Initiative "Maria 2.0": Denkmal von Kardinal Hengsbach abbauen
Die katholische Reformbewegung "Maria 2.0" zeigt sich "erschüttert" über die Missbrauchsvorwürfe gegen den verstorbenen Kardinal Franz Hengsbach. Zugleich forderte sie am Dienstagabend, den Kardinal-Hengsbach-Platz am Essener Dom umzubenennen und die dortige Statue des Bischofs zu entfernen. "Wir sind entsetzt, dass, obwohl die Vorwürfe schon sehr lange im Raum stehen, bis heute dazu öffentlich geschwiegen wurde", erklärten "Maria 2.0" im Bistum Essen und "Maria 2.0" Deutschland. Gefragt wird, warum die Vorwürfe gegen Hengsbach (1910-1991) nicht Gegenstand des im Februar veröffentlichten Missbrauchsgutachten für das Bistum Essen sind. Notwendig sei weiterhin eine schonungslose Aufklärung.
Der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Johannes Norpoth, begrüßte die Veröffentlichung der Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach. Angesichts der weit zurückliegenden Zeit und dürftigen Aktenlage könne nur über die Befragung von Betroffenen und Zeitzeugen ein umfassenden Bild entstehen, sagte er am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Essen. Derzeit gebe es keinen Grund, an der Darstellung der Frauen zu zweifeln, so Norpoth, der selbst Betroffener im Bistum Essen ist. Sie setzten sich in ihrem hohen Lebensalter einem immensen Stress aus, zumal sie an einer "Ikone des Ruhrgebiets" rüttelten. Dem Erzbistum Paderborn warf Norpoth vor, Vorwürfe in den Jahren 2010 und 2011 verantwortungslos und oberflächlich behandelt zu haben: "Man hat es damals nicht ernst genommen." Zunächst hatte die Erzdiözese die Anschuldigungen als nicht plausibel eingestuft. In jüngerer Zeit kam sie zu einer Neubewertung.
"Wer hat in Rom für eine Einstellung der Ermittlungen gesorgt?"
Die Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" forderte nach der Veröffentlichung der Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach eine Untersuchung durch eine unabhängige Kommission. Es gebe immer noch viele zu klärende Fragen, erklärte die Organisation am Dienstag in Berlin: "Weshalb wurden die Vorwürfe, die in den Bistümern Paderborn und Essen vorlagen, nicht zusammengeführt? Wer hat die Voruntersuchung in Deutschland geführt? Wer hat in Rom für eine Einstellung der Ermittlungen gesorgt? War es etwa der ehemalige deutsche Papst und vormalige Chef der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger?" Die Initiative forderte weiter: "Es muss endlich Schluss sein damit, dass die Kirche oder von ihr beauftragte Gremien die Missbrauchsverbrechen und den Umgang mit diesen Fällen selbst aufzuklären versucht." Nachdem der Bundestag bis heute keine Untersuchungskommission beauftragt habe, müsse der nordrhein-westfälische Landtag eine Wahrheitskommission für die dortigen Bistümer einrichten.
Die Vertretung der katholischen Laien im Bistum Essen sprach am Mittwoch von einem Schock für Pfarreien und Verbände sowie einem erneut schmerzhaften Schlag ins Gesicht von Betroffenen. Zugleich kritisierte der Diözesanrat das Ruhrbistum und Hengsbachs Heimatdiözese Paderborn, die Vorwürfe gegen den Bischof und seinen Bruder Paul erst jetzt veröffentlicht zu haben. Wieder einmal seien durch "Nicht-Handeln" Täter und Institution geschützt und sei den Opfern großes Unrecht angetan worden, so der Diözesanrat. Das Gremium begrüßte aber den Aufruf an mögliche Betroffene, sich zu melden. "Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und Aufarbeitung der Vorwürfe", sagte die Vorsitzende Klaudia Rudersdorf. Der amtierende Bischof Franz-Josef Overbeck nehme dies nun endlich in Angriff. Auch die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) begrüßte die Information der Öffentlichkeit über die Vorwürfe und warnte vor einem verklärenden Personenkult um Bischöfe. Hengsbach sei als Gründerbischof des Ruhrbistums eine Symbolfigur für katholische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutschlandweit gewesen. Der Verband müsse sich mit seiner Frömmigkeit auseinandersetzen. "Wir brauchen in unserer Kirche keinen vergangenheitsfixierten Ikonenkult."
Das Bistum Essen teilte am Dienstag mit, dass Hengsbach drei sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. Mindestens ein Vorwurf bezieht sich auf eine Minderjährige. Die jüngste Anschuldigung gegen den Gründerbischof des Bistums Essen sei im Oktober 2022 erhoben worden. Angaben über die Art des Übergriffs, das Geschlecht oder das Alter macht das Bistum in diesem Fall nicht und begründet dies mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person. Zwei weitere Anschuldigungen stammten bereits aus dem Jahr 2011. Eine davon sei von der in diesem Fall betroffenen Person aber wieder zurückgezogen worden, da die Schilderungen aufgrund verschwommener Erinnerungen falsch gewesen seien. Der andere Vorwurf aus dem Jahr 2011 sei damals vom Vatikan als nicht plausibel eingestuft worden. Er bezieht sich sich auf das Jahr 1954 und damit auf Hengsbachs Zeit als Weihbischof in Paderborn. Im Zuge der jüngsten Nachforschungen sei die Anschuldigung aber noch einmal geprüft und jetzt als glaubwürdig bewertet worden, teilte das Erzbistum Paderborn ebenfalls am Dienstag mit. (cbr/tmg/KNA)
20.09.23, 17 Uhr: Ergänzt um Rückmeldungen von Diözesanrat und Katholischer Arbeitnehmer-Bewegung.