Ildefonsa und Leandra sind Schwestern – und Schwestern
Ildefonsa und Leandra Vith gehören beide dem Orden der Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus an, auch Schervier Schwestern genannt. Die beiden über 80-jährigen leiblichen Schwestern verbringen ihren Lebensabend gemeinsam in einer Pflegeeinrichtung des Ordens in Frankfurt. Bei Kaffee und Kuchen erinnern sie sich an ihre Kindheit in der Eifel und auch an schwere Zeiten.
Eigentlich waren es drei Schwestern. Denn Christa, so hieß Schwester Ildefonsa vor ihrem Ordenseintritt, hatte noch eine Zwillingsschwester, die Elli. 1937 werden die beiden geboren, kurz vor Kriegsbeginn. "Heute hätte Elli sogar sieben Urenkel", freut sich Schwester Ildefonsa und erwähnt, dass ihre Zwillingsschwester erst vor ein paar Jahren gestorben ist.
Ihre Kindheit verbrachten alle drei Mädchen in Hergarten, einem kleinen Ort in der Eifel nahe Aachen. "Unsere Eltern waren fromm und bodenständig", erzählt die heute 86-jährige Schwester Ildefonsa. "Sonntags in den Gottesdienst und zur Beichte, das war für uns normal", ergänzt Schwester Leandra. Sie wurde 1941 geboren und war die jüngste der drei Schwestern. An den Krieg damals kann sich die heute 82-Jährige kaum erinnern. Ihre ältere Schwester Ildefonsa schon. Sie weiß noch, dass der Unterricht oft wegen des Bombenalarms ausfiel. "Dann mussten wir zum Bunker laufen und uns dort verstecken." Damals hatten die Bauern einen Tunnel in die Erde gegraben. Viele Nächte verbrachten die Schutzsuchenden darin. Das weiß Schwester Ildefonsa noch und dass die Kinder auf Decken schliefen, die über den dort gelagerten Kartoffeln ausgebreitet waren.
Weil der Vater Huf- und Wagenschmiedmeister war, wurde er nicht in den Krieg eingezogen. "Das war unser Glück", meint Schwester Ildefonsa und erklärt, dass der Vater im Dorf zur Unterstützung der Kriegsgefangenen, die auf den Höfen mithalfen, gebraucht wurde. Später wollte Ildefonsa wie der Vater Hufschmiedin werden. Doch das sei kein Beruf für eine Frau, meinte ihr Vater damals. Heute im Rückblick, weiß sie, "dass es richtig so war, denn "Gott hatte einen anderen Plan" für sie.
Nach dem Krieg, das war in den 1950er Jahren, kam Schwester Ildefonsa zum ersten Mal in Kontakt mit den Schervier-Schwestern in Aachen. Damals herrschte eine bittere Hungersnot im Land. Ordensfrauen aus dem Aachener Kloster kamen zweimal im Jahr nach Hergarten, um dort bei den Bauern um Lebensmittel zu betteln. Sie brauchten die Kartoffeln und Eier für die Menschen in deren klostereigenen Altenheimen und Suppenküchen, weiß Schwester Ildefonsa noch. Schon damals war sie als Mädchen fasziniert von den Schwestern. "Die hatten so eine Ausstrahlung und haben so viel für die Armen getan", erinnert sie sich. "Das wollte ich auch!", gibt sie zu.
Nach der Volksschule ging sie tatsächlich nach Aachen und machte bei den Franziskanerinnen eine Ausbildung für Hauswirtschaft. Obwohl ihre Mutter für sie eine andere Ausbildung vorgesehen hatte, ließ sie die älteste Tochter ziehen. "Damals war ich 14 Jahre alt", weiß Christa alias Schwester Ildefonsa noch. Drei Jahre später tritt sie in den Orden ein. "Das war kurz und bündig", weiß sie noch. Und von Anfang an, der richtige Weg für sie. Mit ihr traten damals gleichzeitig noch weitere 19 andere Frauen ein. "Es war so eine Aufbruchsstimmung", weiß die Ordensfrau noch.
Elf Jahre lang durfte sie nicht nach Hause fahren
Doch die Regeln im Kloster waren streng. Elf Jahre lang durfte sie nicht nach Hause fahren. "Das wusste ich von Anfang an. Das war alles freiwillig", sagt sie heute im Rückblick. Damals entschied man sich bewusst für ein Leben in der Ordensfamilie, erklärt sie bei Kaffee und Kuchen. Doch ihre Eltern haben sie im Kloster in Aachen mehrmals im Jahr besucht. Das war zwar tränenreich, aber immer schön, erinnert sich Schwester Ildefonsa. Mit 24 Jahren legte sie ihre Ewige Profess ab und versprach damals, für immer im Kloster zu bleiben. Währenddessen heiratete ihre Zwillingsschwester Elli und wurde Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen. Das war eine Freude, für die beiden anderen Schwestern. "Wir konnten das Glück mit unserer Schwester gut teilen."
Auch ihre jüngere Schwester Leandra, damals noch Hiltrud, ging nach Düsseldorf zu den Franziskanerinnen und begann eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. "Mein Weg war etwas länger", sagt Schwester Leandra und lacht. Sie arbeitete später in verschiedenen Kliniken des Ordens, etwa in Düsseldorf. Dann ging sie nach Bonn und war dort in einem Kinderkrankenhaus beschäftigt. Hier spürte sie, dass auch sie zur Gemeinschaft der Schervier Schwestern dazugehören möchte. "Ich dachte mir, das kann ich auch, mein Leben lang dort leben". Sie lächelt. Damals war sie bereits 25 Jahre alt, verdiente ihr eigenes Geld. "Ich habe mir oft neue Schuhe und Kleider gekauft und fuhr gerne in den Urlaub nach Bayern", erinnert sie sich sie. All das konnte sie gut loslassen. Dem alten Leben habe sie nie nachgetrauert. "Aber diese Entscheidung fürs Kloster war unabhängig von meiner Schwester", wiederholt sie. Beide lachen und trinken einen Schluck Kaffee.
Schwester Leandra erzählt, dass es ihrer Mutter anfangs schwerfiel, eine weitere Tochter ins Kloster gehen zu lassen. "Daran musste sie lange tragen", weiß Schwester Leandra noch. "Aber als meine Mutter spürte, dass es mir da gut ging, war sie auch zufrieden. Ich wollte einfach den Willen Gottes erfüllen, indem ich Alten und Kranken diene", erklärt die 82-jährige Ordensfrau. Ihre Schwester Ildefonsa, die damals schon eine längere Zeit im Kloster war, erinnert sich noch an den ersten Besuch der Eltern dort. Sie dachten nämlich, ihre Tochter wäre abgemagert und blass. "Aber als ich ihnen fröhlich entgegensprang, waren sie zufrieden", berichtet Schwester Ildefonsa. Bereut haben die beiden Schwestern ihren Weg ins Kloster nie. "Wir wollten beide für Gott leben. Und wir haben nichts vermisst", sagen die beiden. Später wurden die Besuchszeiten im Kloster dann auch gelockert. "Wir durften öfter nach Hause fahren, zur Freude der Eltern. Das war jedes Mal ein Fest", erinnern sich die beiden.
Ihre ganze Ordenszeit über waren die beiden Schwestern nie an einem Ort gleichzeitig eingesetzt oder lebten etwa im selben Konvent. "Ein bisschen Abstand voneinander brauchten wir schon", lachen beide. Schwester Ildefonsa war Oberin an gleich mehreren Niederlassungen und Konventen des Ordens etwa in Mainz oder in Düsseldorf. Jetzt in der Pflegeeinrichtung in Frankfurt sind die beiden nun endlich zusammen. Schwester Leandra hat sogar im Haus eine Aufgabe im pflegerischen Bereich übernommen: Sie misst jeden Morgen den älteren Bewohnern im Haus den Blutdruck. "Wie früher," freut sie sich. Und Schwester Ildefonsa hilft in der Küche und bei der Essensausgabe im Konvent mit. Noch 30 Schervier Schwestern leben in Frankfurt, die meisten sind über 75 Jahre alt.
Die beiden Schwestern sind glücklich hier. Jeden Tag beten sie zusammen in der Kapelle der Pflegeeinrichtung in Frankfurt und feiern die Gottesdienste mit. Schwester Leandra hat ihren Sitzplatz neben der Tür, ihre Schwester Ildefonsa sitzt weiter vorne in der Bank. "Wir müssen nicht immer so zusammenkleben." Beide lachen. Auch wenn es ihnen guttut, ihre Schwester jetzt so nah bei sich zu haben. Im Konvent lebten auch schon andere Schwesterpaare, wissen die beiden. "Bei uns hat das einfach so gepasst", nicken sie gleichzeitig. Täglich liest Schwester Leandra die Zeitung. "Ich muss ja schließlich wissen, wofür ich bete", erklärt sie. Auch Schwester Ildefonsa ist an den kirchenpolitischen Entwicklungen sehr interessiert und kennt sich aus. Beide tragen jeden Tag den braunen Habit und den schwarzen Schleier mit Freude und nach wie vor aus Überzeugung. "Das gehört zu unserem Leben dazu." Der Orden stellt es ihnen allerdings frei, ob sie das Ordenskleid tragen wollen oder nicht.
Erst kürzlich waren die beiden Schwestern für eine Woche auf Heimaturlaub in der Eifel. Ihre Nichte hat sie in Frankfurt abgeholt. "Das war richtig schön zu Hause", erzählen die beiden. Außerdem seien die Verwandten in der Eifel sehr stolz darauf, zwei Großtanten im Kloster zu haben. "Früher dachte ich immer, ich tue etwas für den lieben Gott", sagt Schwester Leandra Vith. "Heute weiß ich: Der liebe Gott hat so viel für mich getan."