Vatikan veröffentlicht Papst-Antwort auf Dubia: Mehr als Ja und Nein
Der Vatikan hat die Antwort von Papst Franziskus auf die Dubia der fünf Kardinäle veröffentlicht. Auf die kritischen Anfragen der Kardinäle Walter Brandmüller, Raymond Burke, Juan Sandoval Íñiguez, Robert Sarah und Joseph Zen vom 10. Juli hat der Papst demnach bereits am Tag darauf geantwortet, wie aus dem dem Schreiben beigefügten Audienzprotokoll des Präfekten des Glaubensdikasteriums hervorgeht. Der Papst betont in seinem Brief, dass es nicht immer ratsam scheint, direkt an ihn gerichtete Fragen zu beantworten. Es sei auch unmöglich, dies immer zu tun. In diesem Fall hielt er eine Antwort aber mit Blick auf die anstehende Synode für angebracht.
Kann göttliche Offenbarung uminterpretiert werden?
Im ersten Dubium geht es um die Frage, ob die göttliche Offenbarung angesichts kultureller und anthropologischer Veränderungen neu interpretiert werden sollte oder ob die göttliche Offenbarung unveränderlich ist. In seiner Antwort weist der Papst darauf hin, dass die Antwort davon abhängt, was man unter "neu interpretieren" versteht. Verstehe man darunter "besser auslegen", dann sei das zulässig. Die göttliche Offenbarung sei zwar unveränderlich und immer verbindlich, "aber die Kirche muss demütig sein und erkennen, dass sie ihren unergründlichen Reichtum nie ausschöpft und in ihrem Verständnis wachsen muss". Daher reife sie auch im Verständnis dessen, was sie selbst in ihrem Lehramt bestätigt habe: "Kulturelle Veränderungen und die neuen Herausforderungen der Geschichte verändern die Offenbarung nicht, aber sie können sie anregen."
Auch die Texte der Heiligen Schrift bedürften einer Auslegung; Papst Franziskus verweist dabei auf lehramtliche Aussagen zur Sklaverei und zur Rolle der Frau, die sich auf biblische Argumente gestützt haben, heute so aber nicht mehr vertreten werden. Die Kirche müsse immer unterscheiden zwischen dem, was für das Heil notwendig ist, und sekundären Fragen.
Sind Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zulässig?
Das zweite Dubium fragt, ob die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Offenbarung und dem Lehramt vereinbar ist. Papst Franziskus verweist auf das "sehr klare Verständnis" der Kirche von der Ehe: "eine exklusive, stabile und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die von Natur aus offen für Nachwuchs ist". Daher vermeide die Kirche jede Art von Ritus, die den Eindruck eines Widerspruchs zu diesem Verständnis erwecken könnte. Im Umgang mit Menschen dürfe aber die pastorale Nächstenliebe nicht verloren gehen: "Daher muss die pastorale Klugheit angemessen unterscheiden, ob es Formen des Segens gibt, die von einer oder mehreren Personen erbeten werden und die keine falsche Vorstellung von der Ehe vermitteln."
Es gebe zwar Situationen, die objektiv betrachtet nicht moralisch akzeptabel sind. Es verbiete sich aber, andere einfach als "Sünder" zu bezeichnen. Was aus pastoraler Tugend geschieht, wird dadurch nicht notwendig zur Norm. Es sei auch nicht angemessen, dass Diözesen, Bischofskonferenzen oder andere kirchliche Strukturen für alles formelle Verfahren und Riten für alle möglichen Angelegenheiten festlegten. Das würde zu einer "unerträglichen Kasuistik" führen: "Das Kirchenrecht sollte und kann nicht alles abdecken, und die Bischofskonferenzen sollten auch nicht den Anspruch haben, das zu tun."
Ist Synodalität wirklich konstitutives Element der Kirche?
Das dritte Dubium stellt die Synodalität als konstitutives Element der Kirche in Frage. In seiner Antwort merkt Franziskus an, dass der Brief der fünf Kardinäle trotz ihrer Betonung der höchsten Autorität in der Kirche ein Ausdruck eines Wunsches nach Beteiligung, also einer synodalen Ausübung seines Papstamtes ist. Der Papst bestätigt, dass Synodalität eine wesentliche Dimension des Lebens der Kirche ist und nicht nur die Hierarchie, sondern das ganze Volk an der Mission der Kirche teilhaben soll.
Gilt die Lehre des Zweiten Vatikanums zur Priesterweihe noch?
Im vierten Dubium wird nach der Fortgeltung der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) gefragt, dass nur Männer gültig die Priesterweihe empfangen können und dass das Weihepriestertum dem Wesen nach vom Priestertum aller Gläubigen verschieden ist. Papst Franziskus betont, dass das allgemeine Priestertum nicht von geringerer Qualität als das Weihepriestertum ist: "Beide Formen des Priestertums erleuchten und stützen sich gegenseitig."
Papst Johannes Paul II. habe mit seiner endgültigen Festlegung, dass Frauen nicht zu Priestern geweiht werden können, Frauen nicht herabsetzen wollen. Das priesterliche Wirken sei nicht hierarchisch im Sinne von Herrschaftsausübung zu verstehen, sondern als ein auf die Heiligkeit aller Gläubigen ausgerichteter Dienst. Ohne diese Unterscheidung sei es nicht verständlich, dass das Priestertum Männern vorbehalten ist. Eine klare und verbindliche Doktrin über die genaue Natur einer "verbindlichen Erklärung" wie im Fall des Schreibens "Ordinatio Sacerdotalis" sei noch nicht vollständig entwickelt. Die Lehre von Johannes Paul II. sei keine dogmatische Definition, müsse aber von allen befolgt werden. Niemand dürfe ihr öffentlich widersprechen. Sehr wohl kann sie jedoch Gegenstand der Forschung sein.
Ist Reue notwendig für die Gültigkeit des Beichtsakraments?
Das fünfte Dubium bezieht sich auf die Aussage, dass Vergebung ein Menschenrecht sei, und fragt danach, ob die Lehre des Tridentinischen Konzils (1545–1563) noch gültig sei, dass Reue notwendig für die Gültigkeit des Beichtsakraments ist. Das bestätigt der Papst im Grundsatz: "Aber hier gibt es keine Mathematik, und ich betone noch einmal, dass der Beichtstuhl kein Zollamt ist." Beichtväter seien keine Herren, sondern demütige Verwalter der Sakramente. Es gebe viele Möglichkeiten, Reue auszudrücken. Oft sei schon der Weg zum Beichtstuhl ein symbolischer Ausdruck der Reue und Bitte um Hilfe Gottes.
Die fünf Kardinäle hatten ihre Dubia am Montag online in verschiedenen Sprachen gemeinsam mit einem offenen Brief an alle Gläubigen veröffentlicht. Darin klagten sie darüber, dass der Papst nicht der Form der Dubia entsprechend lediglich mit "Ja" und "Nein" geantwortet habe. Deshalb hätten sie am 21. August eine überarbeitete Form ihrer Fragen an den Papst verschickt, aber bislang noch keine Antwort erhalten. Angesichts der bevorstehenden Synode hätten sie es als ihre Pflicht angesehen, die Gläubigen über ihre Fragen zu informieren, damit diese nicht in "Verwirrung, Fehlverhalten und Entmutigung" verfielen. Zudem riefen die Kardinäle dazu auf, für die Kirche und den Papst zu beten, damit "das Evangelium immer klarer verkündet und immer treuer befolgt" werde.
Alle fünf Kardinäle sind bereits im Ruhestand. Unter 80 und damit in einem künftigen Konklave wahlberechtigt sind von ihnen nur Burke (75) und Sarah (78). Brandmüller und Burke gehören zu den vier Kardinälen, die 2016 nach der Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens "Amoris laetitia" fünf Dubia an Franziskus schickten, auf die sie nach eigenen Angaben keine Antwort bekommen haben. Die beiden anderen Verfasser waren die inzwischen verstorbenen Kardinäle Carlo Caffarra (Italien) und Joachim Meisner (Deutschland). Mit ihren Dubia kritisierten die vor allem die Aussagen von "Amoris laetitia" und der zuvor stattgefundenen Familiensynode zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. (fxn)
Im Volltext: Die Antwort des Papstes
Das Dikasterium für die Glaubenslehre hat den achtseitigen Brief des Papstes zusammen mit einem Audienzprotokoll und den Dubia selbst am Montag veröffentlicht. Damit kann sich jeder selbst ein Bild machen, warum die fünf Kardinäle nicht mit der Antwort zufrieden waren.