Gespräche, Musik und Wassereis: Ein Besuch im deutschen Pilgerzentrum
"No woman, no cry": Ein Trio bestehend aus einem Sänger am Klavier, einer Frau an der Gitarre und ein Mann am Cajon gibt den Bob-Marley-Klassiker auf der kleinen Musikbühne zum Besten – auf Portugiesisch. So hört sich der Song auch nicht mehr ganz nach Reggae an, sondern eher nach einer Latin-Pop-Nummer. Immer wieder kommen neue Gruppen vor der Bühne an, setzen sich, ruhen sich etwas aus oder besprechen die nächsten Aktivitäten. Man hört Bayerisch, Schwäbisch und einige andere deutsche Dialekte. Eine Bar bietet – auch hopfenhaltige – Kaltgetränke, Kaffee und Snacks an. Im Schatten der Palmen und des ausgebreiteten Sonnenschirms lässt es sich gut aushalten, dazu weht eine leichte Brise. Nicht nur wegen seines idyllischen Gartens scheint das Deutsche Pilgerzentrum schon am ersten offiziellen Tag des Weltjugendtags als Treff- und Anlaufpunkt gefragt bei den Teilnehmern aus Deutschland zu sein.
Gelegen im Lissaboner Goethe-Institut, soll das Pilgerzentrum vor allem einen Ort zum Runterkommen und Auftanken im Trubel des Weltjugendtags bieten. Das mit dem Auftanken ist nicht nur metaphorisch gemeint: An mehreren Stellen können die jugendlichen Pilger ihren Handy-Akku aufladen. Dazu haben sie die Gelegenheit, ihre Erlebnisse zu reflektieren, mit anderen Pilgern und auch mit Bischöfen ins Gespräch zu kommen. Es gibt Infos und Hilfe, Wlan – und kostenloses Wassereis.
300 Pilger vor dem Start des Weltjugendtags
Bei der Eisausgabe im Untergeschoss des Pilgerzentrums hat Stefan Kendzorra alle Hände voll zu tun. Der Paderborner Diözesanpriester gehört zum Leitungsteam des Pilgerzentrums. Er und seine Mitstreiter sind von dem Zuspruch, den das Pilgerzentrum erhält, überrascht. So seien schon am Montag um die 300 Pilgerinnen und Pilger gekommen – obwohl der Weltjugendtag offiziell erst am Dienstag begonnen hat. "Gerechnet haben wir mit 20". Auch an diesem Dienstag sind es wieder Hunderte. Nicht nur zum Entspannen kommen die Pilger ins Pilgerzentrum. "Unsere Programmpunkte sind alle gut besucht", sagt Kendzorra. Dazu zählt unter anderem das Format "Ask the bishop", bei dem die Teilnehmer einem Bischof ganz persönliche Fragen stellen können, und Andachten im extra eingerichteten Gebetsraum. Auch die Gesprächsangebote, die Mitarbeiter des Pilgerzentrum am Rande machen, würden gut angenommen. "Es sind ungezwungene, ehrliche, echte Gespräche mit den Teilnehmern."
Ein abgeschiedenes Plätzchen im Garten hat sich auch die Kolping-Jugend aus dem Erzbistum Paderborn gesucht. Um die Reise nach Lissabon zu finanzieren, hat sie sich eine ungewöhnliche Aktion einfallen lassen: Sie haben nach Spendern gesucht – mit dem Versprechen, ihnen jeweils eine Postkarte zu schreiben. Nun sind sie dabei, 80 Postkarten mit Grüßen an die Spender auszufüllen. Viel Arbeit, die sie aber gerne tun.
Von vielen Pilgerinnen und Pilgern hört man ähnliche Gründe, warum sie zum Weltjugendtag nach Lissabon gekommen sind. Es geht ihnen um den Austausch mit anderen jungen Gläubigen aus Deutschland, aber auch aus aller Welt. Darüber hinaus möchten sie die Feier des Glaubens in einer großen Gemeinschaft erleben. Manche haben auch ganz bestimmte Wünsche nach Lissabon mitgebracht: Die 16-jährige Emilie Pardula aus dem Bistum Dresden-Meißen will die geistigen Inspirationen des Weltjugendtags in die Heimat tragen und diese in ihrer Gemeinde und in der Jugendarbeit umzusetzen.
In einer anderen Ecke des Gartens hat sich gerade der Osnabrücker Weihbischof und derzeitige Diözesanadministrator Johannes Wübbe für eine Runde "Ask the bishop" eingefunden. Dort wird deutlich, dass einige Jugendliche viele konkrete Fragen zur Zukunft Kirche beschäftigen. Unter anderem wird Wübbe gefragt, wie politisch die Kirche sein dürfe. Seine Antwort: Schon Jesu Botschaft hatte hohen politischen Sprengstoff – ihm ging es aber immer um die Menschen. An dem müsse sich das Handeln der Kirche messen lassen. Eine weitere Frage dreht sich um künftige Gemeindemodelle angesichts eines immer dramatischeren Priestermangels. Wübbe betont, im Bistum Osnabrück gebe es bereits gute Erfahrungen damit, Leitung auf mehrere Schultern zu verteilen. Doch man sollte sich grundsätzlich die Frage nach den Zugängen zum Weiheamt stellen. Generell wünscht sich der Vorsitzende der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz eine Kirche, "in der Menschen das finden, was sie suchen".
Inzwischen hat sich der Garten immer weiter gefüllt. Neue Besucher werden am Info-Point hinter dem Eingang des Goethe-Instituts von Mitarbeitern des Pilgerzentrums empfangen. Immer wieder trudeln neue Gruppen ein, manche sogar mit einer kleinen Gesangseinlage. Am Info-Point gibt es alle nötigen Hinweise zum Weltjugendtag – und Hilfe bei akuten Problemen. Bislang seien diese aber überschaubar gewesen, sagt Thomas Schlütter, Aachener Priester und Mitarbeiter im Pilgerzentrum. "Hier und da ein Insektenstich oder Blasen an den Füßen." In solchen Fällen verweise man auf die nächstgelegene Apotheke. Seit Montag kommen im Pilgerzentrum auch Koffer an, die Pilgern irgendwo auf den Weg nach Portugal verloren gingen. Auch wegen eines verlorenen Ausweises hätte sich schon der ein oder andere gemeldet – hier gebe es aber gute Unterstützung von der benachbarten Deutschen Botschaft.
Schockmoment in Lissabon
In die Hauswand des Pilgerzentrums, die an den Garten grenzt, ist eine Sitzgelegenheit integriert. Hier hat es sich eine Gruppe um Peter Lanig aus Würzburg bequem gemacht. Sie sind seit Freitag mit dem Kleinbus unterwegs, haben zunächst in Frankreich und Spanien Halt gemacht, bevor sie nach Lissabon gekommen sind. Lanig hatte seinen Schockmoment in Lissabon bereits – schon am ersten Tag wurde ihm sein Geldbeutel gestohlen. Mittlerweile sei das Gröbste erledigt und er sehe die Sache inzwischen etwas entspannter, sagt er. Seine Gruppe habe bereits am Montag im Pilgerzentrum vorbeigeschaut und sei von der Atmosphäre fasziniert. "Es ist eine richtige Erholungspause", sagt Lanig. Er freut sich über den Austausch mit anderen jungen Pilgern in entspannter Atmosphäre – vielleicht schaut er in den kommenden Tagen nochmal vorbei.
Am späten Nachmittag wird es nochmal richtig voll. Denn das Pilgerzentrum liegt nicht weit vom "Parque Eduardo VII" entfernt, wo einige Hauptevents des Weltjugendtags angesetzt sind – unter anderem der Eröffnungsgottesdienst am Dienstagabend. Viele Gruppen schauen deshalb praktischerweise vorbei, laden ihre Handy-Akkus oder mit einem kleinen Nickerchen im schattigen Garten ihre Energiereserven auf. Gelegenheiten zu Ruhe und Entspannung gibt es bei Veranstaltungen wie dem Weltjugendtag eher selten. Die Verantwortlichen im Pilgerzentrum hoffen daher weiter auf reichlich Besuch – und haben die Zahlen immer im Blick: Jeder, der das Pilgerzentrum betritt, wird gebeten, sich über einen QR-Code einzuloggen. Jeder Registrierungsvorgang bringt einen Anstieg in der Statistik. So wird sich zeigen, wie viele der 8.300 deutschen Pilger bis einschließlich Freitag – dann schließt es – das Pilgerzentrum besucht haben.