Herbst-Vollversammlung: Das bischöfliche Ringen um ein Miteinander
Die deutschen Bischöfe müssen ausweichen. Traditionell findet die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda statt – am Grab des heiligen Bonifatius, dem "Apostel der Deutschen". Aufgrund von Renovierungsarbeiten im Fuldaer Priesterseminar ziehen sich die Oberhirten ab heute aber ins Tagungshaus des Bistums Limburg am beschaulichen Stadtrand Wiesbadens zurück. Ein Ort, der allerdings nicht minder symbolträchtig ist: Benannt ist das Haus nach dem ehemaligen Limburger Bischof Wilhelm Kempf.
Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der gebürtige Wiesbadener Kempf zum Bischof geweiht und kümmerte sich zunächst um den Wiederaufbau von Kirchen und Pfarreien im Bistum. Später berief Papst Johannes XXIII. den zunächst als konservativ geltenden Kempf zu einem der fünf Untersekretäre des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Die dortigen Entscheidungen wollte der Bischof konsequent auch in seinem Bistum übernehmen – und setzte 1968 eine Synodalordnung für das Bistum Limburg in Kraft, die Laien weitreichende Mitbestimmungsrechte einräumte. Auch für die Priesterweihe verheirateter Männer trat er ein.
Nuntius versuchte Kempf entmachten zu lassen
Seine Reformbemühungen fielen aber nicht überall auf fruchtbaren Boden: 1973 versuchte der damalige Apostolische Nuntius in Bonn, Corrado Bafile, Kempf mit einem geheimen Brief an Kardinalstaatssekretär Jean Villot entmachten zu lassen und zum Rücktritt zu zwingen. Ein unbekannter Mitarbeiter im Staatssekretariat schickte jedoch eine Kopie des Schreibens an Kempf, der sich damit an die Bischofskonferenz und die Presse wandte. Seine Mitbrüder und 60.000 Katholiken, die eine Unterschriftenaktion unterstützt hatten, erklärten sich mit dem Bischof solidarisch. Bafile musste zwei Jahre später in den Vatikan zurückkehren.
Die Parallelen dieser Geschichte zum Verhältnis der Kirche in Deutschland und dem Vatikan heute sind nur allzu deutlich. Bei der Frühjahrsvollversammlung in Dresden kritisierte Kempfs Nachnachnachfolger, Bischof Georg Bätzing, Nuntius Nikola Eterovic scharf. Es sei ihm phasenweise fast unerträglich gewesen, dem Grußwort des Papstbotschafters zum Auftakt der Vollversammlung zuzuhören. Dass die inhaltlichen Differenzen so deutlich ausgesprochen werden und nicht hinter verschlossenen Türen bleiben, zeigt, wie groß die Anspannung zwischen Vatikan und Deutschland sind.
Neuer Stellvertretender Vorsitzender wird gewählt
Nach der letzten Vollversammlung bekannte auch der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, das Treffen sei "eine der schwierigsten Bischofskonferenzen, die ich in meiner langen Zeit des bischöflichen Dienstes erlebt habe". Wenige Tage später gaben Bistum und Vatikan bekannt, dass Papst Franziskus den Rücktritt des Osnabrücker Oberhirten angenommen habe. In Wiesbaden müssen seine Amtsbrüder nun unter anderem einen Nachfolger für Bodes Posten als Stellvertretenden Vorsitzenden der DBK finden. Seine sechsjährige Amtszeit wäre in diesem Herbst aber ohnehin ausgelaufen.
Doch nicht nur diese Wahl wird die 65 Bischöfe in den kommenden Tagen beschäftigen, sondern auch das Thema Missbrauch. Während der Vollversammlung soll die im Frühjahr bereits beschlossene Arbeitshilfe "Missbrauch geistlicher Autorität – Zum Umgang mit Geistlichem Missbrauch" vorgestellt werden. "Damit leistet die katholische Kirche einen wichtigen Diskussionsbeitrag zu diesem wissenschaftlich in den Anfängen beachteten Feldes", heißt es dazu in der Presseankündigung der DBK.
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Neben dem Komplex "Geistlicher Missbrauch" steht aber auch das Themenfeld sexueller Missbrauch auf der Agenda. Dazu wollen die Bischöfe den aktuellen Stand der Neustrukturierung auf diesem Gebiet diskutieren. Bei der vergangenen Herbst-Vollversammlung war der Aachner Bischof Helmut Dieser als neuer Missbrauchsbeauftragter der DBK und der Freiburger Erzbischof Stephan Burger als sein Stellvertreter vorgestellt worden. Zudem wurden unter anderem ein unabhängiger Expertenrat und eine bischöfliche Fachgruppe eingerichtet.
Ein bevorstehendes kirchliches Großereignis mit deutscher Beteiligung wird die Bischöfe in Wiesbaden ebenfalls beschäftigen. Denn wenige Tage nach der Vollversammlung beginnt das erste Treffen der Weltsynode in Rom. Bei einem Pressegespräch am Mittwoch geben die von der DBK gewählten oder von Papst Franziskus ernannten Bischöfe Bätzing, Felix Genn (Münster), Bertram Meier (Augsburg), Stefan Oster (Passau) und Franz-Josef Overbeck (Essen) "einen Überblick zu den Erwartungen und Chancen der Synode", heißt es in der Ankündigung. Auch über den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland will die Bischofskonferenz reflektieren.
Differenzen innerhalb der DBK zum Synodalen Weg
Wie groß die Differenzen innerhalb der DBK gerade zum Synodalen Weg sind, wurde zuletzt im Juni deutlich: Bei einer Sitzung des Ständigen Rats stimmten vier Bischöfe gegen die Finanzierung eines Synodalen Ausschusses über den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD). Eine alternative Finanzierung ist bis heute nicht gefunden, die erste Sitzung des Synodalen Ausschusses am 10. Und 11. November im Essen steht trotzdem weiterhin im Terminplan auf der Website des Synodalen Wegs.
In einem Appell zum Auftakt der Vollversammlung riefen Ende der Woche mehr als 30 katholische Verbände, Reformgruppen und Betroffenen-Initiativen die Bischöfe dazu auf, Verantwortung für eine "Kirche am Scheidepunkt" zu übernehmen. "Die Zeit des Hinhaltens, des Vertuschens, der immer noch schleppenden Aufklärung sexualisierter Gewalt und der dafür mitverantwortlichen Machtstrukturen muss endgültig vorbei sein", heißt es in dem Schreiben. Eine der Forderungen: "Setzen Sie die mit großer Mehrheit verabschiedeten Beschlüsse der Handlungstexte des Synodalen Weges in Deutschland in den einzelnen Bistümern so zügig wie möglich um", so die Reformer. "Vieles ist auch ohne die Zustimmung des Vatikans sofort möglich."
Ringen um Miteinander in suchender Kirche
Unterdessen veröffentlichten die Präsidenten des Synodalen Wegs, Bischof Bätzing und Irme Stetter-Karp, am Freitag einen Brief an Papst Franziskus. In dem auf den 22. Juni datierten Schreiben informieren sie das Kirchenoberhaupt über die Ergebnisse des Reformprozesses und teilen ihm die Voten der Synodalversammlung mit, die die Weltkirche betreffen und durch den Papst entschieden werden müssen. In ihrem Brief schreiben Stetter-Karp und Bätzing: "In diesem Sinn bitten wir Sie, unsere Anliegen als Ausdruck unseres Ringens um ein Miteinander in einer trotz aller Probleme und Herausforderungen lebendigen und nach der Führung des Geistes suchenden Kirche aufzufassen."
Angesichts der immer deutlicher auftretenden Spannungen und Differenzen innerhalb der Bischofskonferenz wird es genau auf dieses Ringen um ein Miteinander gehen, damit Gräben überwunden werden können. Im Wiesbadener Wilhelm-Kempf-Haus wird dann auch der Nachnachnachfolger des Namensgebers gefordert sein. Bätzings bischöflicher Wahlspruch lautet "Congrega in unum" ("Führe zusammen") – und klingt wie eine Aufgabenbeschreibung für die kommenden Tage.