Strohmänner für ein versteinertes kirchliches Lehramt
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Vor wenigen Tagen hat Erzbischof Heiner Koch in einem Brief an die pastoralen Dienste im Erzbistum Berlin seinen Entschluss mitgeteilt, er werde "nicht disziplinarisch vorgehen" gegen SeelsorgerInnen, die "nach einem der Gewissensbildung und -entscheidung dienenden pastoralen Gespräch" Paare "aus seelsorgerischen Gründen" segnen, die nicht sakramental heiraten können.
Man kann diese Entscheidung begrüßen, verspricht sie doch SeelsorgerInnen – zumindest für die Dauer von Kochs Amtszeit – Rückendeckung für den Fall, dass Segensfeiern für Liebende, wie jüngst in Mettmann geschehen, zu Beschwerden in Rom führen. Man kann kritisieren, dass die Entscheidung nicht Fleisch und nicht Fisch ist: "Es handelt sich bei diesen Segnungen um einen Akt, der seinen Ort im vertrauensgeschützten Rahmen der persönlichen Seelsorge hat", heißt es weiter. Das klingt dann doch eher nach Beichtstuhl oder Gesprächszimmer, damit jegliche Verwechslungsgefahr mit einer kirchlichen Eheschließung gebannt ist.
Man kann die Entscheidung auch für eine Katastrophe halten, wie ich es in einem Kommentar las: Sie öffne gewissermaßen der Willkür Tür und Tor und verletze den Rechtsanspruch der Gläubigen, die die Sakramentalien und Sakramente unabhängig von der Einstellung und Gewissensentscheidung des Sakramentenspenders empfangen wollten.
Und da klang sie für mich wieder durch: Die Argumentationslinie, nach der das kirchliche Lehramt vor allem den Glauben der einfachen Leute zu schützen habe, wie sie mir vor bald zwanzig Jahren während meines Theologiestudiums begegnet ist. Die oft gehörten Worte, dass die Gläubigen verwirrt sein könnten, wenn Paare, die kirchenrechtlich keine Ehe eingehen können, gesegnet würden. Die Argumentation mit den Rechten der Gläubigen, auch wenn deren Stimme(n) ganz anders und vielfältiger klingen.
Solche Argumentationslinien entmündigen und bevormunden diejenigen Gläubigen, die selber ein Gespür dafür haben, ob und von wem sie Sakramente oder Sakramentalien empfangen möchten – und von wem vielleicht auch nicht –, weil Sakramente und Sakramentalien immer auch ein Beziehungsgeschehen sind: zwischen Gott, dem Empfänger und dem Spender ... und manchmal auch mit denjenigen, die einfach als Zeugen oder Gäste dabei sind. Solche Argumentationslinien machen die Gläubigen und ihren so schutzbedürftigen Glauben leicht zu Strohmännern und -frauen für ein versteinertes kirchliches Lehramt.
Die Autorin
Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion. Außerdem ist sie in der Hochschulpastoral der Bergischen Universität Wuppertal tätig.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.