Verlorene "Bewertungsbalance" des Papstes schade seiner Autorität

Hoff: Ambivalente Position des Vatikan zu Attacken auf Israel verstört

Veröffentlicht am 19.10.2023 um 11:46 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Die Vatikan-Stellungnahmen zu den Hamas-Attacken auf Israel wirken sonderbar zurückhaltend, bemängelt der Theologe Gregor Maria Hoff. Dabei könne der Angriff auf den jüdischen Staat für den Vatikan nicht nur ein politisches Thema neben anderen sein.

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Der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff kritisiert die aus seiner Sicht ambivalente Haltung von Papst Franziskus und des Vatikan zu den Terrorangriffen der Hamas auf Israel. Verlässliche Solidarität mit Israel setze eine "eindeutige, folgenbewusste Verurteilung derjenigen voraus, die für diesen Terror verantwortlich sind", schreibt Hoff in der aktuellen Ausgabe der österreichischen Wochenzeitung "Die Furche". "Vor diesem Hintergrund verstört die Haltung des Vatikan als völkerrechtliches Subjekt wie als religiöser Akteur erheblich." Während sich etwa Bischöfe aus Österreich und Deutschland sofort und klar positioniert hätten, wirkten die Statements aus dem Vatikan sonderbar zurückhaltend und zwiespältig. Zudem bezeichnete es Hoff, der Konsultor (Berater) der Päpstlichen Kommission für die Beziehungen zum Judentum ist, als beschämend, dass sich die aktuell in Rom tagende Weltsynode nicht zu einer Stellungnahme veranlasst sehe.

Die humanitäre Botschaft des Evangeliums verlange, auf alle Menschen, gleich welcher Nation und Religion, zu achten, besonders auf die Ärmsten der Armen, so Hoff weiter. Papst Franziskus selbst werde nicht müde, dies zu betonen. "Aber schließt dies nicht ein, unmissverständlich zu brandmarken, wer diesen Terrorakt begangen hat?" Der Pontifex globalisiere zwar die politische Bedeutung der Botschaft Jesu im ökonomischen und ökologischen Bereich. "Dabei aber verliert er die Bewertungsbalance sowohl in der Ukraine als auch vor allem nun in Israel aus dem Blick, wenn er die unmittelbare Tatverantwortung nicht klar benennt und verurteilt." Die menschenrechtliche Agenda und die Autorität von ihm und der Kirche nehme dabei Schaden.

Kein politisches Thema neben anderen

Nach den Angriffen der Hamas hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ausgerichtet, dass Papst Franziskus traurig über die Gewalt sei und für alle Toten und Verletzten bete. Gleichzeitig richtete Parolin den Blick auf die Palästinenser in Gaza. Papst Franziskus selbst forderte in den vergangenen Tagen immer wieder ein Ende der Gewalt. Die vatikanischen und päpstlichen Stellungnahmen sorgten für Verstimmungen in Israel, da sie die Terrorakte der Hamas nicht klar benannt hätten. Parolin besuchte schließlich am Dienstag die Botschaft Palästinas beim Vatikan und verurteilte dort den terroristischen Angriff der Hamas auf Israel.

In den Stellungnahmen und der "vor einigen Tagen nachgereichten Verurteilung des Hamas-Terrors" durch Parolin spielt laut Hoff jedoch keine Rolle, "dass jeder Angriff auf jüdisches Leben und die Vernichtung des Staates Israel, die für Hamas, Hisbollah und Iran ihre Terroragenda anleitet, kein politisches Thema neben anderen für die Kirche sein kann". Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erkenne die katholische Kirche an, dass das Judentum die Wurzel sei, die das Christentum trägt. Das schließe echte Solidarität ein. "Umso mehr stellt sich die Frage, warum der Papst in seiner ersten Stellungnahme verschwiegen hat, was Staatschefs und Bischöfe sofort benannten: mit der Verurteilung des barbarischen Angriffs auch die Verantwortung der islamistischen Terroristen", so der Theologe. (mal)