Standpunkt

Wo blieb die kritische Berichterstattung über den Weltjugendtag?

Veröffentlicht am 08.08.2023 um 00:01 Uhr – Von Regina Nagel – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Weltjugendtag in Lissabon ist seit einigen Tagen vorbei. Doch war das Treffen wirklich ein so unbeschwertes Glaubensfest, wie berichtet wurde? Regina Nagel weist auf Gefahren durch fundamentalistische Gemeinschaften und Medien beim WJT hin.

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Sonne, Farben, Fröhlichkeit und unzählige junge Menschen beim Weltjugendtag in Lissabon. Für viele waren es wertvolle Tage – vor allem die Begegnung mit Teilnehmenden aus so vielen Ländern der Welt. "Gar nicht so konservativ, wie man denkt", sei der WJT, so der Vorsitzende des BDKJ, Gregor Podschun. Das Programm seines Jugendverbandes hat mir u.a. mit der gut besuchten Veranstaltung zu Klimagerechtigkeit und Kolonialismus signalisiert: Wir sind auch noch da – nicht nur die, die auf der Neuevangelisierungwelle schwimmen! Über Gespräche mit Bischof Gerber und Weihbischof Wübbe wurde berichtet, dass man offen über kirchenkritische Themen diskutieren konnte. Als junge Leute, die eine Regenbogenfahne dabei hatten, von anderen angepöbelt wurden, folgten solidarische Statements; ebenso als ein Priester junge Leute zur Mundkommunion gezwungen hat. Gut so!

Es gab allerdings, so zeigte die Berichterstattung, die sehr intensiv z.B. durch EWTN und K-TV erfolgte, zahlreiche Gruppen, Personen und Botschaften, bei denen die Bezeichnung "konservativ" geschmeichelt wäre. Unangenehm klerikal wirkten Tausende von konzelebrierenden Priestern auf ihren reservierten VIP-Plätzen. Katechesen, über die berichtet wurde, waren sehr niederschwellig. Grundtenor: "Jesus liebt dich!" Ein teilnehmender Pastoralreferent sagte mir: "Das ist schon eine theologische Herausforderung hier für mich." Auf meine Frage, wie er denn die zahlreichen fundamentalistischen Richtungen (neben den og. Medien waren z.B. Jugend 2000, YOUCAT, Legionäre Christi u.ä. aktiv) wahrnehme, meinte er: "Da gehen wir nicht hin, das tut meiner Seele nicht gut." Verständlich, und doch schade.

Warum gibt es keine kritischen Berichte über Gefahrenpotentiale der beim WJT anwesenden fundamentalistischen Kreise? Fehlt hierzu das Problembewusstsein? Professorin Hildegund Keul weist im Buch "Der Verrat der Seelenführer" deutlich darauf hin, dass die Gefahren der Neuen Geistlichen Gemeinschaften seitens der Jugendpastoral in Deutschland zu zögerlich in den Blick genommen werden. Der WJT bot die Chance, kritisch zu beobachten, zu berichten und so junge Menschen vor spiritueller Manipulation zu schützen. Diese Chance wurde leider verpasst.

Von Regina Nagel

Die Autorin

Regina Nagel ist Vorsitzende des Gemeindereferent*innen-Bundesverbands und verantwortliche Redakteurin der Verbandszeitschrift "das magazin".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.