Zunächst habe es einen anderen Vorschlag gegeben

Ex-"Bild"-Chef Diekmann: So entstand die Schlagzeile "Wir sind Papst"

Veröffentlicht am 09.11.2023 um 11:54 Uhr – Lesedauer: 

Passau ‐ Sie ging in die Geschichte ein: die legendäre "Bild"-Schlagzeile "Wir sind Papst" zur Wahl Joseph Ratzingers 2005. Der damals verantwortliche Chefredakteur Kai Diekmann erinnert sich nun an die Entstehung zurück – die Zeile sei umstritten gewesen.

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Kai Diekmann (59), 16 Jahre lang Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, hat sich zur Entstehung der legendären Schlagzeile "Wir sind Papst" zur Wahl Joseph Ratzingers als Benedikt XVI. am 19. April 2005 geäußert. Als nach dem Ausruf "Habemus Papam" (lateinisch: Wir haben einen Papst) plötzlich der Name "Josephus" gefallen sei, habe in der Redaktion kurz Schockstarre geherrscht, sagte Diekmann der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag). Einer habe in den Raum gerufen: "Der liebe Gott ist jetzt ein Bayer." Das sei faktisch falsch gewesen, weil es ja um den Stellvertreter gehe. Dann aber habe Georg Streiter "Wir sind Papst" vorgeschlagen.

Laut Diekmann war die Zeile umstritten. Manche hätten gemeint, sie sei zu nationalistisch. "Und dann habe ich etwas gemacht, was ich ganz selten gemacht habe. Ich habe zwei meiner Vorgänger angerufen und sie gefragt. Und der eine hat gesagt, mach es. Und der andere hat gesagt, unter keinen Umständen." Daraufhin sei er so schlau wie vorher gewesen, sagte Diekmann. Es sei aber keine Zeit mehr gewesen und so habe man sich entschlossen, es nun doch zu machen. Am nächsten Tag habe es zunächst viel Kritik daran gegeben, fügte er hinzu. Dann aber seien da Fotos von Nonnen gewesen, die Abzeichen mit der Aufschrift "Wir sind Papst" getragen hätten. "Und dann ist es auf einmal explodiert."

Weiter sagte Diekmann, darauf zu hoffen, nach dem Tod in den Himmel zu kommen. "Und wenn nicht, hoffe ich zumindest, dass ich in der Hölle eine ganze Menge spannende Leute treffe. Und es dort gut unterhaltsam sein wird", so der Journalist. Angesichts seiner Jahre bei dem Boulevard-Blatt räumte der Medienmann ein, nicht frei von Schuld geblieben zu sein. "Wenn Sie so viele Schlagzeilen zu verantworten haben, sind viele dabei, die würde ich heute nicht mehr so machen", sagte Diekmann. Manche hätte er schon nach zwei Tagen nicht mehr in derselben Weise verfasst. Das sei eben das Schicksal eines Journalisten. "Wir haben nicht die Gnade des zeitlichen Abstands, wie sie beispielsweise Historiker haben. Sondern wir müssen aus dem Tag heraus entscheiden, beurteilen und dann eben auch eine Schlagzeile formulieren." (tmg/KNA)