Beobachter des Synodalen Weges und Teilnehmer der Weltsynode im Interview

Bischof Mackinlay: Bei Weltsynode mehr Dialog als beim Synodalen Weg

Veröffentlicht am 03.11.2023 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn/Rom ‐ Bischof Mackinlay war als Beobachter beim Synodalen Weg in Frankfurt und als Delegierter bei der Weltsynode in Rom. Im katholisch.de-Interview vergleicht er beide Ansätze: Die Weltsynode könne sich vom deutschen Mut etwas abschneiden, sagt er und schaut gespannt auf den Synodalen Ausschuss.

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Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Deutsche Bischofskonferenz betonen immer wieder die Gemeinsamkeiten von Synodalem Prozess der Weltkirche und dem Synodalen Weg in Deutschland. Der Bischof von Sandhurst (Australien), Shane Mackinlay, war Beobachter beim Synodalen Weg in Frankfurt und Teilnehmer der Weltsynode. Im Interview vergleicht er die beiden Ansätze und erklärt, was Rom von Deutschland lernen könnte. Gespannt ist er, was der Synodale Ausschuss bringt – das sei ein interessantes Experiment.

Frage: Bischof Mackinlay, Sie waren Beobachter beim Synodalen Weg in Frankfurt und Delegierter der Weltsynode in Rom. Hat der weltweite Synodenprozess die Themen des Synodalen Weges bestätigt?

Mackinlay: Alles was in Deutschland besprochen wurde, wurde auch bei der Weltsynode in Rom thematisiert und findet sich auch im Synthese-Bericht der ersten römischen Sitzung wieder. Die vier großen Themenfelder des Synodalen Weges: Rolle der Frau, die kirchliche Sexualmoral, die Machtfrage und das Leben der Priester waren ausnahmslos ebenso Thema in Rom. All das kam zur Sprache und dazu eine ganze Menge anderer Dinge. Es gab also viele Überschneidungen in Bezug auf Sorgen, Fragen und Hoffnungen.

Frage: Haben Sie auch Unterschiede festgestellt?

Mackinlay: Der größte Unterschied ist, wie die Fragen aufkamen und wie sie behandelt wurden. In Deutschland war der Missbrauchsskandal Auslöser für den Synodalen Weg. In einer Missbrauchsstudie wurden die Themen identifiziert und dann im Synodalen Weg bearbeitet. Der weltweite Synodenprozess beruht hingegen auf den Sorgen, Fragen und Reflexionen, die aus einer Befragung des Gottesvolks kamen. Die Themen des Synodalen Weges sind also von oben nach unten aus einem Bericht hervorgegangen und die der Weltsynode kamen aus dem Volk Gottes.  

Frage: Haben Sie noch weitere Unterschiede festgestellt?

Mackinlay: Ja, die Art und Weise, wie die Fragen während der Synode betrachtet wurden. In Rom gab es wirklich ein tiefes und bewusstes Zuhören aufeinander. Der deutsche Prozess war dagegen viel mehr eine Begegnung von Ideen und auf seine Art dabei sehr wertvoll. Soweit ich sehen kann, gab es in den vier Vorbereitungskommissionen des Synodalen Weges viel mehr Dialog als in der Frankfurter Synodenaula. Dort gab es mehr eine Debatte über bestimmte Papiere. Wir müssen aber im Hinterkopf behalten, dass wir in Rom gerade die erste von zwei Versammlungen der Weltsynode hatten. Diesmal ging es darum, Fragen aufzuwerfen und Wege zu erkunden, wie sie angegangen werden könnten, anstatt Antworten vorzuschlagen. Das war in Frankfurt beim Synodalen Weg anders. Ich war bei der Abschlusssitzung zu Gast. Da musste man zu Ergebnissen kommen.

Arbeitsweise der Weltsynode
Bild: ©katholisch.de

Gebet, Vorträge, Reden, Präsentation, Zusammenfassungen: jede Arbeitseinheit der Weltsynode in Rom ist gleich aufgebaut.

Frage: Das heißt, nächstes Jahr könnte es in Rom auch anders aussehen?

Mackinlay: Ich gehe davon aus, dass die Vollversammlung im nächsten Jahr hier in Rom einen ganz anderen Charakter haben wird. Anstatt wie jetzt Fragen zu eröffnen und zu erforschen, muss es 2024 darum gehen, Schlussfolgerungen zu erarbeiten. Ich glaube, dass wir 2024 viel mehr Dokumente haben werden, über die wir diskutieren können – ähnlich wie in Deutschland beim Synodalen Weg. Dort gab es sehr gute Dokumente, die Grundlage der Debatte waren.

Frage: Braucht es bei der Weltsynode mehr Diskurs? Mehr Theologie? Weniger Spiritualität?

Mackinlay: Wir haben am vorletzten Synodentag darüber gesprochen, wie das nächste Jahr aussehen soll. Die Synodalen waren sich sehr darüber im Klaren, dass sie die Exerzitien beibehalten wollten, dass sie die Runden Tische und die Methodik der Konversation im Heiligen Geist beibehalten wollten. Aber: Das muss 2024 anders genutzt werden, denn wir werden mit bestehenden Texten arbeiten und versuchen, endgültige Dokumente zu erstellen. Sicher ist, dass der spirituelle Dialog beibehalten werden soll.

Frage: Teilnehmende der Weltsynode haben erzählt, dass ihnen die Diskussion gefehlt habe. War der Synodale Weg diskursiver?

Mackinlay: Nein, das würde ich nicht sagen. In Deutschland wurde sicher viel während der Kommissionssitzungen diskutiert, doch bei der Synodalversammlung in Frankfurt weniger. Dafür war auch gar nicht die Zeit. Ich denke, in Rom gab es in vielerlei Hinsicht mehr Dialog. Es ist eine ganz andere Art von Diskussion, wenn man elf Leute am Tisch hat, als wenn 300 Leute in einer Messehalle sitzen. Es gab hier in Rom zu Beginn eines jeden Themas auch mehr theologischen Input. Auch diese Arbeit fand in Deutschland im Vorfeld statt. Der Vergleich ist also schwierig.

Frage: Können die Veranstaltungen überhaupt verglichen werden?

Mackinlay: Ja, aber ich hüte mich davor, zu sagen, dass es hier eine theologische Dimension gab und dort nicht. Die beiden Prozesse hatten eine andere Grundstruktur.

Frage: Und wie sieht es mit der spirituellen Dimension aus?

Mackinlay: In Rom gab es sicher eine bewusstere spirituelle Dimension. Nach einigen Wortmeldungen hab es eine Stille für Gebet. Das gab es in Deutschland nicht.

Frage: Was könnte Deutschland denn von der Weltsynode lernen?

Mackinlay: Ich habe mich vor ein paar Tagen mit den deutschen Synodalen getroffen und wir haben uns über die Weltsynode unterhalten. Ich denke, wenn ein Prozess synodal sein soll, muss es eine explizite geistliche Dimension geben. Die Gebetsübung, die versucht, auf den Heiligen Geist zu hören, hilft eine Debatte zwischen Gewinnern und Verlierern zu vermeiden. Es muss also auf einen Konsens hingearbeitet werden, der nicht nur ein kleiner gemeinsamer Nenner ist.

„Der Synodale Ausschuss ist ein interessantes Experiment einer neuen Struktur.“

—  Zitat: Bischof Shane Mackinlay

Frage: Und was könnte Rom von Deutschland lernen?

Mackinlay: Den Mut, die Ehrlichkeit und die Dringlichkeit, mit der sich Deutschland mit diesen kritischen Fragen auseinandergesetzt hat. Der Synthese-Bericht der Weltsynode nennt diese Themen und fordert weitere Forschung. Vieles davon ist in Deutschland bereits gemacht worden, vor allem in den Kommissionspapieren des Synodalen Weges. Das ist eine sehr gute Arbeit, auf die auch der Synodale Ausschuss in Deutschland zurückgreifen kann, in Vorbereitung eines Synodalen Rates. Der Synodale Ausschuss ist ein interessantes Experiment einer neuen Struktur. Im Anschluss an unser Plenarkonzil, das wir aus ähnlichen Gründen wie der Synodale Weg in Deutschland gestartet haben, versuchen wir in Australien etwas ähnliches: Nächste Woche haben wir ein Gespräch einer Gruppe, die aus dem Plenarkonzil hervorgeht und eine längerfristige Struktur aufbauen soll. Von Montag bis Donnerstag tagt unsere Bischofskonferenz und anschließend am Freitag dieser synodale Rat. 

Frage: Der Synthesebericht der Synode schlägt vor, alte Strukturen synodaler zu gestalten, statt neue aufzubauen. Schon aus Gründen der Effizienz.

Macinklay: Ja, Wir müssen darüber nachdenken, wie wir alte Strukturen überarbeiten. Wir haben bereits viele Leute, die in Räten und Kommissionen involviert sind, die uns Bischöfe beraten und an verschiedenen Orten ein- und ausgehen. Wir müssen Wege finden, sie mehr in das eigentliche Geschehen einzubeziehen. Papst Franziskus hat das mit der Bischofssynode vorgemacht. Er hat die bestehende Struktur der Bischofssynode genommen und die Art und Weise, wie sie funktioniert, verändert, indem er Laien einführte, indem er die Arbeits-Methodik änderte und so weiter. Es gibt ja durchaus Stimmen, die fordern, dass wir eine Bischofssynode alten Stils haben sollten, wo die Bischöfe die eigentliche Arbeit weitermachen können und nebendran eine kirchliche Versammlung mit Laien. Aber der Papst hat sich für die Idee einer grundsätzlichen synodalen Bekehrung entschieden. Wir müssen uns und die Art und Weise, wie wir bestehende Dinge tun verändern, bereichern und erneuern.

Von Benedikt Heider