Standpunkt

Weltjugendtag beginnt: Abgrenzung statt einladender Offenheit

Veröffentlicht am 01.08.2023 um 00:01 Uhr – Von Michael Böhnke – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Der Prior von Taizé, Frère Roger, hatte einen jugendlichen Plan für die Kirche, erinnert sich Michael Böhnke. Er sieht darin einen Gegensatz zum heute beginnenden Weltjugendtag in Lissabon und fragt sich: Wo bleibt da die Jugend?

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In den 1960er Jahren avancierte "Jugend" zu einem erstrebenswerten Gut. Jugend war mehr als eine Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsensein. Jugend wurde zum Lebensstil. Wir wollten jung sein und uns gegen die Welt der Erwachsenen behaupten. Wir träumten von einer besseren Welt, wollten Freiheit und Frieden, wollten tanzen, nicht marschieren. Die sich bildende Jugendkultur wurde in Taizé als spirituelle Herausforderung wahrgenommen.

Frère Roger reagierte 1970 mit der Ankündigung eines Konzils der Jugend: "Der auferstandene Christus kommt, um im Innersten des Menschen ein Fest zu feiern. Er bereitet einen Frühling der Kirche vor: eine Kirche, die über keine Machtmittel verfügt und bereit ist, mit allen zu teilen, ein Ort sichtbarer Gemeinschaft für die ganze Menschheit. Er wird uns genügend Phantasie und Mut geben, um einen Weg der Versöhnung zu bahnen. Er wird uns bereit machen, unser Leben dafür hinzugeben, dass der Mensch nicht mehr Opfer des Menschen sei."

Der Prior von Taizé hatte einen jugendlichen Plan für die Kirche. Er appellierte an die Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen. Seine Botschaft war weder katechetisch noch belehrend. Sie war einladend. Während der Vorbereitungszeit des Konzils der Jugend waren die eben zitierten Sätze Grundlage für Gebet, Nachdenken und Engagement der Jugendlichen.

Heute beginnt in Lissabon der Weltjugendtag. Wenn man dem Präses der Jugendseelsorge im Bistum Görlitz, P. Isaak M. Kaefferlein OCist, Glauben schenken darf, ist an die Stelle einladender Offenheit konfessionelle Orientierung und Abgrenzung getreten. So heißt es über den Weltjugendtag: "Was machen die Jugendlichen dort? Sie sind katholisch, sie beichten, verehren den Herrn in der Eucharistie und beten den Rosenkranz." Und über das Nachdenken: "Die Begegnung mit Christus […] geschieht […] nicht dadurch, dass Jugendliche diskutieren, was sich alles ändern muss." Schließlich über das Engagement: "Unsere Aufgabe ist es, für die zu beten, die sich noch nicht für die Gnade Gottes öffnen und sich nicht erlösen lassen."

Wo bleibt da die Jugend? Die meisten sind wohl zuhause geblieben.

Von Michael Böhnke

Der Autor

Michael Böhnke ist Professor für systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Außerdem ist er Ethik-Beauftragter des Deutschen Leichtathletikverbands.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.