Nach Weltjugendtag braucht es Konzepte gegen geistlichen Missbrauch
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Als meine Nichte Sophia Anfang August vom Weltjugendtag in Lissabon zurückkehrte, war sie ziemlich aufgewühlt. Einerseits brachte sie beeindruckende Erlebnisse von der ungeheuren Herzlichkeit portugiesischer Gastfamilien mit nach Hause. Auf der anderen Seite war sie über Teile des offiziellen Programms erschüttert. Sie hatte den Eindruck, dass es gerade bei den großen Gottesdiensten nicht um die Jugendlichen ging, sondern vor allem um den Klerus, der sich selbst feierte. Vieles davon hat sie in einem Bericht für ihre Heimatgemeinde aufgeschrieben. Sie berichtet davon, wie sie sich inmitten einer enthusiastischen Masse vorfand, die außer sich vor Begeisterung immer wieder "Wir sind die Jugend des Papstes!" skandierte. In einer solchen Menge zu stehen und sich zu sagen "Nein, das bin ich nicht", erfordert einiges an innerer Stärke. Eine bischöfliche Katechese, die gemeinsam mit Jugendlichen der Loretto-Bewegung veranstaltet wurde, hat sie fluchtartig verlassen – erschrocken und getroffen, weil um sie herum junge Menschen im Überschwang unter Tränen auf die Knie sanken und ihr schließlich in einer Austauschphase innerhalb der Katechese von anderen das Katholisch-Sein abgesprochen wurde.
Wenn wir uns in der Kirche darum bemühen, geistlichen Missbrauch künftig zu verhindern, dann müssen Erfahrungen, wie sie meine Nichte und andere auf dem Weltjugendtag gemacht haben, kritisch aufgearbeitet werden. Es braucht Schutzkonzepte, die nicht nur sexuellen, sondern auch geistlichen Missbrauch im Blick haben. Und Bischöfe, die davon überzeugt sind, die Zukunft der Kirche liege in einer Verstärkung der Katechese sowie in der Begeisterung von charismatischen Gemeinschaften, müssen sich der Frage stellen, ob sie die Gefahr des geistliches Missbrauchs ausreichend berücksichtigen. Längst gibt es neben unmittelbaren Erfahrungsberichten auch wissenschaftliche Projekte, in denen sich Theolog*innen wie Hildegund Keul oder Judith Könemann mit Strukturen geistlichen Missbrauchs befasst haben. Ihre Erkenntnisse müssen praktische Konsequenzen haben.
Bei der Herbstkonferenz der Hochschulseelsorger*innen widmen wir uns in dieser Woche genau dieser Frage nach einem verantwortlichen Umgang mit der Macht in der Begleitung junger Menschen.
Auch bischöfliche Katechesen und der Enthusiasmus neuer geistlicher Gemeinschaften müssen sich dieser Selbstprüfung unterziehen. Es geht dabei um nicht weniger als die Sicherheit junger Menschen wie meiner Nichte.
Der Autor
Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.