"Die Leute müssen wissen, was wir dabei feiern und warum wir das tun"

Die Liebe Christi wandelt: Was Leben aus der Eucharistie bedeutet

Veröffentlicht am 05.11.2023 um 12:09 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Trier ‐ Was in der Eucharistie gefeiert wird, wissen die meisten Gläubigen. Doch welche Bedeutung hat es für die eigene Existenz? Der Trierer Liturgiewissenschaftler Marco Benini betont: Eucharistie kann zu einem Lebensprinzip werden. Denn gewandelt werden nicht nur Brot und Wein.

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Silke Philippi hatte viele Jahre lang mit der Kirche nichts mehr am Hut. Einen starken Glauben habe sie immer gehabt, aber Probleme mit der Institution, und als Jugendliche schlechte Erfahrungen mit dem "Bodenpersonal". Nach der Aufdeckung der Ausmaße des Missbrauchsskandals hatte sie endgültig genug – und trat aus der Kirche aus. Ausgerechnet der Besuch eines Requiems änderte alles. Sie trat wieder in die Kirche ein und verständigte sich mit dem Priester darauf, mindestens einmal pro Monat in die Messe zu gehen. Doch schon beim ersten Mal passierte etwas mit ihr, erinnert sich die Bankangestellte aus Saarlouis: "Ich habe mich gefühlt, als hätte ich einen guten Freund seit langem wieder besucht." Es war damals privat eine herausfordernde Zeit für sie. "Ich konnte so viel Kraft tanken – als wäre jemand bei mir, der mir sagt, du kriegst diese schwierige Situation hin, du wirst das schaffen."

Das Ganze war im Juni 2022. "Dann bin ich auch die Woche darauf nochmal zur Messe gegangen, und dann nochmal, und dann nochmal." Seither versucht sie das jeden Sonntag. "Es ist eine Stunde in der Woche, in der ich alle Gedanken, alle Sorgen, alle Ängste, alle Bitten, alles, was mich bewegt, vor Gott bringen kann. Und ich weiß, er hat in dieser Stunde Zeit und nimmt sich meiner an." So kann sie ihre Kraftreserven auffüllen, um auch für andere da zu sein. Doch so sprachfähig über die Bedeutung von "Höhepunkt und Quelle des kirchlichen Lebens", wie die Dogmatische Konstitution Lumen Gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) über die Eucharistie schreibt, ist längst nicht (mehr) jeder Gläubige. "Wir vollziehen die Eucharistie, wissen aber oft nicht mehr, warum sie so wertvoll ist", sagt Marco Benini, Professor für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Fakultät Trier und Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Liturgischen Instituts (DLI).

Einlassen auf symbolische Handlungen

Auch Papst Franziskus hat dieses Thema vor nicht allzu langer Zeit aufs Tapet gebracht. In seinem Schreiben "Desiderio desideravi" vom Juni 2022 betont er nicht nur den Stellenwert der Liturgiereform im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil und gibt einige grundlegende Überlegungen zur Liturgie als einer fundamentalen Dimension für das Leben der Kirche – er betont auch die Wichtigkeit liturgischer Bildung: Es sei nötig, die Fähigkeit wiederzuerlangen, "die liturgische Handlung in vollem Umfang zu leben". Denn der Mensch habe die Fähigkeit verloren, "sich auf die symbolische Handlung einzulassen, die ein wesentliches Merkmal des liturgischen Aktes ist", so der Papst.

"Die Leute müssen wissen, was wir in der Eucharistie feiern und warum wir das tun", sagt Marco Benini. Liturgische Bildung heiße einerseits, die Liturgie besser und tiefer zu verstehen in ihren Formen und in ihren Vollzügen. Doch es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: die "Herzensbildung". Um den Ball von "Desiderio desideravi" aufzunehmen, hat nach Absprache in der Liturgiekommission der Bischofskonferenz das Deutsche Liturgische Institut mit der Katholischen Akademie Dresden-Meißen begonnen, geistliche Thementage zur Eucharistie anzubieten. Im Fokus steht dabei die Frage, was ein Leben aus der Eucharistie bedeutet. Dabei kommen auch Gläubige wie Silke Philippi zu Wort, die von ihren Erfahrungen sprechen. In Kleingruppen werden die erschließenden Impulse und die Zeugnisse jeweils vertieft. Zuvor wurden solche Eucharistie-Tage bereits im Bistum Trier mehrfach durchgeführt.

Marco Benini
Bild: ©Theologische Fakultät Trier

"Wir vollziehen die Eucharistie, wissen aber oft nicht mehr, warum sie so wertvoll ist", sagt der Trierer Liturgiewissenschaftler Marco Benini.

Was heißt es, eucharistisch zu leben? "Es bedeutet, unser eigenes Leben und die Eucharistie wirklich miteinander zu verknüpfen", definiert Marco Benini den Begriff. Der menschliche Alltag kann gewissermaßen in die Liebe Christi hineingelegt und dadurch gewandelt werden. "Gabenbereitung heißt ja nicht nur, Brot und Wein zu bringen", betont Benini: "Letztlich legen wir uns selbst in die Hostienschale hinein: die eigenen Tätigkeiten, die Arbeit, die Menschen, die uns wichtig sind, die Sorgen, die wir haben." Der Liturgiewissenschaftler spricht hierbei vom Ziel einer "persönlichen Transsubstantiation": So wie auch die äußere Gestalt von Brot und Wein nach der Wandlung in der Eucharistie gleichbleibt, sind auch die Sorgen oder andere äußere Umstände nicht weg. "Aber was sich wandeln kann, ist die Einstellung: Unser eigenes Wesen, unser Tun kann von der Lebenshingabe Jesu, die wir in der Eucharistie feiern, inspiriert werden." Und damit würden nicht nur Brot und Wein gewandelt, sondern letztlich die Mitfeiernden selbst, fügt er hinzu.

Um das Ganze anschaulich zu machen, zieht Marco Benini gerne die Emmaus-Erzählung aus dem Lukas-Evangelium heran. Sie ist eine Parabel für das, was Eucharistie bedeutet: Auch die beiden Emmaus-Jünger lassen sich von der Begegnung mit dem auferstandenen Christus, der ihnen die Heilige Schrift auslegt, den sie aber erst beim Brotbrechen erkennen, wandeln. "Diese Jünger werden am Schluss selbst wie neu, das Dunkle macht ihnen nichts mehr aus, und sie gehen zurück nach Jerusalem." Letztlich sei das die Bedeutung von Eucharistie. "Und schlussendlich werden wir sicher auch noch Leute treffen, denen es wie den Emmaus-Jüngern am Anfang geht, die niedergedrückt sind, die nicht wie die Jünger die Freude am Leben spüren." Leben aus der Eucharistie meint also, von der Freude der Gegenwart des Herrn geprägt zu sein und diese weiterzugeben. Marco Benini nennt das in Anlehnung an die Bibelstelle eine "Emmaus-Haltung".

"Gelassenheit, Dankbarkeit, Lebensfreude und Zuversicht"

Auch Hildegard Steimer, frühere Pastoralreferentin und Religionslehrerin aus Trier, nimmt sich eine solche Haltung zu Herzen. Sie hat ebenfalls bei einem Workshop des DLI davon erzählt, was ihr die Eucharistie bedeutet: "Ich kann mir nichts Überzeugenderes für eine lebendige Christusbeziehung vorstellen, als ihn wirklich greifbar nahe zu haben und ihn sich wortwörtlich einzuverleiben." Sie bekomme dadurch einen anderen Blickwinkel auf ihr Leben, aber auch auf ihre Verantwortung für diese Welt. Alles, was sie in der Eucharistiefeier empfängt, ist für sie zugleich Aufgabe, es weiterzugeben. "Das Schöne dabei ist, dass das sozusagen wie von alleine gelingt", betont sie. Denn in der Eucharistiefeier entdeckt sie die Zusage auf eine große, verheißungsvolle Zukunft: "Daraus kann doch nur eine große Gelassenheit, Dankbarkeit, Lebensfreude und Zuversicht hervorgehen."

Christus schenkt sich, so die kirchliche Lehre, den Menschen selbst in den gewandelten Gaben von Brot und Wein. Sie sind das Realsymbol für seine Liebe und Gegenwart. "In jeder Eucharistiefeier werden wir in diese Liebe hineingenommen. Und letztlich kann nur Liebe verändern", betont Marco Benini. Genau um das zu verinnerlichen, brauche es nicht nur inhaltliche Bildung über die Eucharistie, sondern auch "Herzensbildung".

Von Matthias Altmann

Hinweis

Am Samstag, den 18. November, findet online von 10 bis 16.30 Uhr erneut ein Geistlicher Thementag zur Eucharistie statt. Eingeladen sind sowohl Gemeinden (bspw. im Pfarrheim) als einzelne Interessierte. Programm, Informationen und Anmeldung: www.lebendig-akademisch.de/emmaus.