"Nicht mehr tolerabel"
Die dramatischen Nachrichten über Gewalt, Entführungen und Schikanen gegenüber Christen und anderen aus dem Nahen Osten nähmen kein Ende. Wörtlich sagte Franziskus: "Ich will allen, die davon betroffen sind, versichern, dass wir sie nicht vergessen, dass wir ihnen nahe sind und dass wir inständig beten, dass dieser unerträglichen Brutalität, deren Opfer sie sind, bald ein Ende gemacht werde".
Gemeinsam mit mehreren Zehntausend Menschen auf dem Petersplatz verharrte der Papst einen Moment still im Gebet für die Opfer. Er rief die Gläubigen dazu auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Leidtragenden der islamistischen Gewalt zu unterstützen. Auch am Freitag hatte das Kirchenoberhaupt seine Fastenexerzitien mit einem Gebet für die verfolgten Christen im Nahen Osten beendet. Das Gedenken an die christlichen Opfer in Syrien, Irak und in der ganzen Welt habe im Mittelpunkt der Abschlussmesse der Einkehrtage in Ariccia nahe Rom gestanden, berichtete Radio Vatikan.
Geistliche aus der Region sprechen von Genozid
Überaus deutliche Worte hatten schon zuvor zwei Geistliche aus der Region gewählt und von einem "Genozid" gesprochen, der derzeit an den syrischen Christen verübt werde. Der syrisch-orthodoxe Patriarchalvikar für Jerusalem und Jordanien, Bischof Severios Malke Mourad sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), 100 Jahre nach einem Völkermord an armenischen und assyrischen Christen im ottomanischen Reich werde nun ein zweiter Genozid an syrischen Christen verübt.
Der Bischof warf demokratischen Politikern Untätigkeit vor. Der Westen verfolge seine eigenen Interessen und tue wenig zum Schutz der betroffenen Christen, so Severios.
Auch der syrisch-katholische Patriarch Ignace Youssif III. Younan fühlt sich von der internationalen Staatengemeinschaft im Stich gelassen. Der Westen vergesse seine demokratischen Werte. Er sei in Kontakt mit Regierungen, "die fundamentalistisch sind und weder Religionsfreiheit noch die Zivilrechte kennen". Auch Ignace Youssif III. verwendete mit Blick auf die Lage der Christen in Syrien das Wort "Genozid".
Marx: Verhandlungen sind "offenbar sinnlos"
Jegliche Waffenlieferungen an den IS müssten unterbunden werden, so Ignace Youssif III. Der mit Rom verbundene syrisch-katholische Patriarch von Antiochia ist religiöses Oberhaupt für weltweit rund 160.000 Gläubige. Die meisten von ihnen - rund 65.000 - leben in Syrien, viele weitere im Irak, Libanon und den USA.
Zum Ende ihrer Frühjahrsvollversammlung hatten auch die deutschen Bischöfe die Bundesregierung und die internationale Staatengemeinschaft zu einem energischen Eingreifen gegen den Terror des "Islamischen Staates" (IS) aufgefordert. Die Entwicklung nehme "dramatische Formen" an, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx . Die vom IS ausgegebenen Parolen im Stile von "Wir erobern Rom" nannte er "erschreckend". Die Kirche könne die Politik nur "ermutigen, ja auffordern", dem Treiben der Terroristen ein Ende zu setzen. Verhandlungen mit der Gruppe seien "offenbar sinnlos".
Die sunnitischen Extremisten hatten Anfang der Woche nordwestlich der syrischen Stadt Al-Hassaka mehrere von assyrischen Christen bewohnte Dörfer unter Kontrolle gebracht. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte brachten sie 220 Menschen in ihre Gewalt, inzwischen seien 19 wieder freigelassen worden. Assyrische Aktivisten sprachen von fast 270 Geiseln. Nach Angaben von Osama Edward, Leiter des Assyrischen Netzwerks für Menschenrechte, flohen rund 6.000 Menschen vor der IS-Terrormiliz in umliegende Städte.
Verhandlungen mit Entführern
Nach Angaben Edwards gehen die Verhandlungen mit den Extremisten über eine Freilassung der Geiseln weiter. Die Gespräche mit den Extremisten würden von Vertretern der assyrischen Christen sowie sunnitischen Stammesführern geführt. "Wir sind hinsichtlich der laufenden Verhandlungen hoffnungsvoll".
Von zwei im April 2013 in Syrien entführten Bischöfen, dem griechisch-orthdoxen Erzbischof Boulos Yazigi und dem syrischen Metropoliten Mar Gregorios Youhanna Ibrahim, fehlt nach Angaben von Geistlichen aus der Region jede Spur. Man habe weder Lösegeldforderungen erhalten noch sonst Informationen über das Schicksal der beiden Geistlichen, sagte Bischof Severios Malke Mourad. (gho/dpa/KNA)
02.03.2015, 10:00 Uhr: Nachricht über Freilassung von 19 Geiseln ergänzt.