Unter große Vorfreude mischen sich Misstöne

Ein Glaubensfest mit Nebengeräuschen: Der Weltjugendtag beginnt

Veröffentlicht am 01.08.2023 um 00:01 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Lissabon ‐ Jugendliche aus aller Welt haben sich nach Lissabon aufgemacht, und auch der Papst wird erwartet: An diesem Dienstag beginnt der Weltjugendtag – nach manchen Irrungen und Wirrungen in den vergangenen Monaten. Die Vorfreude ist groß. Doch nicht alle blicken mit Wohlwollen auf die Veranstaltung.

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"Eingeladen zum Fest des Glaubens": Am Abflug-Gate am Flughafen Köln-Bonn feiert eine Pilgergruppe kurz vor dem Einsteigen in die Maschine am Montagvormittag noch eine kleine Andacht, betet und singt gemeinsam. Eine andere Gruppe vertreibt sich mit einem kleinen Spiel die Zeit. Manche sind an einheitlichen T-Shirts erkennbar, andere haben sich extra eine Umhängetasche mit dem Logo des Weltjugendtags anfertigen lassen. Sie sind bestens ausgerüstet – und ihre Vorfreude ist riesig.

Mit einem Jahr Corona-Verzögerung – ursprünglich hätte er bereits 2022 stattfinden sollen – beginnt nun also der 37. Weltjugendtag in Lissabon. Am Dienstagabend findet der Eröffnungsgottesdienst mit dem Erzbischof von Lissabon statt. Rund 8.300 Jugendliche aus Deutschland und Hunderttausende aus aller Welt machten sich in den vergangenen Tagen nach Portugal auf, viele von ihnen verbrachten bereits die sogenannten "Tage der Begegnung" in den portugiesischen Diözesen. Bis Sonntag erwartet sie eine Mischung aus Wallfahrt und Festival – mit Papst Franziskus als Stargast. Lissabon heißt sie willkommen. Doch ohne einige Irritationen, Nebengeräusche und Misstöne im Vorfeld kam der Weltjugendtag nicht aus. Und nicht alle in Portugal scheinen mit der Veranstaltung einverstanden zu sein.

Weltjungendtag ohne Papst nur ein Missverständnis

Der Pontifex wird am Donnerstag erstmalig die Weltjugendtags-Teilnehmer treffen: An einem der Hauptveranstaltungsorte in der Stadt wird es eine Willkommenszeremonie geben. Dass er auch tatsächlich nach Lissabon kommt, steht inzwischen nicht mehr zur Debatte. Ganz anders als noch im Juni. In den Tagen, als sich das Kirchenoberhaupt von seiner Bauch-Operation erholte, sorgten die Verantwortlichen in Lissabon mit dem Satz für Aufsehen, ohne den Papst gebe es keinen Weltjugendtag. Einige Medien meldeten daraufhin, dass eine Absage des Events im Raum stehe, falls Papst Franziskus gesundheitlich nicht in der Lage sei, nach Lissabon zu reisen.

Doch bereits wenige Tage später kam das Dementi: Alles nur ein Missverständnis. Man wollte lediglich betonen, dass man sich wegen eines Plans B keine Gedanken mache, weil man fest davon ausgehe, dass Franziskus rechtzeitig wieder fit sei. Damit sollten die Verantwortlichen recht behalten. Der Papst wird am Donnerstag den Kreuzweg mit den Jugendlichen feiern, am Samstag die Vigil und am Sonntag die große Abschlussmesse zelebrieren.

BDKJ-Präses zu Weltjugendtag: Müssen über Kolonialismus reden

Warum haben sich für den Weltjugendtag in Portugal wenige Jugendliche aus Deutschland angemeldet? Stefan Ottersbach vom Jugendverband BDKJ macht Corona dafür verantwortlich – aber nicht nur. Ein Interview zu den drängenden Themen des Jugendtreffens

Für die Abschlussmesse auf dem Gelände der Weltausstellung 1998 wurde eigens eine aufwendige Altarbühne installiert. Sie steht symbolisch für die Kritik aus der portugiesischen Gesellschaft, die angesichts der wirtschaftlich schwierigen Lage im Land seit Monaten über die Finanzierung des Weltjugendtags debattiert. Der Staat unterstützt den Weltjugendtag mit etwa 30 Millionen Euro, die Stadt Lissabon mit 35 Millionen Euro. Gerade die veranschlagten Kosten – fünf Millionen Euro waren es zunächst nur für die Altarbühne – sorgten für Unmut und Unverständnis. Nach anhaltenden Vorwürfen wurde das Budget deutlich gekürzt.

Vertrauensverlust durch Missbrauchsskandal

Die Kosten für die Bühne seien zurecht kritisiert worden, betont Lissabons Weihbischof Americo Aguiar, der Cheforganisator des Weltjugendtags. Gleichzeitig betont künftige Kardinal aber, dass die Großveranstaltung kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in Portugal sei. Geld fließe auch in Infrastruktur, außerdem gäben die Gäste Geld im Land aus und der Werbeeffekt des Treffens für Portugal sei groß. "Ich bin sicher, dass die Bilanz hinterher positiv ausfällt", sagt Aguiar. Und die vieldiskutierte Bühne wird nach dem Weltjugendtag für weitere Veranstaltungen genutzt.

Doch diese Rechnung überzeugt viele im Land nicht. Denn auch die Kirche in Portugal hat wegen des sexuellen Missbrauchs einen massiven Vertrauensverlust erlitten. Mitte Februar hatte eine von Portugals Bischofskonferenz ins Leben gerufene Kommission einen Untersuchungsbericht veröffentlicht, wonach zwischen 1950 und 2022 mindestens 4.815 Personen im kirchlichen Kontext sexuell missbraucht wurden. Doch entschädigen wollen die Bischöfe die Betroffenen nicht, da es sich bei den Fällen aus ihrer Sicht um individuelle Straftaten handelt. Bei vielen Portugiesen sorgt das für Unverständnis, da in anderen Ortskirchen – etwa in der deutschen oder der französischen – Entschädigungszahlungen inzwischen eingeführt worden sind. Während des Weltjugendtags soll es aber einige Zeichen an die Missbrauchsbetroffenen geben. So sind die Errichtung eines Mahn- und Erinnerungsdenkmals sowie eine Begegnung von Papst Franziskus mit Betroffenen geplant.

Bild: ©KNA/Manuel Meyer

"Ich bin sicher, dass die Bilanz hinterher positiv ausfällt", sagt Americo Aguiar, Weihbischof in Lissabon, zur Debatte um die Finanzierung des Weltjugendtages. Doch diese Rechnung überzeugt viele nicht.

Auch insgesamt scheinen Weltjugendtage bei Jugendlichen nicht mehr das gleiche Interesse hervorzurufen, wie in der Vergangenheit – und das nicht nur auf Deutschland bezogen. Zum Vergleich: 2016 in Krakau feierten etwa 2,5 Millionen junge Menschen mir Papst Franziskus Gottesdienst, in Lissabon wird rund eine Million erwartet. Dieser Rückgang sei einerseits auf die Nachwehen der Corona-Pandemie, aber auch auf die kirchlichen Skandale zurückzuführen, erklärte Stefan Ottersbach, Präses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), zuletzt in einem Interview.

Thematisch greift der BDKJ beim Weltjugendtag auch andere brisante Themen auf: Kolonialismus und Klimagerechtigkeit. Gerade mit Blick auf die portugiesische Kolonialgeschichte leiste sich der Vatikan im Frühjahr einen großen Fauxpas, als er eine offizielle Weltjugendtags-Briefmarke herausgab, die das umstrittene Seefahrer-Denkmal in Lissabon aufgreift. Statt des portugiesischen Eroberers und Seefahrers Heinrich, der als Begründer des portugiesischen Kolonialreichs gilt, steht Papst Franziskus am Fluss Tejo und zeigt in die Ferne. Die Briefmarke wurde schnell wieder zurückgezogen.

Gemeinsam beten, singen und diskutieren

Bei einem sogenannten "International Youth Hearing" am Mittwochabend soll mit den Jugendlichen nach gemeinsamen Ansätzen gesucht werden, die es ermöglichen, dass junge Menschen Protagonisten einer Welt im Sinne Jesu werden und weltweit für Gerechtigkeit, die Bewahrung der Schöpfung und den Frieden einstehen, heißt es in der Ankündigung. Wer Klimagerechtigkeit will, müsse auch über den Kolonialismus reden, denn gerade die Menschen im globalen Süden seien die größten Verlierer der Klimakrise und am meisten von dessen Folgen betroffen. "Besonders in diesen Zeiten von Kriegen, wachsenden globalen Ungerechtigkeiten und der sich verschärfenden Klimakrise müssen wir jungen Menschen zuhören und ihre Vorschläge und Anliegen an Politik und Kirche erst nehmen", sagt Ottersbach. "Der Weltjugendtag biete die Chance, gemeinsam zu beten, zu singen – und über bewegende Themen zu diskutieren."

Rund drei Stunden nach dem Start sind die Pilgergruppen, die sich von Köln-Bonn aus aufgemacht haben, in Lissabon gelandet. Am Flughafen laufen Volunteers, erkennbar an ihren gelben Shirts, durch die Ankunftshalle und suchen nach jungen Menschen, denen sie helfen können. Immer wieder tauchen Pilger aus aller Herren Länder an den Gepäckbändern auf. Es ist viel Betrieb. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Tagen in der Stadt los sein wird. Jetzt sind die Pilger da – und wünschen sich, genau wie die Veranstalter und der Papst, ein gelungenes Fest des Glaubens.

Von Matthias Altmann