Hollerich: Weltsynode soll konkrete Veränderungen in Kirche anstoßen
Die derzeit tagende Weltsynode im Vatikan soll zu anderen Möglichkeiten der Teilhabe in der katholischen Kirche führen. Das betonte der Inhalte-Koordinator der Veranstaltung, Kardinal Jean-Claude Hollerich, am Mittwoch im Vatikan. Es seien nicht nur die Medien, die sich für einen möglichen Wandel interessierten. Kirchennahe Menschen – Mitarbeitende und Pfarreimitglieder etwa – fragten besonders nach kleinen, aber spürbaren Veränderungen bei Themen der Teilhabe.
In der vatikanischen Synodenhalle haben am Mittwoch die beiden letzten Phasen der inhaltlichen Beratungen begonnen. In den kommenden Tagen sprechen die rund 350 Frauen und Männer über die Autorität von Amtsträgern und neue Mitwirkungsmöglichkeiten für die kirchliche Basis. Dabei wird erneut auch die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche behandelt. Thematisiert werden zudem das Amt des Bischofs und des Papstes in einer künftig dezentraleren Kirche. Dem Treffen im Vatikan waren seit 2021 lokale und kontinentale Beratungen vorausgegangen. Aus diesen Erfahrungen heraus sollen die Synodalen auch über stärkere kontinentale Zusammenschlüsse debattieren und die Mitwirkung von Laien in dem bisherigen Prozess überdenken.
"Heikle Fragen"
"Heikle Fragen, die eine sorgfältige Abwägung erfordern", nannte Hollerich diese Themen. Heikel deshalb, weil sie das konkrete Leben der Kirche und auch die Wachstumsdynamik der Tradition berührten: "Eine falsche Unterscheidung könnte sie abtrennen oder einfrieren. In beiden Fällen würde es sie töten." Es handele sich um Fragen, die mit präzisen Formulierungen und Kategorien angegangen werden müssten, so der Luxemburger Kardinal.
In seiner Rede ging er auch auf den Fortgang des Prozesses nach dem bis 29. Oktober dauernden Treffen ein. Der Zwischenbericht der Versammlung solle an die lokalen Kirchen zurückgegeben und dort bearbeitet werden. Zugleich beginnen im Vatikan die Planungen für die zentralen Synodengespräche im nächsten Jahr, denn im Oktober 2024 soll die Versammlung erneut im Vatikan beraten. Erst danach wird der Papst voraussichtlich ein eigenes, verbindliches Schreiben verfassen. Dabei kann er sich an die Ergebnisse der Synode halten, muss es aber nicht. Für die letzten Beratungen in der seit gut zwei Wochen laufenden Versammlung rief Hollerich die Teilnehmer zur Überwindung ihrer Müdigkeit und zur Konzentration auf.
Unterdessen forderte der frühere Dominikaner-Obere Timothy Radcliffe die Teilnehmer der Weltsynode auf, die aktuelle Krise der Kirche als Chance zu sehen. Er erinnerte daran, dass die Apostel schon im ersten Jahrhundert zutiefst zerstritten gewesen seien über die Frage der Bekehrung von Nichtjuden zur christlichen Kirche. Radcliffe sprach am Mittwoch zu Beginn der finalen Debatten der Welt-Bischofssynode im Vatikan. "Die Kirche stand vor einer Identitätskrise, die alles übertrifft, was wir uns heute vorstellen können", bemerkte Radcliffe im Rückblick und betonte, dass die Kirche durch Krisen reife. "Wenn wir versuchen, sie zu vermeiden, werden wir nie erwachsen", so der englische Theologe.
Weiter sagte er: "Wenn wir uns im starken Namen der Dreifaltigkeit versammeln, wird die Kirche erneuert werden, wenn auch vielleicht in einer Weise, die nicht sofort offensichtlich ist. Das ist (...) unser apostolischer Glaube." Radcliffe erinnerte an die bereits erfolgten Veränderungen der Kirche: "Heute ist unser Gott bereits dabei, eine Kirche ins Leben zu rufen, die nicht mehr in erster Linie westlich ist: eine Kirche, die orientalisch, asiatisch, afrikanisch und lateinamerikanisch ist. Es ist eine Kirche, in der die Frauen bereits Verantwortung übernehmen und unsere Theologie und Spiritualität erneuern."
Zum Gegensatz von Fortschritt und Tradition bemerkte der Dominikaner: "Das Neue ist immer eine unerwartete Erneuerung des Alten. Deshalb ist jeder Gegensatz zwischen Tradition und Fortschritt dem Katholizismus vollkommen fremd." Die bevorstehenden Neuerungen in der Kirche, so Radcliffe weiter, würden nicht bloß oberflächlich sein: "Wir werden nun überlegen, welche neuen Prozesse, Institutionen und Strukturen erforderlich sind. Dies werden keine Lösungen für Managementprobleme sein, sondern ein umfassenderer Ausdruck dessen, was wir sind. Die Geschichte der Kirche ist von endloser institutioneller Kreativität geprägt." (tmg/KNA)