"Politik ist nicht eure Aufgabe"
Die Bischöfe halten sich bis Samstag zu ihrem sogenannten Ad-Limina-Besuch im Vatikan auf; sie berieten dort auch über mögliche Strategien für eine friedliche Beilegung des Konfliktes. Die Ukraine ist für den Vatikan kirchenpolitisch ein besonders heikles Pflaster. Denn die Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee haben auch die Gräben zwischen griechisch-katholischer Kirche und russisch-orthodoxer Kirche noch weiter vertieft. Die eine Kirche, zu der die meisten Katholiken der Ukraine zählen, ist mit Rom verbunden und erkennt den Papst als Oberhaupt an. Die andere ist ein wichtiger Gesprächspartner des Vatikan im ökumenischen Dialog.
Vor allem das Moskauer Patriarchat fällt durch nationalistische und kriegerische Rhetorik auf. Aber auch unter den Katholiken in der Ukraine waren bisweilen kämpferische Untertöne zu vernehmen. Der Primas der griechisch-katholischen Kirche dort, der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, vermeidet hingegen solche Rhetorik.
Papst will sich für Rechte der Kirche einsetzen
Der Papst warnte die Bischöfe des Landes am Freitag nun vor allzu konkreten politischen Stellungnahmen im Ukraine-Konflikt. Er kenne die "historischen Vorgänge", die bis heute im kollektiven Gedächtnis seien, heißt es im Redetext.
Damit war offenbar die schwierige russisch-ukrainische Geschichte gemeint. Es handele sich hierbei jedoch um teils politische Fragen. Darauf "eine direkte Antwort zu geben", sei "nicht ihre Aufgabe", ließ Franziskus die Bischöfe wissen. Sie seien zwar Bürger der Ukraine und hätten als solche das Recht, ihre Meinung zu äußern. Das heiße aber nicht, dass sie eine "konkrete politische Aktion" fördern dürften.
Gerne gehört haben werden die Gäste aus der Ukraine hingegen die päpstliche Versicherung, dass der Vatikan an ihrer Seite stehe. Er wolle sich auch vor internationalen Gremien für ihre Rechte einsetzen. Zuletzt war Franziskus in der griechisch-katholischen Kirche eine prorussische Haltung vorgeworfen worden. Anlass waren Äußerungen bei seiner Generalaudienz vor gut zwei Wochen. Damals sprach er in einem Friedensappell von einem "Brudermord" in der Ukraine .
Ukraine-Konflikt sorgte bei Synode für Eklat
Diese Äußerungen waren dort als Verharmlosung der russischen Aggression kritisiert worden. Der Papst mache sich mit dem Begriff "Brudermord" das Vokabular der Moskauer Propaganda zu eigen, lautete der Vorwurf. Als angebliches Motiv wurde Rücksichtnahme auf das russisch-orthodoxe Patriarchat in Moskau genannt. Der Vatikan stellte daraufhin die päpstliche Neutralität in dem Konflikt klar. Die Appelle des Papstes richteten sich stets an alle Konfliktparteien, erklärte Sprecher Federico Lombardi.
Die ukrainischen Bischöfe haben in Rom auch ihre Position deutlich gemacht. Die Wahrheit müsse ausgesprochen und unter allen Umständen verteidigt werden, hatte Schewtschuk dem neuen vatikanischen Außenminister, Erzbischof Richard Gallagher, gesagt. "Das erwarten die Bürger der Ukraine heute vom Heiligen Stuhl als oberster moralischer Autorität." Die Bischöfe wollten dem Papst nach Worten Schewtschuks in Rom "die Wahrheit über die Aggression" berichten, die sich gegen die Ukraine richte.
Während der Bischofssynode im Vatikan im Oktober hatte der Ukraine-Konflikt sogar für einen Eklat gesorgt. Der Außenbeauftragte des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, beschimpfte die griechisch-katholische Kirche in seinem Grußwort an die Teilnehmer der Synode wüst. An diesem Samstag nun hat Franziskus Gelegenheit, den Konflikt von einer anderen Warte zu betrachten: Dann empfängt er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte zuletzt gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande das Waffenstillstandsabkommen vermittelt.
Von Thomas Jansen (KNA)