Deutsches Vorhaben stockt seit Jahren

Schüller: Nationales Kirchengericht Chance für Glaubwürdigkeit

Veröffentlicht am 28.09.2023 um 13:51 Uhr – Lesedauer: 

Münster/Zürich ‐ Die Schweizer Bischöfe wollen Missbrauch professioneller aufklären und ahnden: So soll ein neues Kirchengericht für das ganze Land eingerichtet werden. Kirchenrechtler Thomas Schüller begrüßt das – und warnt vor Misstrauen gegen Priester als Richter.

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Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller begrüßt den Plan der Schweizer Bischofskonferenz, ein landesweites kirchliches Strafgericht einzuführen. Im Interview mit "kath.ch" zeigte sich der Kirchenrechtler am Donnerstag erfreut darüber, dass neben einer Straf- auch eine Disziplinargerichtsbarkeit eingerichtet werden soll. "Es gibt viele Sachverhalte, die als Übergriffe zu werten sind, für deren Beurteilung es aber weder im staatlichen Sexualstrafrecht noch im kirchlichen Strafrecht eine Rechtsgrundlage gibt. Und doch sind es Übergriffe, die Seele und Körper von Menschen schwer verletzen", so Schüller.

Eine nationale kirchliche Gerichtsbarkeit ermögliche eine größere Unabhängigkeit als die bisherigen diözesanen Gerichte: "Denn in den kleineren Diözesen kennt jeder jeden und so stünde sofort die Sorge der Befangenheit im Raume." Bedenken gegen Kleriker als Richter hat Schüller nicht. Wichtig sei lediglich, dass die Richter unabhängig seien und in keiner freundschaftlichen, beruflichen oder institutionellen Verbindung zu den Beschuldigten stehen. Es sei ungerecht, Klerikern generell Befangenheit für ein kirchliches Richteramt auszusprechen: "Wenn die Bischöfe absolut unabhängige Richterinnen und Richter berufen, die sich einzig dem Recht verpflichtet fühlen, sehe ich eine Chance, auch wieder Vertrauen in der katholischen Bevölkerung herzustellen."

Deutsche Bischofskonferenz wartet seit Jahren auf Genehmigung

Schüller bedauerte, dass das seit Jahren geplante nationale Strafgericht in Deutschland noch nicht durch den Vatikan genehmigt wurde. "Rom lehnt zurzeit alles ab, was die deutschen Bischöfe vorlegen – aus kirchenpolitischen Gründen. Das ist ärgerlich, weil es sehr hilfreich wäre, wenn auch wir in Deutschland auf nationaler Ebene ein fachlich gut ausgebildetes kirchliches Strafgericht hätten", so der Kirchenrechtler. Den Schweizer Bischöfen empfiehlt er, das französische Modell zu übernehmen. In Frankreich hat der nationale kirchenrechtliche Strafgerichtshof Anfang des Jahres seine Arbeit aufgenommen. "Die französische Gerichtsordnung ist kirchenrechtlich korrekt", stellt Schüller fest. Bei einer Orientierung daran gäbe es bei der für die Gerichtsaufsicht zuständigen Apostolischen Signatur keinen Grund, den Schweizer Bischöfen die Genehmigung ihres Gerichtshofs zu verweigern.

Am Samstag hatte die Schweizer Bischofskonferenz angekündigt, ein eigenes kirchliches Straf- und Disziplinargericht einzurichten. Den Anstoß dazu hatte die kürzlich veröffentlichte Pilotstudie der Universität Zürich gegeben, in der hunderte Missbrauchsfälle in den Reihen der Schweizer Kirche festgestellt wurden. Auch in Deutschland gibt es Pläne für neue bundesweite kirchliche Gerichte. Geplant sind eine Disziplinarordnung für Kleriker sowie die Einrichtung einer Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Unter Leitung des mittlerweile emeritierten Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) 2019 in einer Arbeitsgruppe entsprechende Ordnungen ausgearbeitet. Ursprünglich war geplant, die neuen Gerichte 2021 einzurichten. Der Prozess ist allerdings ins Stocken geraten. Die Errichtung überdiözesaner Gerichte liegt nicht in der Kompetenz einer Bischofskonferenz, sondern erfordert ein besonderes Mandat des Heiligen Stuhls. (fxn)