Podschun zur Weltsynode: Rom hat Denkprozess bei mir angestoßen
"Keine Synodalität ohne jungen Menschen!" haben sich Jugendverbände aus Deutschland (D), Österreich (A), der Schweiz (CH) und Südtirol (S) auf die Fahnen geschrieben. Also trafen sich ihre Vertreter am vergangenen Wochenende in Rom im "DACHS"-Bau. Auf dem Programm standen Treffen mit Synodalen, Hilfswerken und Reformgruppen aus aller Welt. Im katholisch.de-Interview zieht der Bundesvorsitzende des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, Bilanz.
Frage: Herr Podschun, Sie haben in den vergangenen Tagen deutsche Synodale in Rom getroffen. Was erzählen sie von der Synode?
Podschun: Von direkten Diskussionen nicht so viel. Der Papst hat eine Informationssperre verhängt, daran halten sich die deutschsprachigen Synodenteilnehmer*innen größtenteils. Aber sie haben uns über ihre Erfahrungen in der Synodenaula berichtet. Ich habe rausgehört, dass sich das Procedere gegenüber anderen Synoden verändert hat. Durch die kleinen Gruppen ist es kommunikativer geworden. Ich habe auch gehört, dass Deutschland mit seinen Reformthemen nicht alleine ist – die Anliegen finden in der Weltkirche Resonanz. Diese Erfahrung haben wir übrigens auch mit den Partner*innen gemacht, die wir als BDKJ hier getroffen haben. Die Bischöfe haben uns aber auch berichtet, dass ihnen aufgefallen ist, dass in der Synodenaula junge Menschen fehlen. Und das, obwohl die Jugendsynode beschlossen hatte, dass junge Menschen an solchen Prozessen zu beteiligen sind.
Frage: Das ist alles sehr atmosphärisch. Haben Sie auch von Themen aus der Aula gehört?
Podschun: Die Fragestellung in der Aula konzentriert sich auf das Thema "Synodalität". Das bezieht sich eher auf die Verfasstheit einer Bischofssynode und der Kirche. Durch die Zulassung von Lai*innen steht aber schon in Frage, wie Strukturen in Zukunft aussehen sollen und wie Themen der Weltkirche anders beraten und entschieden werden. Ich gehe aber davon aus, dass der Papst sich sein Entscheidungsrecht nicht nehmen lässt. In der Aula wird wohl deutlich, dass es neben konservativen Kräften weltweit Menschen gibt, die die Art und Weise, wie in der Kirche beraten wird, aufbrechen wollen und damit die Machtfrage stellen. Die Synodenteilnehmer*innen haben durchscheinen lassen, dass das in der Aula sehr kontrovers diskutiert wird.
Frage: Haben die Bischöfe Ihnen gegenüber auch Farbe bekannt und eigene Positionierungen genannt?
Podschun: Die Bischöfe und Synodaneteilnehmer*innen haben nicht geleugnet, dass es unter ihnen unterschiedliche Haltungen gibt. Sie wollten uns gegenüber nicht als Einheit auftreten, sondern haben Differenzen direkt ins Wort gefasst. Dabei ist schon auch deutlich geworden, wer welche Position in der Synodenaula vertritt. Nicht klar geworden ist, inwiefern das synodale Prinzip des Zuhörens die Haltung der Bischöfe und Synodaneteilnehmer*innen auch wirklich verändert oder zumindest in Frage stellt. Dass ein konservativer Bischof grundsätzlich von seiner Meinung abrückt, nur weil ihm jemand anderes etwas sagt, halte ich sowieso für albern. Ich muss aber auch betonen, dass auch bei uns in den Jugendverbänden unterschiedliche Haltungen existieren. In solchen Fällen waren wir in den vergangenen Tagen auch sehr synodal unterwegs.
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Frage: Haben Sie da ein Beispiel?
Podschun: Es gibt bei uns Personen, die sagen, dass sie die Methodik der Synodalität spannend finden, um zu einem Konsens zu kommen. Wir als Verbände, die sehr demokratisch organisiert sind, haben hingegen das Prinzip der Mehrheitsentscheidung unter Berücksichtigung von Minderheiten. Meines Erachtens gibt es Themen, bei denen die Konsensmethode nicht funktionieren kann: Missbrauch, Gewalt, Diskriminierung. Man kann sich doch beispielsweise in der Frage der Diskriminierung gegenseitig nicht annähern und nur ein bisschen Diskriminierung abschaffen. Ich glaube, da stößt die Methode der Synodalität an ihre Grenzen. Über diese Grenzen sind wir in den Disput gekommen. Das war wertvoll und befruchtend.
Frage: Sie haben Missbrauch, Gewalt und Diskriminierung in der Kirche angesprochen. Spielen diese Themen in der Aula eine Rolle?
Podschun: Diese Themen spielen wohl am Rand eine Rolle. Aber sie stehen nicht im Zentrum. Das ist wichtig zu beachten, denn es gibt in Deutschland Bischöfe, die mit Blick auf die Ergebnisse des Synodalen Weges auf die Weltsynode verweisen und sagen, sie warten ab, was dort passiert. Dieser Verweis hält nicht stand, weil diese Themen ja gar nicht beraten werden. Das ist ein Kalkül konservativer Bischöfe. Der Synodale Weg hat eindeutige Beschlüsse gefasst und ich erwarte, dass die in Deutschland umgesetzt werden.
Frage: Neben den Bischöfen haben Sie auch andere Akteure und Akteurinnen in Rom getroffen. Was bleibt Ihnen da besonders positiv in Erinnerung?
Podschun: Sehr positiv ist, dass so viele Menschen in Rom sind, die zwar nicht Teil der Synode sind, die aber in irgendeiner Form ein Interesse am Mitgestalten der Kirche haben. Betroffene sexualisierter Gewalt, Frauenverbände, Hilfswerke und Frére Alois aus Taizé. Die Tagung von "Spirit unbounded" hat besonders auch queere Personen international zu Wort kommen lassen und auch Vertreter*innen von "Out in Church" waren in der Stadt. Ich finde es sehr interessant, dass diese Menschen trotz des Leids und der Gewalt, die die Kirche verursacht hat, sich für ihre Kirche engagieren. Ich glaube, die Präsenz dieser Leute zeigt, dass es bei Reformanliegen nicht um Spaltung geht, sondern dass Viele ein Interesse daran haben, wie sich diese Kirche weiterentwickelt – deswegen waren auch wir als BDKJ hier.
Podschun: Meine Erwartungen an die Weltsynode sind sehr gering
Der Bundesvorsitzende des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, blickte zu Beginn nicht sonderlich hoffnungsvoll auf die Weltsynode. Im katholisch.de-Interview erklärte er, warum. Er sprach auch darüber, was ihn persönlich noch in der katholischen Kirche hält.
Frage: Man könnte ihnen auch den Vorwurf machen, das System zu stützen, das sie ändern wollen.
Podschun: Ja, die Frage habe ich mir auch gestellt. Genau an dieser Stelle stößt Synodalität an ihre Grenzen – und das ist von der Hierarchie gewollt. Eine Kirche, die ihre Macht erhalten möchte, schafft sich ein System der Beratung, das diese Macht erhält. In den Gesprächen mit Synodalen habe ich keinerlei Anzeichen wahrgenommen, dass dieses Machtsystem bei der Weltsynode aufgebrochen wird. Dass ein paar Lai*innen bei den Beratungen zugelassen sind, gefährdet nicht ernsthaft dieses Machtsystem. Ich habe zugleich aber gelernt, dass diese Form der Beratung etwas mit Menschen macht.
Frage: Wie meinen Sie das?
Podschun: Wenn die Bischöfe wieder in ihre Diözesen zurückgehen, wollen sie dort auch eine Form von Synodalität leben. Viele erkennen, dass ein Bistum auch anders als autoritär von oben herab zu leiten ist. Ich glaube, dass sich da im Kleinen etwas bewegt. Zugleich haben wir keine Zeit, ewig abzuwarten, dass sich etwas im Kleinen bewegt. Es braucht jetzt massive systemische Veränderungen. Vor allem als Antwort auf die Missbrauchsfälle!
Frage: Was hat Sie denn in den vergangenen Tagen in Rom irritiert?
Podschun: Was mich irritiert hat, sind Menschen, die trotz Missbrauch und Diskriminierungen immer noch sagen, dass in der Kirche alles richtig laufe und sie gut strukturiert sei. Die Vorstellung, dass das hierarchische Kirchensystem von Gott eingesetzt und deswegen erhalten bleiben müsse, kann ich nicht nachvollziehen. Gegen diese Vorstellung stehen auch wissenschaftliche Erkenntnisse. Mir sind Bischöfe und Lai*innen begegnet, die überzeugt sind, dass eine demokratische Kirche undenkbar sei. Das irritiert mich schon sehr. Zumal das auch theologisch nicht ganz sauber ist: Der Papst besitzt doch keine besondere päpstliche Weisheit. Wenn wir der Wahrheit Gottes irgendwie näherkommen wollen, dann müssen wir mehrere Stimmen zusammenlegen. Darüber kann niemand allein entscheiden.
Frage: Sie haben vor Beginn der Weltsynode gesagt, dass Sie wenig Erwartungen an die Synode haben. Hat sich nach ihren Tagen in Rom diese Haltung geändert?
Podschun: Die Tage haben bei mir persönlich einen Denkprozess angestoßen. Es gibt viele Menschen aus allen Teilen der Welt, die erwartungsvoll auf diese Synode blicken. Da muss ich mich anfragen lassen, ob meine pessimistische Sicht grundsätzlich richtig ist. Ich nehme mit, dass die neue Art der Beratung als Fortschritt gesehen werden muss. Zugleich bleiben meine Hoffnungen gering, dass sich durch diese Weltsynode die systemischen Veränderungen vollziehen werden.
Frage: Sie haben die weltkirchliche Erfahrung in Rom angesprochen. Sind Sie als BDKJ international genug vernetzt?
Podschun: Im deutschsprachigen Raum sind wir richtig gut vernetzt. Aber die Tage haben auch gezeigt, dass wir uns international besser vernetzen müssen. Deswegen werden wir zwischen den beiden Synoden beraten, wie wir das zur zweiten Versammlung im Oktober 2024 verbessern können. Wir wollen noch mehr Stimmen der Jugend weltweit hören und in den Diskurs gehen.
Frage: Was ist ihr Wunsch bis zum Ende der Weltsynode 2024?
Podschun: Ich wünsche mir öffentliche Ergebnisse. Nur so kann es eine Resonanz des Volkes Gottes geben. Ich erwarte von denjenigen, die wissen, dass sie in einem Jahr wieder an der Synode teilnehmen, dass sie in ihren Ländern aktiv ins Gespräch gehen. Auf Deutschland bezogen erwarte ich, dass die Bischöfe die Beschlüsse des Synodalen Weges aktiv nach Rom tragen und dass es – falls Rom die Beschlüsse Synodalen Weges stoppt – eine Idee für das weitere Vorgehen gibt.
Frage: Was wäre denn eine Lösung?
Podschun: Dinge umsetzen und nicht nachfragen! Einfach mal Menschen zu Priester*innen weihen, einfach mal Segnungen formalisieren und zulassen. Weitere Maßnahmen müssen beraten werden. Ich sehe da nicht nur die Bischöfe, sondern auch das ZdK in der Pflicht. Auch die haben bisher noch keine Antworten auf ein römisches Stoppschild.