Wie meint der Papst das?
Zu Präzisierungen und nachgereichten Interpretationshilfen für päpstliche Äußerungen sahen sich auch seine Mitarbeiter im Vatikan zuletzt auffallend oft genötigt, ob es um Beleidigung von Müttern, schlagende Väter oder den Ukraine-Konflikt ging. Schadensbegrenzung lautete die Devise angesichts von Irritationen und Kritik an päpstlichen Äußerungen. Das gab es schon unter Benedikt XVI. Doch für Franziskus, den Medienstar, ist solcher Gegenwind neu. Zumindest in diesem Ausmaß.
Die Gelegenheit am Mittwoch war günstig: Nachdem der Papst zuvor über die Rolle von Müttern und Vätern gesprochen hatte, waren diesmal ohnehin die Kinder Thema in seinem Ansprachenzyklus über die Familie. Die junge Generation, bekräftige Franziskus zunächst seine Aussage während des Rückflugs von der Philippinen-Reise, müsse sich verantwortungsbewusst fortpflanzen. Doch dann vermied er den Rückgriff aufs Tierreich und fuhr fort: "Aber man kann nicht behaupten, dass viele Kinder zu haben, eine verantwortungslose Entscheidung ist".
Kinderreichtum ist nicht das Problem
Und um auch den letzten Zweifel darüber zu zerstreuen, wie das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in dieser Sache denkt, bezeichnete er den bewussten Verzicht auf Kinder "egoistische Wahl". Eine Gesellschaft, in der es keine Kinder gebe, weil diese "vor allem als Sorge, Last und Risiko" gesehen würden, sei "trübselig". Kinder verjüngten die Gesellschaft und verliehen ihr zusätzliche Energien, so der Papst. Damit legte Franziskus noch einmal deutlich nach.
Bereits zwei Tage nach der Karnickel-Äußerung hatte er hervorgehoben, dass nicht Kinderreichtum, sondern ein ungerechtes Wirtschaftssystem Hauptursache für die Armut in der Welt sei. Zudem bezeichnete er Kinder als Geschenk. Am folgenden Tag erklärte dann der vatikanische Innenminister, Erzbischof Angelo Becciu, der Papst sei überrascht und betrübt darüber, dass seine Äußerungen als Geringschätzung von Familien interpretiert worden seien.
Kritik auch von ukrainischen Katholiken
Auch auf einem ganzen anderen, nicht minder heiklen Feld war der Vatikan in den vergangenen Tagen um eine Klarstellung bemüht: im Ukraine-Konflikt. In diesem Fall ging es um einen ehernen Grundsatz päpstlicher Diplomatie: die Neutralität in bewaffneten Konflikten. Der Leiter des Presseamtes, Federico Lombardi, sah sich genötigt, darauf hinzuweisen, dass sich die Friedensappelle von Papst Franziskus im Ukraine-Konflikt an alle Parteien gleichermaßen wendeten. Wer Adressat seiner eigenen schriftlichen Erklärung war, sagte Lombardi nicht. Hintergrund war jedoch offenbar vor allem eine Verstimmung in der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine.
Franziskus hatte in der vergangenen Woche von einem "Brudermord" in der Ukraine gesprochen, als er die Konfliktparteien zum Frieden aufrief. Von griechisch-katholischer Seite wurde ihm daraufhin vorgehalten, er mache sich mit dem Begriff "Brudermord" das Vokabular der russischen Propaganda zu eigen und verharmlose so die Aggression Moskaus. Als angebliches Motiv wurde eine Rücksichtnahme auf das russisch-orthodoxe Patriarchat in Moskau ausgemacht.
Manche Beobachter hatten es für naheliegend gehalten, dass der Papst während der jüngsten Generalaudienz auch seine Äußerungen über das Schlagen von Kindern erklärt oder korrigiert. Sie waren zumindest im angelsächsischen und deutschen Sprachraum heftig kritisiert worden. Doch dazu kam es nicht. Franziskus wich zwar wieder einmal vom Redemanuskript ab. Doch diesmal nur um klarzumachen, dass man alle Kinder gleich liebhaben solle.
Von Thomas Jansen (KNA)