das Hauptaugenmerk war für uns aber vielmehr eine tatsächliche Trauerbegleitung. Bei vielen Menschen, die oben zu Gottesdiensten kommen, egal ob evangelisch oder katholisch, bekommen wir mit, wie nahe ihnen der Klimawandel plötzlich geht, wenn man ihn in Form des schmelzenden Gletschers so deutlich vor Augen sieht. Diesem Gefühl wollten wir Ausdruck verleihen und den Gläubigen auf diese Art und Weise zur Seite stehen. Es war ein willkommener Nebeneffekt – aber nur ein Nebeneffekt –, dass damit auch auf den Klimawandel aufmerksam gemacht wird.

Frage: Wie begegnen Sie dieser Trauer wegen des Klimawandels seelsorglich?

Hammerl: Mit einzelnen Personen suchen wir das Gespräch. Da frage ich nach den Ängsten und der Art der Trauer und Sorgen. Die antworten darauf sind individuell ganz unterschiedlich. Allgemein lässt sich aber sagen, dass wir gemeinsam auf den Schmerz und die Trauer schauen und nach Antworten aus dem Glauben suchen. Nach dem, was uns weiterträgt.

Bild: ©picture alliance/dpa/Peter Kneffel

Florian Hammerl (l.) und die evangelische Pfarrerin Uli Wilhelm (r) halten in der Mariä-Heimsuchung-Kapelle das ökumenische Requiem für den Zugspitz-Gletscher.

Frage: Das Thema Klimawandel polarisiert – auch in der Kirche. Haben Sie bei so einem Gottesdienst keine Angst davor, diese Spaltung zu vertiefen?

Hammerl: Nein. Wir haben im Nachhinein an den Reaktionen gemerkt, dass das Thema offensichtlich bei vielen Menschen starke Reaktionen hervorruft. Aber wer im Gottesdienst war, wird festgestellt haben, dass es uns definitiv nicht um irgendeine Spaltung oder um eine Polarisierung geht. Wir sind ja keine Aktivisten, sondern Seelsorger. Ich sehe es als ein Teil meiner wichtigsten Aufgaben, Menschen zusammenzuführen. Das war auch das Anliegen dieses Gottesdienstes. Dass man da manchmal – auch bewusst – falsch verstanden wird, kann ich zu meinem Bedauern nicht verhindern.

Frage: Schon im Vorhinein gab es für das Requiem Häme, nach dem Motto: Das sei doch Realsatire. Wie gehen Sie auf solche Stimmen, die auch von innerhalb der Kirche kommen, zu?

Hammerl: Das Problem sind da die sozialen Medien. Die Menschen dort wollen nicht in den Austausch gehen. Wenn ich E-Mails bekomme, versuche ich zu verstehen, was mein Gegenüber da gerade so empört. Dann schreibe ich auch zurück. Aber mit einer gewissen Häme muss man heutzutage einfach leben. Die bekomme ich auch bei Trauerprozessionen von der Pfarrkirche zum Friedhof. Ein Teil der Leute, die uns dann sehen und die nicht mehr in der katholischen Welt zu Hause sind, begegnen uns einfach mit Häme..

Frage: Bei dem Requiem gab es auch eine Aussegnung, also das bekannte Abschiedsritual. Sie haben aber auch von Hoffnung gesprochen. Wie kann man angesichts eines Gletschers, den es in wenigen Jahren nicht mehr geben wird, Hoffnung schöpfen?

Hammerl: Für mich liegt die Hoffnung im Glauben begründet: Wenn wir Menschen das Richtige und Gute tun, können wir auf Gottes Segen in diesem Handeln vertrauen. Wenn menschliches Handeln und Gottes Segen zusammenkommen, kann das etwas bewirken. Dadurch werden wir den Schneeferner Gletscher nicht retten. Aber wenn es gelingt, die Menschen zusammenzubringen und gemeinsam die nötigen Schritte einzuleiten, in der Wirtschaft, in der Politik und im individuellen Verhalten, besteht für mich durchaus noch Grund zur Hoffnung.

Frage: Was erwarten Sie denn im Hinblick auf den Klimaschutz von der Kirche?

Hammerl: Ich merke auf der einen Seite, dass zum Beispiel meine Erzdiözese sehr viele Dinge unternimmt, um der eigenen Verantwortung gerecht zu werden. Das geht los beim Kantinenessen im Ordinariat bis zu einer grüneren Verwaltung. Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass die Botschaft von Papst Franziskus mehr Aufmerksamkeit und Umsetzung erfahren würde. In seiner Enzyklika "Laudato si" spricht er sehr klar und deutlich. Das Echo in der Gesellschaft könnte daraufhin noch deutlicher ausfallen.

Von Christoph Paul Hartmann