Menschen aus der Gemeinde sollten leiten und Eucharistie vorstehen

Theologe Ebner: Weihe "Gefahr" – andere Beauftragungsformen nötig

Veröffentlicht am 22.09.2023 um 12:06 Uhr – Lesedauer: 

Zürich ‐ Der Exeget Martin Ebner vertritt die These, dass Kirche keine geweihten Priester brauche: Eine Weihe führe zur Überordnung einer Person. Stattdessen spricht er sich dafür aus, Menschen aus der Gemeinde für die Feier der Sakramente zu beauftragen.

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Der emeritierte Bonner Neutestamentler Martin Ebner sieht in kirchlichen Weihehandlungen wie der Priesterweihe eine "Gefahr" und spricht sich stattdessen für andere Beauftragungsformen zur Gemeindeleitung und Eucharistiefeier aus. Bei einer Weihe fänden eine Überordnung und eine Sakralisierung der Person statt, sagte Ebner am Freitag im Interview mit dem Schweizer Portal "katch.ch". Stattdessen sollten Menschen, die sich in Gemeinden für den Glauben engagieren, eine offizielle Beauftragung erhalten: "Die Gemeinde vor Ort sollte an erster Stelle stehen."

Ebner schlägt vor, dass Menschen aus der Gemeinde für eine gewisse Zeit von den Gemeindemitgliedern für ein bestimmtes Amt gewählt werden. "Sie arbeiten in Teams zusammen; das verhindert die Zentrierung auf eine Person und somit auch Klerikalismus." Das führe auch dazu, dass keine ausländischen Priester mehr in Gemeinden eingesetzt werden, deren Kultur und Sprache sie kaum verstünden. Zusätzlich müsse der Bischof Gründe nennen, falls er eine bestimmte Person nicht beauftragen wolle. Außerdem brauche es eine theologische Reflexion darüber, ob Menschen durch eine Beauftragung in ihren Gemeinden Sakramente feiern dürfen.

Forderungen nach Priesterinnen "Falle"

Aus diesen Erwägungen heraus hält Ebner es für eine "Falle", wenn Frauen sich für die Priesterinnenweihe einsetzen. "Denn sie gehen in das alte System Kirche, das eine Kaste zwischen Gläubigen und Gott eingeführt hat. Frauen zwängen sich somit in ein Korsett – und ich weiß nicht, ob sie sich dann von dem Korsett lösen können."

Auf die Frage, ob sein Modell noch katholisch sei, antwortete der Theologe, dass es am Modell der "katholischen, zentralistischen Kirche des 19. Jahrhunderts" rüttle. "Aber was ist katholisch? Dass die Ämter nur an zölibatär lebende Männer vergeben werden? Dass wir Frauen ausschließen, ist das christlich?" Das 19. Jahrhundert habe in der Kirche einen Bruch mit den Traditionen der ersten Jahrhunderte gebracht. Daher seien neue Modelle möglich.

Martin Ebner vertritt seit Jahren die These, dass das Christentum keine geweihten Priester brauche und diese von Christus nicht gewollt seien. Das christliche Priestertum, wie es heute besteht, sei Anfang des dritten Jahrhunderts entstanden. Damals hätten sich die Gemeinde-Ältesten in eine bewusste Analogie zu den alttestamentlichen Priestern gesetzt mit dem Ziel, wie diese von den Gläubigen finanziert zu werden. Damit hätten eine Professionalisierung, Standesbildung und Sakralisierung von Geweihten eingesetzt. Im Herbst 2022 erschien Ebners Buch "Braucht die katholische Kirche Priester?" Er ist selbst Priester und hatte von 1998 bis 2011 den Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese an der Universität Münster inne. Von 2011 bis zu seiner Emeritierung 2019 lehrte er dieses Fach an der Universität Bonn. (mal)