Es begann beim Krippenspiel – Die Geschichte des Ehepaares Stobrawa
"Er war der heilige Josef und ich der Engel", erinnert sich Edith Stobrawa an das eine bestimmte Krippenspiel. Damals, vor fast 65 Jahren in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Bad Blankenburg, einer Kleinstadt in Thüringen, habe ihr der "heilige Josef" versprochen, sie später einmal zu heiraten. "Schon ein bisschen früh", lacht die heute 71-Jährige am Telefon. Damals war sie elf Jahre alt, ihr Mann Jürgen zwölf. "Gott hat uns zusammengeführt", sagt sie.
Ihr Mann Jürgen wollte schnell noch das Tor im Pfarrgarten reparieren, daher ist er bei dem Gespräch nicht dabei, erklärt Stobrawa. Wie ihr Mann engagiert sie sich von Kindheit an in ihrer Kirchgemeinde in Bad Blankenburg, die im Bistum Erfurt liegt. Ihren späteren Mann lernt sie auch dort kennen. Seine Eltern, ursprünglich aus Schlesien, sind in den 50er Jahren in die Stadt gezogen. Ihre Eltern, weiß sie noch, hatten damals eine Schneiderwerkstatt und viel zu tun. Die beiden verbringen, wie andere Nachbarskinder auch, viel Zeit im Pfarrhaus, beim dortigen Pfarrer und seiner Seelsorghelferin. Das Pfarrhaus war wie ein "zweites zu Hause für uns", erzählt Stobrawa im Rückblick. Manchmal habe dort auch zu Mittag gegessen, weiß Stobrawa noch. Die beiden waren wie "Vater und Mutter für uns", sagt Stobrawa. "Wir konnten mit jedem Problem dorthin kommen." Die beiden hätten das "auch nie ausgenutzt", waren "immer gut zu uns Kindern".
Edith und Jürgen Stobrawa sind schon früh in das Gemeindeleben eingebunden. Sie nehmen an den "Religiösen Kinderwerkwochen" teil, singen in der Schola und gehören zur Jugendgruppe. Jürgen ministriert und ist sogar Oberministrant. "Für uns Mädchen war der Dienst am Altar damals nicht erlaubt", sagt Edith Stobrawa, "das war halt so". Sie habe aber trotzdem ihren Platz in der Kirche gefunden. Denn zu helfen, gab es immer genug, so Stobrawa. Auch wenn sie damals - zur Zeit der DDR - schon zu spüren bekam, dass der christliche nicht erwünscht war. Sie engagiert sich trotzdem weiter für die Kirche.
Nach dem Abitur gehen Edith und Jürgen vorerst getrennte Wege. Sie studiert in Leipzig und wird Dolmetscherin für Englisch und Französisch, er schließt ein technisches Studium in Chemnitz ab, der früheren Karl-Marx-Stadt, und arbeitet im Textilmaschinenbau. Die beiden verlieren sich nicht aus den Augen. "Der Richtige war schon gefunden", lacht die Rentnerin am Telefon.
Als Familie sind wir immer dazu gestanden, Christen zu sein
Edith und Jürgen Stobrawa heiraten 1973 und werden Eltern von drei Kindern. Damals bemerken die beiden die politische Enge, versuchen aber nicht mitzumachen. Als etwa ihr Sohn und ihre Tochter nicht Mitglieder der Pionierorganisation werden, warnt die Grundschulleiterin die Eltern bei einem Hausbesuch davor, "ihre Überzeugungen nicht auf dem Rücken der Kinder auszutragen". Doch das Ehepaar setzt dagegen und geht ihren eigenen Weg. "Den Glauben zu leben, das war damals zwar schwer", erinnert sich Edith Stobrawa, "aber als Familie sind wir immer dazu gestanden, Christen zu sein".
Zur Zeit der Wende, also kurz vor der Wiedervereinigung Deutschland 1989, gibt der Arbeitgeber ihres Mannes die Dienststelle in Rudolstadt auf und Jürgen Stobrawa muss sich umorientieren. Vom Pfarrer der Heimatkirchengemeinde erfährt er, dass für das neu aufzubauende Kolping-Bildungswerk Thüringen ein Geschäftsstellenleiter gesucht wird. "Eine glückliche Fügung", sagt Stobrawa im Rückblick. Ihr Ehemann erhält die Stelle und betreut bis zur Rente vielfältige Projekte beim Kolping-Bildungswerk. Das habe ihn ausgefüllt, meint sie. Damals wechselt auch Edith ihren Arbeitsplatz und ist bis zu ihrer Rente in einem Personalbüro in Rudolstadt beschäftigt. Weil die Großmutter die junge Familie bei der Kinderbetreuung unterstützt, kann sich Stobrawa auch weiterhin in der Kirchengemeinde engagieren. Sie ist Vorsitzende des Kirchengemeinderats, des Diözesanrats und einige Zeit sogar im Katholikenrat. Als ihre Kinder nach der deutschen Wiedervereinigung endlich studieren können, ist sie erleichtert.
"Wir haben nur Gutes in der Kirche erfahren, das wollen wir auch zurückgeben", erklärt Stobrawa ihr vielfältiges Engagement für die Kirche. Zum Beispiel für Geflüchtete aus Eritrea. 2014 kamen einige eritreische Familien nach in Bad Blankenburg. Damals wurden ehrenamtliche Deutschlehrer benötigt. Edith Stobrawa wird eine von ihnen. "Ich war frisch in Rente und hatte Zeit", erklärt sie.
„Unser ganzes Leben hat sich hier in dieser Kirchengemeinde abgespielt. Auf dem Friedhof werden wir auch eines Tages als Eheleute begraben sein.“
Auch ihr Mann hilft den aus Eritrea geflüchteten Familien bei Behördengängen und bei der Job- und Wohnungssuche. "Noch heute gehen diese Familien bei uns im Haus ein und aus", sagt Edith Stobrawa. Mit manchen seien sogar Freundschaften entstanden, so Stobrawa. Sie erzählt, dass einer der Geflüchteten aus Eritrea erst vor kurzem seine Ausbildung als Konstruktionsmechaniker erfolgreich abgeschlossen hat. "Mein Mann hat mit ihm viele Abende lang gelernt", weiß sie noch. Ein anderer junger Mann aus Eritrea arbeitet seit Jahren als Busfahrer. Ein weiterer absolvierte die Ausbildung zum Medizinisch-Technischen-Assistenten für Funktionsdiagnostik und arbeitet nun bei einem Neurologen. Das mache sie froh.
Umgekehrt erfahren sie viel Dankbarkeit von der eritreischen Gemeinschaft und auch Unterstützung. Zum Beispiel wenn ihr Mann, der seit seiner Rente ehrenamtlich als Hausmeister und Gärtner der Kirchengemeinde Bad Blankenburg tätig ist, Hilfe benötigt. Dann ist immer gleich jemand da, freut sich Stobrawa.
Unser ganzes Leben hat sich hier in der Kirchgemeinde abgespielt
Seitdem sie in Rente ist, ist Edith Stobrawa auch ehrenamtliche Küsterin und Lektorin in ihrer Kirchengemeinde. Außerdem ist sie im Blumenschmuck-Team, beteiligt sich am Kirchenputz und macht die Kirchenwäsche. "Wir helfen, wo wir können", meint Stobrawa. Und sie ist auch noch Mitglied im Kirchortrat und Pfarreirat. Weil die Zahlen der Gottesdienstbesucher im Ort zurückgehen, wurde vor wenigen Jahren die Eigenständigkeit der Kirchengemeinde Bad Blankenburg aufgelöst. Und ist heute Kirchort der Katholischen Pfarrgemeinde Corpus Christi Saalfeld. Auch wenn Edith Stobrawa zur Messe nach wie vor am liebsten in "ihre Kirche" geht. Für sie wäre es daher schlimm, wenn eines Tages diese Kirche geschlossen werden würde.
Denn dort in Mariä Himmelfahrt hat sie ihren Mann einst vor vielen Jahren beim Krippenspiel kennen gelernt. Später haben die beiden genau in dieser Kirche ihre Hochzeit gefeiert. Ihre drei Kinder sind in dieser Kirche getauft worden. Und auch zwei ihrer Enkel. Erst kürzlich haben die beiden in dieser Kirche ihre Goldene Hochzeit gefeiert. Auch Gemeindemitglieder aus Eritrea haben dem Jubelpaar gratuliert, erzählt Stobrawa nicht ohne Stolz. "Unser ganzes Leben hat sich hier in dieser Kirchengemeinde abgespielt," so die 71-Jährige. Auf dem Bad Blankenburger Friedhof gibt es das Familiengrab. "Dort liegen unsere Eltern begraben und dort werden wir auch eines Tages als Eheleute begraben sein", sagt Stobrawa.
Jetzt hat das Ehepaar eine Ehrung für ihr kirchliche Engagement vom Bistum Erfurt erhalten. Pfarrer Georg Schuchardt hat den beiden die Elisabeth-Medaille samt dazugehörender Urkunde überreicht. "Sie zählen zu den Säulen den Gemeinde", hat er den beiden gesagt. Auf beide sei "immer Verlass". Als Säule fühle sie sich zwar nicht, lacht Edith Stobrawa am Telefon, aber sie habe halt ihre Wurzeln in dieser Kirche. Genau das wünscht sie auch jungen Menschen heute. Dass sie sich genauso geborgen und beheimatet in ihrer Kirche fühlen. Auch wenn sie verstehen kann, dass sich manche enttäuscht abwenden. Gott wendet sich nicht von uns ab, ist sich Stobrawa sicher.