Pater Christoph Kreitmeir über das Sonntagsevangelium

Ihr wisst weder den Tag noch die Stunde

Veröffentlicht am 11.11.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Ingolstadt ‐ Die törichten Jungfrauen zeigen es: Gerade in persönlichen Krisen merken wir, dass es nicht ausreicht, nur das Nötigste an Religiosität zu haben. Pater Christoph Kreitmeir meint, dass wir uns mit einem inneren Vorrat rüsten sollen.

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Wir hatten doch noch so viel vor...

Wie oft höre ich das in der Begleitung von Angehörigen, die miterleben müssen, dass ihr Angehöriger ganz plötzlich schwerstkrank wurde und dann verstarb.

"Seid also wachsam! Ihr wisst weder den Tag noch die Stunde", so heißt es am Ende des Evangeliums über die "klugen und törichten Jungfrauen" (Mt 25, 1-13). Dort geht eine Gruppe von Jungfrauen dem Bräutigam entgegen, mit Lampen ausgerüstet, falls es dunkel werden sollte. Jesus nimmt diese erwartungsvollen jungen Frauen als Beispiel und Gleichnis für das Himmelreich und das achtsame Bereitsein dafür. Es ist nämlich so, dass man im Warten und Erwarten des Bräutigams/Himmelreichs nicht nur mit Leuchtmitteln gegen die Dunkelheit ausgerüstet sein sollte, man sollte dafür auch genügend Treibstoff, Energie, Öl haben.

Die klugen Jungfrauen hatten sich einen Vorrat besorgt, die törichten nur das Nötigste. Das Nötigste reicht aber nicht, wenn sich die Ankunft des Bräutigams/Himmelreichs verzögert. Und wenn man dann plötzlich vom schnellen Kommen überrascht wird.

Es reicht heute nach über 2.000 Jahren Warten auf die Wiederkunft Christi einfach nicht mehr, nur das Nötigste an Religiosität oder Spiritualität zu haben. Persönliche Krisen wie Krankheiten oder Schicksalsschläge zeigen es. Nicht wenige kommen dann gehörig ins Schleudern, weil sie kaum innere Energiereserven haben, um den unerwarteten Anforderungen und Zumutungen Stand zu halten. Was du da nicht an Reserven in deiner Seele angelegt hast, das kannst du auf die Schnelle nicht bei Händlern kaufen.

Viel klüger ist es, wenn du dir einen inneren Vorrat zugelegt hast, der dir wie eine geistliche Speisekammer vorhandene Nahrung liefert und dich über Durststrecken hinweg trägt. Das Bild mit den Lampen und dem dazugehörigen Energielieferanten Öl ist auch deshalb und im wahrsten Sinne des Wortes einleuchtend, weil Licht eine heraufkommende Dunkelheit erleuchtet.

Mit solchen Dunkelheiten sollte man rechnen in seinem Leben und in seinem Glauben, man sollte sich darauf einstellen, präventiv über die Lebens- und Todesgrenze hinausdenken und seine Einstellung gegenüber Unabänderlichen schon rechtzeitig weiten. Die Dichterin Mascha Kaléko brachte dies in ihrem Gedicht "Rezept" in weise und hilfreiche Worte. Ein kleiner Auszug daraus will auch uns helfen, unsere Lampen für alle Fälle bereit und mit genügend Energie ausgerüstet zu haben.

"Jage die Ängste fort und die Angst vor den Ängsten …

Sage nicht mein. Es ist dir alles geliehen. Lebe auf Zeit und sieh, wie wenig du brauchst. Richte dich ein. Und halte den Koffer bereit …

Geh dem Leid nicht entgegen. Und ist es da, sieh ihm still ins Gesicht. Es ist vergänglich wie Glück …

Die Wunde in dir halte wach unter dem Dach im Einstweilen …"

- Mascha Kaléko, Die paar leuchtenden Jahre, hrsg. von Gisela Zoch-Westphal, München 2003.

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 25,1–13)

In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis:

Mit dem Himmelreich wird es sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen.

Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit. Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein.

Mitten in der Nacht aber erscholl der Ruf:
Siehe, der Bräutigam!
Geht ihm entgegen!
Da standen die Jungfrauen alle auf
und machten ihre Lampen zurecht.

Die törichten aber sagten zu den klugen:
Gebt uns von eurem Öl,
sonst gehen unsere Lampen aus!

Die klugen erwiderten ihnen:
Dann reicht es nicht für uns und für euch;
geht lieber zu den Händlern
und kauft es euch!

Während sie noch unterwegs waren, um es zu kaufen,
kam der Bräutigam.
Die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen.

Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf!

Er aber antwortete ihnen und sprach: Amen, ich sage euch:
Ich kenne euch nicht.

Seid also wachsam!
Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.

Der Autor

Der Franziskanerpater Christoph Kreitmeir arbeitet in der Klinikseelsorge am Klinikum Ingolstadt, in der Erwachsenenbildung und bei Lebenshilfesendungen im Radio Horeb.

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