Pfarrer Frings: Freie Trauungen sind Zukunftsmodell für die Kirche
Pfarrer Thomas Frings spricht offen über die freien Trauungen, die er feiert. Angst vor Sanktionen seitens der Kirche hat der in Köln lebende Priester nicht. Vielmehr fühlt er sich den Menschen verpflichtet, die zu ihm kommen und um einen Segen für ihre Partnerschaft bitten. Meist haben Frings' Traufeiern einen religiösen Charakter, doch kürzlich hat er seine erste Trauung ohne Gottesbezug zelebriert – auch wenn sich bei der Lesung dann doch ein biblischer Text eingeschlichen hatte.
Frage: Herr Pfarrer Frings, Sie haben auf Facebook geschrieben, dass Sie vor kurzem zum ersten Mal eine freie Trauung gefeiert haben. Für einen katholischen Priester ist das ungewöhnlich. Wie ist es dazu gekommen?
Frings: Es war meine erste freie Trauung, bei der sich das Paar gewünscht hatte, dass es keine religiöse Zeremonie sein soll. Zuvor habe ich schon einige freie Trauungen mit einem religiösen Bezug und einem Segen gefeiert, wenn ein Paar nicht sakramental heiraten wollte. Ich weise dann natürlich darauf hin, dass das nicht in den Kirchenbüchern vermerkt wird, aber das ist den meisten nicht wichtig. Bei der Trauung jetzt waren es ein Muslim und eine Christin. Sie suchten jemanden, der am Ort der Hochzeitsparty – einige Tage nach der standesamtlichen Trauung – einen Ritus mit ihnen feierte. Auch wenn Gott und Kirche nicht zur Sprache kamen, wussten dennoch alle, dass da vorne ein Priester steht.
Frage: Als Geistlicher gehört es zu Ihrem Beruf, von Gott zu sprechen. Wie war es bei der freien Trauung für Sie, denn dort war das nicht vorgesehen?
Frings: Es war eine echte Herausforderung, von der Liebe und vom Leben zu sprechen, ohne Gott ausdrücklich zu nennen. Ich bin gewohnt, das alles zusammenklingen zu lassen. Aber das Brautpaar wollte es ohne religiöse Sprache haben und das funktionierte für mich deswegen ganz gut, weil ich mir klargemacht hatte, dass ich mich in den Dienst dieser Menschen stellen wollte. Ich wurde auch bei einer Beerdigung einmal gebeten, doch bitte nicht von Gott und der Auferstehung zu sprechen. Das jedoch habe ich abgelehnt. Dann hätte ich meine Überzeugung an einer wesentlichen Stelle verraten. Das sah die Familie des Verstorbenen ein und ich habe sie vorsichtig mitgenommen auf meinen Weg der Suche nach Gott, gerade angesichts des Todes und der für mich christlichen Hoffnung. Bei der freien Trauung war es allerdings auch für das Paar eine Herausforderung bei der Auswahl der Texte für die Feier. Letztendlich haben sie sich für einen biblischen Text entschieden: das Hohelied der Liebe aus dem Ersten Korintherbrief. Es war auch schwer, die Anwesenden zu beteiligen, wenn keine Lieder gesungen werden, wie das in einem Gottesdienst geschieht. Ich habe mit dem Paar lange nach Liedern gesucht, die atmosphärisch passten, die beide mögen und die von den Hochzeitsgästen mitgesungen werden können, damit sie ein Teil der Feier werden.
Frage: War der Ablauf der freien Trauung an die katholische Liturgie angelehnt?
Frings: Riten und Liturgien sind keine Erfindungen der Christen, sondern entwickeln sich aus den Bedürfnissen der Menschen. Eine gute Liturgie ist nicht künstlich, sondern kunstvoll – sie geht dem Empfinden der Menschen nach. So ist etwa das Brautpaar eingezogen und alle konnten es sehen. Sie haben sich ein Trauversprechen gegeben, sie haben Ringe getauscht, sie haben sich die Hände gegeben, ich habe meine Hand daraufgelegt und dabei einen Text gesprochen, den man auch als einen Segen hören konnte – und das Paar hat sich natürlich geküsst. Wir haben dann dem Gesang einer Solistin gelauscht, damit alle Menschen emotional wieder herunterkommen konnten – wie es bei einer Liturgie eben auch ist.
Frage: Wie oft feiern Sie solche freien Trauungen, seien sie nun mit oder ohne christlichen Bezug?
Frings: Ich bin jetzt fast vierzig Jahre Priester und früher gab es eine solche Nachfrage nach freien Trauungen nicht. In dem Maße, in dem Menschen sich von der Kirche entfernen und nach anderen zeremoniellen Formen suchen, gibt es eine Zunahme an Trauungen mit freien Rednerinnen und Rednern. Mich erreichen aber auch immer mehr Anfragen dieser Art, meist persönlich an mich gerichtet und nicht an die Pfarrei. Manchmal sind es sogar Paare, die kirchlich heiraten könnten, das aber aus unterschiedlichen Gründen nicht wollen. Sie möchten aber trotzdem etwas Geistliches erleben und bitten um einen Segen. Wir sind inzwischen in einer sehr fluiden Gesellschaft angekommen und das ist eine der Möglichkeiten, als Kirche den Menschen etwas Spirituelles zu bieten – auch wenn es nicht das ist, was früher gemacht wurde oder für alle vorgesehen war.
Frage: Heute kann man in der Kirche freier über solche Themen sprechen. War die Notwendigkeit für freie Trauungen denn auch schon früher da und wurde nicht artikuliert?
Frings: Es gibt in der Kirche heute eine größere Sprachfähigkeit, weil ein freieres Denken über die Formen vorherrscht, in denen wir handeln können. Früher gab es allerdings auch schon Fälle, in denen Menschen ausdrücklich religiös waren, aber nicht heiraten konnten, weil sie dann etwa die Witwenrente verloren hätten. Jetzt ist es aber auch so, dass selbst junge Paare nach einer eigenen Form suchen. Ich glaube, dass wir als Kirche gut beraten sind, wenn wir mit diesen Menschen im Gespräch sind und nach einer passenden liturgischen Form für sie suchen.
Frage: Sehen Sie freie Trauungen vom Anbieter Kirche also als ein gutes Modell für die Zukunft?
Frings: Das würde ich auf jeden Fall befürworten. Ich spreche mit den Paaren über die ganze Bandbreite der Möglichkeiten. Es ist ja schließlich nicht so, dass ich ihnen dazu rate, keine sakramentale Trauung zu feiern. Wir müssen mit den Menschen ins Gespräch kommen und gemeinsam überlegen, welche Form ihrer religiösen Praxis, wenn es eine gibt, und ihrem Lebensentwurf am ehesten entspricht. Wir sollten uns als Kirche zukünftig breiter aufstellen, denn wir wollen ja im Gespräch mit der Gesellschaft bleiben.
Frage: Sehen Sie bei freien Trauungen durch Priester oder andere Seelsorger nicht die Gefahr, dass es zu einer Verwechslung mit einer sakramentalen Eheschließung kommt?
Frings: Welche Gefahr sollte davon ausgehen, dass Paare nicht kirchlich-sakramental heiraten, aber um einen Segen bitten? Ich kenne das Argument, dass die Menschen beides nicht unterscheiden könnten und deswegen auf jeden Fall sakramental heiraten sollen. Das sehe ich jedoch anders. Es ist sogar genau umgekehrt: Wenn Gläubige den Unterschied zwischen Segen und Sakrament nicht kennen, dann stellt sich die Frage nach der Gültigkeit des Sakraments. Die Menschen sind in diesem Fall sogar besser beraten, sich eine freie Form mit einem Segen zu wählen, statt sich nötigen zu lassen, ein Sakrament zu empfangen, von dem sie nachher sagen: "Das habe ich gar nicht verstanden."
Frage: Sie sprechen sehr offen darüber, dass Sie als katholischer Priester freie Trauungen und Segensfeiern zelebrieren. Haben Sie keine Angst vor Sanktionen seitens der Amtskirche?
Frings: Mit welcher Begründung würde man eine Sanktion aussprechen und mir sagen wollen, dass ich Menschen keinen Segen für ihren Lebensentwurf spenden darf, die darum gebeten haben? Wir führen inzwischen sehr offen die Debatte über Segensfeiern für homosexuelle Paare in der Kirche und solche Gottesdienste gehören für viele Seelsorger zu ihrer pastoralen Praxis. Da kann ich mir nicht vorstellen, dass ich wegen der freien Trauungen, die ich feiere, heute noch sanktioniert würde. Ich habe niemanden um Erlaubnis gefragt, ob ich das überhaupt darf. Das käme mir auch nicht in den Sinn. Bei den Fällen aus den vergangenen Jahrzehnten, in denen Paare nicht geheiratet haben, um etwa die Witwenrente nicht zu verlieren, und deshalb um einen Segen für ihre Partnerschaft gebeten haben, gab es seitens der Kirche auch keine Sanktionen. Man hatte Verständnis für diese Situation und fast alle Priester haben diese Paare unerlaubterweise sakramental verheiratet. Ich habe das früher auch getan. Wir befinden uns heute in einer neuen gesellschaftlichen Situation, der wir uns stellen müssen. Das tun wir am besten, wenn wir versuchen, etwas zu ermöglichen.
Frage: Kennen Sie entsprechende Angebote der Amtskirche hierzulande oder läuft das über die Seelsorge der Geistlichen?
Frings: Mit Blick auf das Sakrament der Taufe gibt es ein Angebot, das in diese Richtung geht: Im Bistum Essen werden Segensfeiern für Neugeborene angeboten. Mich freut, dass so etwas ganz offiziell als Seelsorge angeboten wird, ohne gleich Angst zu haben, dass die Menschen zwischen Segen und Taufe nicht mehr unterscheiden könnten. Ein weiteres Beispiel sind die Feiern der Lebenswende, die die Kirchen in Ostdeutschland seit Jahren haben. Diese Veranstaltungen sind eine kirchliche Alternative zur Jugendweihe – und niemand befürchtet, dass die Jugendlichen nun denken, sie würden konfirmiert oder gefirmt. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber – auch in der Seelsorge. Beim Fall der freien Trauungen könnte die Amtskirche diese Feiern als pastorale Option ins Auge fassen, mit der man bewusst in die Gesellschaft geht. Wenn die Menschen zur Kirche kommen und um den Segen bitten, ist das doch hervorragend; etwas Besseres kann uns doch gar nicht passieren! Wir stehen als Kirche für etwas Geistliches in dieser Welt, trotz der rückläufigen Mitgliederzahlen.