Studie: US-Priester werden immer konservativer
Priester in den USA sind nach ihrer eigenen Einschätzung immer konservativer. Unter den ab 2020 Geweihten bezeichnet sich keiner der Priester als "sehr fortschrittlich", die für eine Studie der Katholischen Universität von Amerika befragt wurden. Am Dienstag stellte die Universität im Rahmen ihres Forschungsvorhabens "The Catholic Project" eine Auswertung der Befragung von US-amerikanischen Priestern hinsichtlich Polarisierung und Generantionendynamiken vor. "Die Zahl der Priester, die sich selbst als liberal oder fortschrittlich bezeichnen, sowohl mit Blick auf Theologie wie auf Politik, geht seit 50 Jahren mit jeder Kohorte zurück. Aus den jüngsten Kohorten sind sie so gut wie verschwunden", stellt die Studie fest. "Theologisch 'fortschrittliche' und 'sehr fortschrittliche' Priester machten einst 68 Prozent der Weihekandidaten aus. Heute ist diese Zahl fast auf Null geschrumpft."
Der zunehmend konservative Klerus führe aber auch dazu, dass die Polarisierung unter Priestern immer weiter abnehme, da sich die Einstellungen unter ihnen annähern. Unterschiede gebe es vor allem zwischen jüngeren und älteren Priestern. Von den bis 1974 geweihten Priestern bezeichnet sich mehr als die Hälfte als "sehr" oder "etwas" fortschrittlich. Die in der unmittelbaren Nachkonzilszeit von 1965 bis 1969 geweihten sind dabei nach eigener Einschätzung am progressivsten: Fast 70 Prozent beschreiben sich als mindestens "etwas" fortschrittlich. Ab etwa dem Weihejahr 2000 steigt die Zahl der Priester, die sich selbst theologisch als "konservativ/orthodox" oder "sehr konservativ/orthodox" einschätzen. Unter den ab 2020 Geweihten verstehen sich 85 Prozent als mindestens "konservativ/orthodox", nur 14 Prozent sehen sich als moderat.
Jüngere Priester sehen Papst Franziskus zwar etwas kritischer als ältere, gut zwei Drittel der ab 2000 Geweihten schätzen aber ihre Verantwortung vor dem Papst. Bei den älteren sind es über 80 Prozent. Ein zitierter Teilnehmer sieht deutliche Unterschiede, in welchem Pontifikat Priester geweiht wurden: Die "Generation Johannes Paul II." sei konservativ, liturgisch aber oft dennoch offen für kreative Ansätze, die "Generation Benedikt" dagegen auch liturgisch orthodox. Eine liberale Franziskus-Generation fehle aber, stattdessen wirke das Pontifikat Benedikts XVI. fort.
Ähnliche Tendenzen zeigen sich bei politischen Einstellungen, allerdings nicht so stark ausgeprägt. Zwar nimmt die Zahl der politisch progressiven Priester deutlich ab, korrespondiert aber nicht mit einem ähnlich starken Anstieg am konservativen Rand. Stattdessen sind politische Selbsteinschätzungen als "moderat" unter jüngeren Priestern häufiger. Bei beiden Dimensionen weisen die Studienautoren darauf hin, dass es sich um Selbsteinschätzungen handelt, nicht um eine Messung der Einstellungen auf einer objektiv vergleichbaren Basis: "Unsere Daten sagen viel darüber aus, wie Priester sich selbst im Vergleich zu anderen wahrnehmen, aber sie sagen nichts darüber aus, was jemanden dazu bringt, sich als 'progressiv', 'gemäßigt', 'orthodox' usw. zu betrachten."
Zwei prägende Ereignisse
Die Studie macht zwei prägende Ereignisse aus, die Auswirkungen auf Priester hatten: das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) und die Enthüllung von Missbrauchsfällen 2002. Priester, die die vorkonziliare Kirche erlebt haben, gaben in ihren Rückmeldungen deutlich andere Einschätzungen ab als die später Geborenen. "Leute, die etwa in meinem Alter sind, haben die Welt vor dem Zweiten Vatikanum erlebt: Messen mit dem Rücken des Priesters zum Volk und auf Latein. Wir haben dabei auch Gott erfahren. Aber wir wussten auch, dass sich das ändern musste", erläutert ein älterer Studienteilnehmer.
Mit Blick auf die Missbrauchskrise zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen vor und nach 2002 geweihten Priestern: Früher Geweihte gaben die Begeisterung für das Leben als Priester als Motivation für ihren Lebensweg an, Missbrauch und Missbrauchsprävention spielte in ihrer Ausbildung keine Rolle. Später Geweihte geben als Motivation an, dass die Kirche nun gute Männer brauche, in der Ausbildung habe die Bewältigung der Missbrauchskrise eine große Rolle gespielt: "Unser Regens sagte uns: 'Ihr werdet euer gesamtes Priesterleben damit verbringen, Vertrauen wiederherzustellen", wird ein nach 2002 geweihter Priester zitiert.
Erste Ergebnisse des "Catholic Projekt" wurden im Oktober 2022 veröffentlicht. Ein Ergebnis war, dass Priester oft wenig Vertrauen in ihren Diözesanbischof haben. Die neue Auswertung basiert auf derselben Datengrundlage: Für die Studie wurden zwischen Februar und Juni 2022 insgesamt 10.000 Priester zur Teilnahme aufgefordert, 3.516 Personen aus 191 US-amerikanischen Ortskirchen beteiligten sich an der Erhebung. Aus den Antwortenden wurden 100 Priester für qualitative Interviews ausgewählt. (fxn)