Das Schweigen der Kirche zur Flugblatt-Affäre ist beschämend
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Die Flugblatt-Affäre um den bayerischen Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger beschäftigt die gesamtdeutsche Öffentlichkeit. Doch inmitten der Diskussion schweigt ein wichtiger Akteur: die Kirche. Der Skandal, in den Aiwanger verstrickt ist, hat als Ausgangspunkt antisemitische Geschmacklosigkeiten, KZ-Witze und Nazi-Gesten während seiner Schulzeit. Doch inzwischen steht der unglaubwürdige Umgang des Politikers der Freien Wähler mit den Anschuldigungen im Vordergrund, ebenso wie sein Versuch, durch eine Täter-Opfer-Umkehr politisch Kapital aus dem Skandal zu schlagen. Dass er damit bei nicht wenigen Wählern gut ankommt, zeigt die Verunsicherung vieler Menschen und ihr tiefliegendes Misstrauen in die freie Presse – und damit in einen Grundpfeiler der Demokratie.
Doch trotz dieser desolaten gesellschaftlichen Situation melden sich weder katholische Bischöfe noch Verbände oder Laien-Gremien mahnend zu Wort. Das Schweigen der Kirche ist beschämend, denn sie darf nicht stumm bleiben, wenn es um die Themen Judenhass und Populismus geht. Das prophetische Mahnen angesichts von fatalen Entwicklungen in der Gesellschaft gehört zu DNA der Kirche – das ist sie den Menschen schuldig.
Es ist zudem erschreckend, wie sich die damaligen rechtsextremen Positionen Aiwangers in seiner heutigen rechtspopulistischen Agenda fortsetzen – und das alles ohne eine aufrichtige Bitte um Verzeihung oder erkennbare Scham des Vorsitzenden der Freien Wähler in Bayern nach der politischen Affäre. Nicht umsonst nahm Charlotte Knobloch eine Entschuldigung von Aiwanger nicht an. Die Kirche sollte sich die Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde München zum Vorbild nehmen und Aiwangers mehr als halbherzigen Umgang mit dem Skandal öffentlich kritisieren.
Die Zurückhaltung der Bischöfe und der katholischen Laien mag einen verständlichen Grund haben: In etwas mehr als einem Monat steht die Landtagswahl in Bayern vor der Tür. Die Kirche tut zwar gut daran, keine Parteipolitik zu betreiben oder gar Wahlempfehlungen abzugeben. Doch bei der Flugblatt-Affäre wurden gleich mehrere Grenzen überschritten, die eine Meinungsäußerung der Kirche rechtfertigen – und sogar erfordern. Gerade die Kirche muss an der Seite ihrer älteren Geschwister im Glauben stehen und Mahnerin für eine demokratische Gesellschaft sein.
Der Autor
Roland Müller ist Redakteur bei katholisch.deHinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.