Bistum Aachen: Details zur Namensnennung von Missbrauchstätern
Das Bistum Aachen will an seinem Plan festhalten, im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung die Namen von Tätern sexualisierter Gewalt öffentlich zu nennen und hat weitere Details veröffentlicht. "Interdisziplinäre Fachexperten erarbeiten derzeit bis Ende diesen Monats eine Vorlage für die verschiedenen Gremien, die die Aufarbeitung kontrollieren und begleiten, und damit eine Systematik, die als Grundlage für die öffentliche Nennung dient", sagte der Aachener Generalvikar Andreas Frick in einem Statement auf der Bistumswebsite (Mittwoch). Danach würden weitere Schritte beschlossen. Um Ergebnisse vorlegen zu können, die "juristischen Einwänden" standhielten und betroffene Gemeinden begleiten könnten, brauche es eine "angemessene und tiefgründige Vorbereitung".
Bereits im Mai hatte das Bistum angekündigt, die Namen von Missbrauchstätern veröffentlichen zu wollen. Veröffentlicht werden sollen demnach nicht nur die Namen, die im Aachener Missbrauchsgutachten 2020 genannt werden, sondern in begründeten Einzelfällen auch weitere Namen darüber hinaus. Als Täter gelten demnach diejenigen, die verurteilt wurden oder nach Überzeugung des Bistums Täter waren oder sind. Damit sollen bislang noch unbekannte Betroffene aufgerufen werden, sich zu melden. "Betroffene müssen sich anvertrauen können und dürfen keine neuen Ohnmachtserfahrungen machen", betonte Bischof Helmut Dieser damals in einer Pressemitteilung. Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Hans Wimmer, Richter im Ruhestand und Mitglied des Ständigen Beraterstabes, ergänzte: "Wenn es um die Wahrung der Rechte und den Schutz der Betroffenen geht und dies eine Veröffentlichung der Namen von Tätern erforderlich macht, dann ist dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch der Vorrang vor den Persönlichkeitsrechten der Täter und deren Bedürfnis nach Anonymität einzuräumen."
Differenzierte Betrachtung "kein Ergebnis von Vertuschung"
Generalvikar Frick betonte nun, es gehe um eine "Kultur des Hinsehens, der Konfliktfähigkeit und Klarheit". Die Sicht der Betroffenen sowie der Schutz vor Belastung und Retraumatisierung stehe im Mittelpunkt aller Maßnahmen des Bistums. Jeder Fall sei anders, das gelte auch für die geplante Täter-Nennung. "Eine differenzierte Betrachtung ist kein Ergebnis von Vertuschung, sondern Ausdruck dessen, in einem Rechtsstaat rechtsstaatliche Standards und Mittel zu wahren", so Frick. "Es gibt die zwingende Notwendigkeit im Sinne höchstmöglicher Transparenz, nachvollziehbare Systematiken zu entwickeln."
Missbrauch im Bistum Aachen: Täterschutz statt Opferfürsorge
Frühere Aachener Bistumsspitzen haben im Umgang mit Missbrauchsfällen versagt: Das legt ein neues Gutachten nahe. Die Autoren wollen dabei aber nicht einzelne Personen "an den Pranger" stellen – es geht vielmehr um die Fehler im System der Kirche.
Ein weiterer wesentlicher Schritt in der Missbrauchsaufarbeitung sei es, das Thema begleitet und professionell auch vor Ort zur Sprache zu bringen. "Wir wissen alle, dass bisweilen viele Menschen etwas geahnt haben, Andeutungen machten oder geschwiegen haben", so der Aachener Generalvikar. "Missbrauch zerstört Seelen, Biografien und soziale Beziehungen. Nicht nur in Familien, sondern auch in Gemeinden."
Bis Ende Juni 2023 seien für das Bistum Aachen insgesamt 250 Betroffene bekannt, von denen 134 Anträge auf Anerkennung des Leids gestellt hätten, die von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) geprüft wurden. 121 Beschuldigte und Täter seien dem Bistum namentlich bekannt. "Darunter befinden sich 110 Kleriker (Pfarrer, Kapläne, Patres, Diakone) und Ordensschwestern", heißt es in der Stellungnahme. "Die weiteren elf waren Hausmeister, Küster, Lehrer und Erzieher."
"Wiedergutmachung für erlittenes Leid kann dies nicht sein"
Jüngst wurde bekannt dass ein Missbrauchsbetroffener 600.000 Euro vom Bistum Aachen fordert. Die UKA hatte bislang die Zahlung von 80.000 Euro in Anerkennung seines Leids veranlasst. Der 59-Jährige beruft sich auf ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Kölner Landgerichts. Dieses hatte dem Missbrauchsbetroffenen Georg Menne 300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Generalvikar Frick betonte nun, dass das Urteil "absehbar auch die Anerkennungsleistungen durch die UKA beeinflussen" werde. "Und das ist gut so." Bis Ende Juni seien im Bistum Aachen 2,355 Millionen Euro an Betroffene gezahlt worden – "eine Wiedergutmachung für erlittenes Leid kann dies nicht sein".
Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt nannte Frick "kein Projekt, keine kurzfristige Maßnahme, sondern eine Frage der Haltung von uns allen". Sie bleibe ein Thema für Kirche und Gesellschaft. "Wir sind uns alle im Klaren darüber, dass die Aufarbeitung nicht nur in unserer historischen Verantwortung liegt, sondern zugleich die wichtigste Voraussetzung dafür ist, Missbrauch keine Chance zu geben. Verfehlungen, Missstände und Verbrechen sind klar zu benennen, zu melden und zu verfolgen. Dies ist unsere gemeinsame Aufgabe." (cbr)