Warum ein junger Protestant einen katholischen Podcast macht
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"Das Elfte Gebot" ist ein Podcast über Glauben, Nicht-Glauben und alles, was dazwischen liegt. Linus Hartmann ist einer der Hosts des Podcasts, der vom Pfarrbriefservice ins Leben gerufen wurde. Der 20-Jährige fragt dort einmal im Monat Gläubige, was sie glauben. Doch warum macht er das überhaupt?
Frage: Laut Bibel gibt es zehn Gebote – "Das Elfte Gebot" heißt ein Podcast vom katholischen Pfarrbriefservice (pfarrbriefservice.de) deutscher Bistümer. Ein Podcast über Glauben, Nicht-Glauben und alles, was dazwischen liegt. Linus Hartmann fragt darin seit mittlerweile eineinhalb Jahren einmal im Monat ganz verschiedene Gläubige: "Was glaubst du?". Als ein Team von drei jungen Menschen bereiten sie Gespräche mit Menschen über ihren Glauben vor, sind interessiert vor allem an Kirchenthemen und warum man glaubt oder vielleicht mit dem Glauben hadert. Was ist das elfte Gebot, also der Titel eures Podcasts?
Hartmann: Das kommt ganz auf den Gast oder die Gästin an. Tatsächlich stellen wir die Frage nicht uns, sondern unseren Gästinnen und Gästen. Jeder Gast, jede Gästin darf am Ende einer jeden Folge entscheiden, was für ihn oder sie – wir nennen es so – das "elfte Gebot" ist. Das ist letztendlich ein Impuls oder ein Gedanke, vielleicht auch manchmal ein Zitat oder einfach irgendwas, was unsere Gästinnen und Gäste an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer weitergeben möchten.
Frage: Welche Themen gibt es? Worum geht es dir im Gespräch mit den Menschen? Was ist der Zweck hinter dem Podcast?
Hartmann: Die Idee hinter dem Podcast ist vor allem, die Reformprozesse in der Kirche anschaulicher und etwas persönlicher zu zeigen. Wir laden oft Gästinnen und Gäste ein, die in irgendeiner Art und Weise mit ihrem Glauben oder mit der Kirche hadern, die neue Ideen haben, die alte Strukturen kritisieren und somit zeigen, wie die katholische Kirche moderner, weltoffener und auch toleranter sein kann. Das ist auch die Idee dahinter: Wir wollen genau das zeigen. Wir wollen zeigen, dass die katholische Kirche weltoffen und tolerant sein kann.
Frage: Ihr habt beispielsweise mit Burkhard Hose, Schwester Dr. Katharina Ganz OSF und dem Theologen Felix Goldinger gesprochen. Inzwischen gibt es schon zwei Staffeln. Ich darf ankündigen: Es gibt bald eine dritte, da seid ihr gerade dran …
Hartmann: Genau. Am 11. Oktober um 11:11 Uhr startet unsere dritte Staffel. Da geht es dann noch spannender weiter als in den ersten beiden Staffeln.
Der Podcast "Das Elfte Gebot"
Den Podcast "Das Elfte Gebot" können Sie auf der Internetseite des Pfarrbriefservices hören – und auch überall dort, wo es noch Podcasts gibt.
Frage: Du bist 20 Jahre alt, evangelisch getauft und konfirmiert. Es geht trotzdem in den Gesprächen um die katholische Kirche. Wie viel Glaube – auch von dir selbst – steckt in deinem Podcast? Wie gehst du damit in den Gesprächen um?
Hartmann: Das klingt jetzt vielleicht etwas komisch, wenn ich sage, ich mache einen katholischen Podcast – ich bin evangelisch getauft und konfirmiert und ehrlich gesagt auch nicht einmal wirklich gläubig. Ich mache den Podcast nicht, weil ich selber gläubig bin und weil ich da eine religiöse Motivation hätte, sondern es ist echt so banal, wie es klingt: Ich bin durch dieses Podcast-Projekt zu der ganzen Kirchenthematik gekommen und habe so diese Themen kennengelernt.
Ich habe die Menschen kennengelernt und habe gesehen, wie viel da gerade passiert und wie viel da auch teilweise passieren muss. Mit wie viel Motivation und Engagement sich so viele Leute für eine neue Form von Kirche engagieren. Das hat mich sehr inspiriert und das inspiriert mich immer noch. Das inspiriert, glaube ich, auch meine Kolleginnen sehr. Das versuchen wir auch, in den Podcast mit einfließen zu lassen.
Frage: Deine Aufgabe ist dann, das Gespräch zu führen und aufzunehmen. Ihr habt vorher schon zusammen überlegt, welche Fragen diesem Gast gestellt werden sollen. Du schneidest die Audio-Dateien anschließend und dann kommt dabei etwas Spannendes heraus. Was hast du vielleicht schon erfahren und auch für deinen eigenen Glauben mitgenommen? Was ist das, was euch als Team inspiriert?
Hartmann: Oftmals sind es sehr konkrete Sachen. In der zweiten Staffel hatten wir zum Beispiel eine Folge mit Thomas Schaffert, der in der "Katholischen Integrierten Gemeinde" war. Das war eine Sekte innerhalb der katholischen Kirche, also ein sehr heikles Thema.
Ich habe das in einer Doku gesehen und mich gefragt: Wie kann das sein, wie kann so etwas existieren? Und wie fühlt sich ein Mensch, der da drin war? Dann haben wir geguckt, ob wir mit jemandem reden können. Wir haben sehr lange darüber geredet, was wir die Person fragen.
Dann durfte ich Thomas Schaffert treffen. Ich durfte mit ihm reden und so läuft es oft ab, dass man dann in den Gesprächen ganz konkret erfährt, was da schiefläuft in der katholischen Kirche oder was da schiefgelaufen ist und wie es der Gast oder die Gästin schafft, damit umzugehen. Das finde ich oftmals sehr beeindruckend.
Frage: Gibt es eine Geschichte hinter den Kulissen, von der Macher-Seite, die dir im Kopf geblieben ist? Oder ist vielleicht mal etwas schiefgegangen?
Hartmann: Oh ja, es ist sehr viel schiefgegangen. Man hört am Ende als Zuhörerin oder Zuhörer ja immer nur das Endprodukt – die 45 Minuten. Dahinter steckt stundenlange Arbeit. Wir diskutieren oft wirklich stundenlang über teilweise einzelne Fragen. Auch später: Was schneiden wir raus und was nicht? Vor allem am Anfang, glaube ich, waren auch einfach Fehlentscheidungen dabei.
Gar nichts Schlimmes. Aber ich erinnere mich, dass wir zum Beispiel tatsächlich zwei Interviews hatten, die wir nie veröffentlicht haben. Entweder habe ich im Interview selbst gemerkt: Ich kriege das gerade gar nicht hin. Wir können das nicht hochladen, ich habe es einfach verhauen. Oder uns ist im Nachhinein aufgefallen: Na ja, so spannend ist das gar nicht, oder wir haben uns da die völlig falschen Fragen überlegt. Das ist aber – Gott sei Dank – nur am Anfang vorgekommen. Mittlerweile läuft das alles ein bisschen geschmeidiger.
„Ich hoffe natürlich, dass es eine gute Form von Glaubensverkündigung ist. Es ist aber, glaube ich, vor allem eine sehr wichtige Form von Glaubensverkündigung, weil es vor allem Pfarrbriefredaktionen einfach schwerfällt, modern und multimedial aufzutreten.“
Frage: Was in der Kirche so abgeht, wollt ihr vor allem für junge Menschen einfangen. Ihr habt eine sehr junge Zielgruppe. Wie schafft ihr das, die mit Kirchen- und Glaubensthemen zu erreichen?
Hartmann: Ich glaube, man muss sich nichts vormachen: Wir sind ein sehr junges Team. Und auch Podcasts sind ja ein relativ junges Medium. Man kann uns über Spotify, Deezer und Apple-Podcasts anhören. Wir sind auf Instagram aktiv. Das erreicht natürlich an sich schon mal vor allem junge Menschen. Ich glaube, es wäre auch schwer für uns, einen Podcast zu entwickeln, der sich an ältere Generationen richtet. Das ist das eine, dass wir die Leute an den richtigen Stellen erreichen. Aber auf Instagram, Spotify und Co. sind mittlerweile auch ältere Generation unterwegs.
Ich glaube wirklich, dass der inhaltliche Aspekt wahrscheinlich viel wichtiger ist, dass wir sicherlich im Team auch die Perspektive von vielen jungen Gläubigen, aber auch Nichtgläubigen haben, die sich die Kirche anschauen und sich fragen: Warum ist das eigentlich so? Wie kann das eigentlich sein? Und warum braucht es überhaupt die Kirche noch? Das erreicht junge Menschen einfach sehr gut. Was auch unser Anspruch ist.
Frage: Jetzt im Herbst, wenn ihr veröffentlicht, wird die Weltsynode laufen. In euren Gesprächen geht es auch viel um Reformen, um das, was gerade in der Kirche passiert. Ich glaube, es wird auch später in ein paar Jahren oder Jahrzehnten spannend, darauf zurückzublicken, was da wirklich passiert ist. Mit eurem Podcast begleitet ihr das. Was stellt ihr dar von dem, was in der Kirche gerade passiert?
Hartmann: Wahrscheinlich hat man den falschen Anspruch an unseren Podcast, wenn man denkt, wir sind irgendein Nachrichtenportal und wenn man möglichst als allererstes die meisten Infos über ein neues Thema haben will. So ist es bei uns nicht. Oftmals kommen bei uns Themen Monate später.
Ich glaube, es ist eher dieser persönliche Blick, wenn beispielsweise jemand 45 Minuten lang aus persönlicher Sicht erzählt, wie zum Beispiel der Synodale Weg abgelaufen ist und wie so eine Sitzung aussah. Oder ein Thomas Schaffert, der dann einfach mal eine Stunde lang sogar erzählt, was da genau passiert ist in der Integrierten Gemeinde und wie er da rausgekommen ist.
Oder ein Burkhard Hose, der sich ganz persönlich rückblickend anschaut, was er sein Leben lang gemacht hat und wie sein Engagement für queere Menschen in der Kirche vorangekommen ist. So kriegt man ein sehr persönliches und detailliertes Bild davon, wie solche Reformprozesse Menschen bewegen und was es auch ganz konkret bedeuten kann, wenn ein Reformprozess mal glückt. Das gibt es ja auch!
Frage: Ihr habt euch entschieden, im Rahmen des Pfarrbriefservices ein Medium zu nutzen, das man hört. Das Endprodukt, was du gerade schon genannt hast, kriegt man auf die Ohren. Ist das eine gute Form von Glaubensverkündigung?
Hartmann: Ich hoffe natürlich, dass es eine gute Form von Glaubensverkündigung ist. Es ist aber, glaube ich, vor allem eine sehr wichtige Form von Glaubensverkündigung, weil es vor allem Pfarrbriefredaktionen einfach schwerfällt, modern und multimedial aufzutreten. Wenn ich mir vorstelle, dass in vielen Pfarrbriefredaktionen Leute das alles ehrenamtlich machen und da überhaupt nicht die Zeit und auch oft gar nicht das Wissen haben, dann ist es für die natürlich unfassbar wichtig, wenn sie zum Beispiel mit QR-Codes die Möglichkeit haben, in relativ kurzer Zeit einen Artikel samt Podcastfolge und samt Banner auf die Beine zu stellen, ohne groß Aufwand betreiben zu müssen.
Ich glaube schon, dass das sehr viel vereinfachen kann und auch sehr viele unterschiedliche Menschen erreichen kann. Normalerweise wird so ein Pfarrbrief sicherlich nicht unbedingt von den jungen Menschen gelesen. Das kann dann natürlich helfen. Ob wir jetzt aber wirklich eine gute Form von Glaubensverkündigung sind, das weiß ich nicht. Am Ende geht es natürlich auch um Glauben, aber dieser inhaltliche Aspekt ist vielleicht größer. Diese persönliche Glaubenskomponente kriegt man dadurch mit, dass unsere Gästinnen und Gäste über ihren Glauben reden und wir uns dafür interessieren, was sie antreibt und woran sie glauben.