Christel Plenter über neue pastorale Ausbildung im Bistum Münster

Institutsleiterin: Gläubige vor Ort beste Werbung für Pastoralberufe

Veröffentlicht am 07.12.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Münster ‐ Für Pastoralassistentinnen und -assistenten im Bistum Münster gibt es seit Kurzem eine neue Berufseinführungsordnung. Im katholisch.de-Interview spricht Institutsleiterin Christel Plenter darüber, was sich verändert hat – und wie in Zukunft junge Menschen für die Seelsorge begeistert werden sollen.

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Mehr Individualität, mehr Flexibilität, mehr Transparenz: Das sind nur drei Punkte, mit denen sich die Neuerungen bei der Berufsausbildung von Pastoralassistentinnen und -assistenten im Bistum Münster beschreiben lässt. Angesiedelt ist die Ausbildung am Institut für Diakonat und Pastorale Dienste im Bistum Münster. Im katholisch.de-Interview spricht die Leiterin Christel Plenter darüber, warum der Kern der Seelsorgearbeit aus ihrer Sicht heute sogar attraktiver ist.

Frage: Frau Plenter, was ist das Neue an der Ausbildung von Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im Bistum Münster?

Plenter: Die Herzkammer des Neuen ist ein digitales Lernportfolio, mit dem die Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten ihre selbstgesteckten Entwicklungsschritte kriteriengeleitet reflektieren können. So können alle, die an unseren Kursen teilnehmen, ein profilstarkes Berufsrollenbild entwickeln – kompetenzorientiert, dokumentiert, selbstständig.  Außerdem haben wir ein hohes Maß an Transparenz geschaffen, beispielsweise dazu, was wir von Mentorinnen und Mentoren erwarten oder bei praktischen Prüfungen. Gleichzeitig sind Spielräume entwickelt worden – zum Beispiel Teilzeitmodelle, individuelle Auswahlmöglichkeiten bei den Lerninhalten, Wahlmodule. Es geht um zeitgemäßes erwachsenes Lernen.  

Frage: Was ändert sich konkret in der Ausbildung?

Plenter: Es gibt sehr klar formulierte Leitfäden, die Orientierung im Ablauf der Studieninhalte geben und zugleich – im oben benannten Sinn – die Teilnehmerin als verantwortungsvolles Lernsubjekt groß machen. Im Grunde ist es das: Den Lernenden sich groß machen lassen. Diese Grundauffassung fußt in der Erwachsenenpädagogik und wir meinen: Auch in der Spiritualität und einem Bild von Gott, der jedem etwas mitgegeben hat und niemandem nichts. Neu ist auch, dass es in der Pastoraltheologie gemeinsame Einheiten mit den Priesteramtskandidaten gibt. Diese sind gekoppelt mit dem Team der Spirituale und der Geistlichen Begleiter. Denn wenn ich mir über Katechese Gedanken mache, ist es wichtig, zu hinterfragen, was mich persönlich antreibt und was ich überhaupt vermitteln möchte.

Frage: Zusammengefasst könnte man also sagen: mehr Individualität, mehr Flexibilität, mehr Transparenz?

Plenter: Ja, sicherlich. Und zugleich sind wir überzeugte Pastoral-Praktiker, die am Lernen mit, an und in der Gruppe festhalten. Ein Ziel ist es darüber hinaus, möglichst vielen Menschen, die sich für die Pastoral interessieren und die dafür auch geeignet sind, einen Zugang zu dem Beruf zu ermöglichen. Auf der anderen Seite wollen wir mit verbindlichen Absprachen aber auch klar signalisieren: "Das ist das Paket, das Sie bekommen werden und das ist das, was Sie dafür tun müssen."

Leiterin des Instituts für Diakonat und Pastorale Dienste im Bistum Münster, Christel Plenter
Bild: ©Privat

"In der Kirche ist Vieles im Umbruch", sagt Christel Plenter, die Leiterin des Instituts für Diakonat und Pastorale Dienste im Bistum Münster. Dementsprechend stehe auch die Rollentwicklung von Pastoralreferentinnen und -referenten vor großen Veränderungen.

Frage: Warum war es überhaupt notwendig, die Ausbildungsordnung zu erneuern?

Plenter: In der Kirche ist Vieles im Umbruch. Dementsprechend steht natürlich auch die Rollenzuschreibung und -entwicklung für Pastoralreferentinnen- und -referenten vor großen Veränderungen. Wir haben uns daher gefragt, was wir an Orientierung bieten und wie wir Kompetenzen weiterentwickeln können. Nicht alle Kompetenzen müssen gleich zu 100 Prozent vorliegen. So hoffen wir, dass wir hier – Stichwort Flexibilität – gemeinsam mit den Pastoralassistenten die Umbrüche leichter gestalten können. Entscheidend ist, dass mit der Kompetenzorientierung und Spiritualität dem Change (Umbruch, Veränderung) auch das Hope (Perspektive, Ziel, Hoffnung) an die Hand gegeben wird.

Frage: Was ist weggefallen im Vergleich zu früher?

Plenter: Das ist eine Frage, bei der wir sehr gerungen haben. Die Pastoralassistenten sollen ausreichend Zeit haben, sich in den Gemeinden zu engagieren und nicht nur hier im Institut lernen. Das wahre Leben spielt sich draußen ab. Deswegen braucht es Zeit für die Praxis vor Ort. Inhaltlich weggefallen ist tatsächlich aber nichts. Wir machen schon ganz am Anfang einen Basiskurs Liturgie, Katechese und Verkündigung, um den Berufsanfängern Basiswissen für die Arbeit mitzugeben, die sie vor Ort leisten. Wir haben infolgedessen die Studienwochen umgebaut und verkürzt, sodass später Zeit für Liturgiebesuche und Best-Practice-Beispiele ist. Im positiven Sinne weggefallen ist eine Versäulung aus Pastoraltheologie, Religionspädagogik und Pastoralpsychologie – wir sind optimal miteinander verzahnt.

Frage: Sie sprechen die Praxis an: Welche Herausforderungen stellen sich denn heute in der Pastoral, auf die angehende Pastoralreferentinnen und -referenten vorbereitet werden müssen?

Plenter: Auf die Megatrends der Kirche allgemein treffen wir natürlich auch vor Ort: ein massiver Vertrauensverlust und der Abschied von der Volkskirche etwa. Da stellt sich die Frage, wie glaubwürdig die Pastoralreferentinnen und -referenten sind und wie relevant die Kirche überhaupt ist. Trotzdem ist es natürlich so, dass die Pfarreien sehr unterschiedlich sind. Eine Pfarrei auf Wangerooge, die hauptsächlich von Touristen aufgesucht wird, ist anders aufgestellt als eine in der Innenstadt von Münster. Da wir versuchen, die Pastoralassistenten bistumsweit einzusetzen, ist es umso wichtiger, beim beruflichen Rollenprofil zu schauen, wie sie mit den Gegebenheiten vor Ort wirksam sein können. Dafür sind auch Spielräume zum Experimentieren wichtig. Wer in der Assistenzzeit ist, darf sich ausprobieren und auch Fehler machen. Entscheidend ist nur, dass man daraus lernt.

„Wenn es in den Pfarrgemeinden Menschen gibt, die eine Verbindung zur Kirche haben und damit etwas ausstrahlen, dann macht das neugierig.“

—  Zitat: Christel Plenter

Frage: Ist es denn überhaupt sinnvoll, dass Seelsorgende individuell für die einzelnen Einsatzorte ausgebildet werden? Es gibt doch immer weniger Menschen, die in der Seelsorge arbeiten wollen, und sie müssen von Zeit zu Zeit Ihre Stelle wechseln …

Plenter: In der Pastoral bilden wir nicht für Orte aus, sondern Menschen für Menschen. Für spezifische Einsatzorte kann man sich dann fortbilden. Und wenn Sie es schon so benennen, möchte ich widersprechen: Kirche als Arbeitgeberin ist für viele Menschen aktuell weniger erstrebenswert, aber der Kern wird sogar attraktiver: Keine Künstliche Intelligenz wird den menschlichen Seelsorgezuspruch, den Hoffnung skizzierenden Trost und die segnende Hand ersetzen können.   

Frage: Die Einheiten des Kurses werden künftig auch gemeinsam mit den Priesteramtskandidaten durchgeführt. Was versprechen Sie sich von diesem Schritt?

Plenter: Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit über praktisches Erleben optimiert wird. Je besser man sich schon in der Ausbildung kennenlernt, desto klarer wird, dass man einen gemeinsamen tragenden Grund und eine gemeinsame Aufgabe hat, die hinterher in unterschiedlichen beruflichen Ausprägungen endet. Es ist gut, wenn man schon in der Ausbildung miteinander arbeitet, weil man das später auf der Pfarrei- und Gemeindeebene sowieso auch tun wird.

Frage: Nicht nur die Kirchenbindung nimmt immer weiter ab, sondern auch das Interesse an pastoralen Berufen. Wie wollen Sie in Zukunft Menschen für diesen Berufszweig begeistern?

Plenter: Ich hoffe, dass wir über diese Individualisierung und den Fokus auf Kompetenzen eine größere Offenheit für das ermöglichen können, was sich entwickelt. Die Pastoralassistenten sind gut vorbereitet auf die Veränderungen, die anstehen. Gleichzeitig ist es so, dass wir gesamtkirchlich viele Menschen in der jüngeren Generation verloren haben. Wer heute nicht mehr Theologie studiert oder schon vorher aus der Kirche ausgetreten ist, der kann auch nicht mehr als hochmotivierter Pastoralassistent bei uns landen. Die beste Werbung sind die Gläubigen vor Ort. Wenn es in den Pfarrgemeinden Menschen gibt, die eine Verbindung zur Kirche haben und damit etwas ausstrahlen, dann macht das neugierig. Und darüber hinaus bin ich tief überzeugt, dass unser jüdisch-christliches Erbe ungehindert begeistern kann in einer – wie immer – nach Halt lechzenden Welt: Trösten, segnen, heilen, Brot brechen und den Kelch kreisen lassen. Wer sich jetzt für die Pastoral berufen fühlt: Alles liegen lassen und los! 

Von Christoph Brüwer