16. Juli 1054: Schisma zwischen Rom und Konstantinopel

Streit zwischen Ost und West

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:58 Uhr – Von Christoph Arens (KNA) – Lesedauer: 
Dossier: Ökumene

Bonn ‐ Schon seit Jahrhunderten hatte man sich immer mehr entfremdet. Doch seit dem 16. Juli 1054 gelten Papst und Patriarch, westlich-lateinische und östlich-orthodoxe Kirche tatsächlich als getrennt.

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Die Rede ist vom "morgenländischen Schisma", der ersten großen Spaltung der Christenheit. Ihre Auswirkungen reichen tief: nicht nur religiös, sondern auch politisch hat der Gegensatz zwischen Rom und Byzanz Europa bis heute geprägt.

Differenzen gab es schon lange vor 1054. Insbesondere zwischen dem Papst und dem Patriarchen von Konstantinopel, dem das Konzil von Chalkedon 451 eine Sonderstellung zuerkannt hatte, kam es immer wieder zu Spannungen. Theologisch spielte dabei besonders die so genannte Filioque-Kontroverse eine Rolle. Hintergrund war ein 589 im Westen eingeführter Zusatz zum Glaubensbekenntnis, demzufolge der Heilige Geist nicht nur aus dem Vater, sondern auch aus dem Sohn ("filioque") hervorgeht.

Veränderung des Kräftegleichgewichts

Für die Kirchen des Ostens war dieser Vorgang nicht akzeptabel, hatte Rom doch eine Entscheidung eines allgemein anerkannten Konzils eigenmächtig abgeändert. Zu einer Trennung führte diese Kontroverse allerdings erst im Jahr 867, als Patriarch Photios die römische Kirche wegen des "filioque"-Zusatzes explizit verurteilte und den Papst exkommunizierte. Schon 880 wurde jedoch ein Ausgleich gefunden.

Am konfliktträchtigsten waren aber die politischen Spannungen. Schon zur Zeit Karls des Großen (768-814) ging es darum, wer in die Fußstapfen des römischen Imperiums treten konnte: Kaiser und Papst im Westen oder Kaiser und Patriarch in Konstantinopel. Zudem beanspruchte Konstantinopel einige Territorien in Italien. Vor allem das Gebiet um Ravenna, aber auch Teile Unteritaliens gehörten zu seinem Einflussbereich. Als die Normannen begannen, die Gebiete zu erobern, veränderte sich das Kräftegleichgewicht.

Blick auf die türkische Metropole Istanbul.
Bild: ©Nikolai Sorokin/Fotolia.com

Blick auf die türkische Metropole Istanbul.

Ein grober und unerbittlicher Kardinal

Der byzantinische Kaiser Konstantin IX. war geneigt, ein Bündnis mit dem aus Deutschland stammenden Papst Leo IX. (1049-1054) gegen die Eindringlinge zu schließen. Davor aber hatte Patriarch Michael Kerullarios (1043-1058) Angst. Er ließ die lateinischen Kirchen und Klöster in Konstantinopel schließen und verurteilte mehrere lateinische Bräuche wie den Gebrauch ungesäuerten Brots und das Verbot der Priesterehe. 1052 veranlasste Kerullarios die Abfassung einer gegen Rom gerichteten Schrift, die den filioque-Streit wieder aufgriff.

Papst Leo IX. beauftragte Kardinalbischof Humbert von Silva Candida mit der Antwort - ein verhängnisvoller Schritt. Der Kardinal erwies sich als grob und unerbittlich: Er sprach Kerullarios das Recht ab, sich als Ökumenischer Patriarch zu bezeichnen, bestritt die Gültigkeit seiner Weihe und hielt ihm 90 Häresien vor. Verhandlungen im Frühsommer 1054 in Konstantinopel führten zu keiner Lösung. Im Gegenteil: Humbert hielt dem anti-römisch argumentierenden Mönch Nikethas Stethatos vor, er sei dumm wie ein Esel und gehöre nicht in ein Kloster, sondern in ein Bordell. Auch Kerullarios sparte nicht mit Polemik.

"Echtes" Schisma erst seit 1204

Nachdem sich keine Einigung erzielen ließ, betrat die römische Delegation am 16. Juli die Hagia Sophia und legte auf dem Altar eine päpstliche Bulle nieder, die Kerullarios und andere byzantinische Theologen mit dem Kirchenbann belegte. Die Reaktion des Patriarchen ließ nicht lange auf sich warten: Er berief eine Synode ein, die am 20. und 24. Juli alle Urheber der Bannbulle mit der Exkommunikation bestrafte.

Ob der theatralische Akt vom 16. Juli 1054 wirklich die Bedeutung verdient, die ihm über Jahrhunderte zugemessen wurde, erscheint heute fraglich. Schließlich prallten hier nicht Kirchen, sondern zwei erbitterte Streithähne aufeinander. Zudem traf die Exkommunikation nur die Hauptfiguren, nicht aber die Lehren und Gemeinschaften als solche. Für diese Auffassung spricht, dass die beiden Kirchen ihre Beziehungen auch nach 1054 weitgehend ungehindert fortsetzten. Von einem echten Schisma kann man wohl erst seit 1204 sprechen, als Konstantinopel von lateinischen Kreuzfahrerheeren geplündert wurde. Erst da wurde die Spaltung zwischen den Kirchen in ihrer ganzen Härte sichtbar.

Stichwort: Schisma

Ein Schisma bezeichnet im römisch-katholischen Kirchenrecht die Aufkündigung der Kirchengemeinschaft mit dem Papst oder einem Ortsbischof durch einen Einzelnen oder eine Gruppe. Übersetzt bedeutet der aus dem Griechischen stammende Begriff "Spaltung". Ein Schismatiker zieht sich durch seine unerlaubte Tat die Exkommunikation zu, den Ausschluss aus der aktiven kirchlichen Gemeinschaft. (stz/KNA)
Von Christoph Arens (KNA)