Kardinal Raymond Burke hält Vortrag zur Ehetheologie

Kampfansage vom Kardinal

Veröffentlicht am 25.03.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kampfansage vom Kardinal
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Theologie

Bonn ‐ Er ist ein streitbarer Mann: Kardinal Raymond Leo Burke ist die Speerspitze des konservativen Flügels der Kardinäle. Spätestens seit seiner Auseinandersetzung mit Kardinal Walter Kasper ist sein Name auch hierzulande weithin bekannt. Am vergangenen Freitag war er als Redner nach Herzogenrath bei Aachen geladen, um seine Sicht zur Ehetheologie der Kirche darzulegen. Es wurde eine Kampfansage vor der anstehenden Familiensynode.

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Kardinal Raymond Leo Burke eilt ein Ruf voraus. Ein Ultrakonservativer soll er sein, ein kompromissloser Hardliner, zudem ein Traditionalist und in der Kirche ein Randständiger: Der Journalist Julius Müller-Meiningen fand vor einigen Wochen in nur einem Artikel gleich eine ganze Sammlung eindeutiger Bezeichnungen für den Kurienkardinal und solche, die ihm kirchenpolitisch nahe stehen. Unstrittig ist, dass der US-Amerikaner Burke so stark polarisiert wie sonst kaum ein Kirchenmann unserer Zeit. Im Gegensatz zu magnetischen Polen zieht er jedoch nicht Gegensätze an, sondern Seinesgleichen, und das in Scharen.

Gut 200 Personen sind an diesem Freitag nach Herzogenrath bei Aachen gekommen, um ihn sprechen zu hören. Die Kölner Liturgische Tagung findet in siebzehnter Ausgabe statt und soll mit dem Vortrag von Kardinal Burke ihren aussagekräftigen Höhepunkt erreichen.

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Pfarrer Guido Rodheudt (links) ist Gastgeber der Kölner Liturgischen Tagung in Herzogenrath.

Die Freude der Veranstalter über den prominenten Besuch aus Rom ist spürbar. "Dieser Saal war vor einigen Jahren nur annähernd so voll, als wir Fürstin Gloria von Thurn und Taxis hier begrüßen durften. Jetzt dürfen wir einen Kirchenfürsten hier begrüßen." Mit einem lockeren Witz begrüßt Gastgeber Pfarrer Guido Rodheudt die Teilnehmer.

Seine unterschwellige Bedeutung kann der Scherz dennoch nicht verbergen. Wer auf YouTube nach Raymond Burke sucht, findet vor allem zahlreiche Aufnahmen seiner im "usus antiquior" zelebrierten Pontifikalämter. Die Heilige Messe feiert der Kardinal vorzugsweise angetan in der fürstlichen Gewandung und nach den Büchern der "alten" Liturgie. Burke ist einer der großen Befürworter der allgemeinen Wiederzulassung des außerordentlichen Ritus durch den damaligen Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007.

Gleichgesinnte aus dem traditionellen Lager

In Herzogenrath trifft Raymond Burke auf reichlich Gleichgesinnte. Während einer Kaffeepause sitzt ein junger Priester in Soutane etwas abseits und spricht leise ein Gebet aus seinem Brevier; auf Latein. Auch Mönche des Trappistenordens sind anwesend, die als so genannte Altritualisten ihr Tagzeitengebet und die Liturgie in den althergebrachten Formen verrichten, wie sie vor der Liturgiereform allgemeiner Usus waren. Ihr äußeres Zeichen ist das Tragen der Tonsur.

Auch konservativ-katholische Prominenz ist gekommen. Der ehemalige Kölner Weihbischof Klaus Dick zählt dazu, der selbst ein Freund der Tridentinischen Messe ist. Aber auch die katholischen Journalisten Martin Lohman und Matthias Matussek. Letzterer stellte vor einigen Jahren in seinem Buch "Das katholische Abenteuer" fest: "Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Zweite Vatikanische Konzil die Kirchen in Deutschland bis zu einem gewissen Grade entzaubert hat und die Gottesdienste formlos werden ließ." In Fragen der liturgischen Ästhetik folgt er der Linie von Kardinal Raymond Burke.

Doch Burke wurde nicht wegen seines Hangs zur liturgischen Traditionspflege eingeladen. Er ist gekommen, um über die Ehetheologie der Kirche zu sprechen. Es solle im Vortrag um die zeitgeistlichen Anfragen an das Absolute gehen, erklärt Pfarrer Rodheudt und verweist auf die anstehende Bischofssynode zu Fragen der Ehe und Familie.

"Heutzutage mehr denn je liegt die Familie der Kirche und der Seelsorge besonders am Herzen, denn bereits seit Jahrzehnten findet sie sich angefeindet durch die westliche, säkularisierte Kultur", befindet Burke am Beginn seines einstündigen Referats, das er auf Deutsch vorträgt, versetzt mit einem charmanten, US-Amerikanischen Akzent. Es scheint so, als wolle Burke mit seiner Rede von der Familie die Deutschen möglichst direkt ansprechen.

Der Spielmacher im Team der Bewahrer

Bei der ersten Runde der Beratungen im vergangenen Herbst, sozusagen dem Hinspiel der Synode, war Kardinal Burke der Spielmacher im Team der Bewahrer. Sie befürchten, dass die Reformdebatten der Synode in einer Aufweichung der ewigen Lehren von der Unauflöslichkeit und Singularität der Ehe münden könnten. Raymond Leo Burke will das verhindern. In seinem löwenhaften Kampf scheut er weder die Konfrontation mit seinen Mitbrüdern im Kardinalskollegium, noch mit dem Papst selbst.

Sein größter Widersacher im Ringen um den richtigen Weg ist der deutsche Kardinal Walter Kasper, der seinerseits als Wortführer der reformorientierten Synodalen auftritt. Die Auseinandersetzung der beiden fand weltweit große Beachtung.

Das Wortgefecht mit Kasper bildet so auch die systematische Basis von Burkes Referat an diesem Nachmittag in Herzogenrath. Er arbeitet sich an einem Vortrag Kaspers ab, der bei vielen konservativen Theologen anhaltende Verstimmungen hervorrief.

Kasper hatte beim Konsistorium Anfang vergangenen Jahres auf Einladung des Papstes einen viel diskutierten Vortrag zum "Evangelium von der Familie" gehalten. Darin formulierte er Vorschläge zur Reform der Ehenichtigkeitsverfahren und zu einer möglichen Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion.

Für Burke und einige andere stellte dieser Vortrag einen Tabubruch dar. Nicht nur habe Kasper mit seinem Vortrag die Debatte der Synode vorweg genommen. Er hätte zudem mehr Fragen aufgeworfen, als beantwortet. "Es ist einsichtig, dass der Vortrag und die Diskussion Antworten verlangen", sagt Burke.

Kardinal Walter Kasper
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Kardinal Walter Kasper

Keine Revolution im Leib Christi

Raymond Burke lehnt die Debatte nicht grundsätzlich ab, möchte sie aber in eng gesteckten Bahnen geführt wissen. Ihn treibt eine augenscheinlich sehr ernst gemeinte Sorge um die Überlebensfähigkeit der Kirche, die er mit dem Apostel Paulus als mystischen Leib Christi bezeichnet: "In einer solchen organischen Wirklichkeit gibt es keinen Raum für Revolutionen ohne erhebliche Schäden für den gesamten Leib." In Äußerungen wie jenen von Walter Kasper sieht er die Annahme, die Kirche müsse ihre Lehre der Kultur anpassen. Von Anpassung hält Burke nichts, "die Kirche muss sich ihrer Identität sicher sein", sagt er, und erhält Szenenapplaus.

Um dem Vortrag Kaspers zur Familiensynode ein Gegengewicht zu geben, hat Burke gemeinsam mit einer Reihe von Theologen und vier anderen Kardinälen, darunter die Deutschen Walter Brandmüller und Gerhard Müller, ein eigenes Buch zur Ehetheologie vorgelegt. Die Autoren hatten keinen geringeren Anspruch, als das Standardwerk zur synodalen Debatte zu schaffen. Sie wollen die Diskussionen "auf das sichere Fundament des Lehramts emporgehoben wissen", wie es Kardinal Burke ausdrückt.

Der Kirchenrechtler Burke beschäftigt sich in dem Sammelband mit den Reformplänen zum Ehenichtigkeitsverfahren. In dieser Frage ist er zweifellos ein Fachmann. Raymond Leo Burke wurde 1948 in einer Kleinstadt in Wisconsin, im Mittleren Westen der USA, geboren. Nach der Priesterweihe durch Papst Paul VI. im Jahr 1975 wurde er 1980 zum Doktor des Kirchenrechts promoviert. Nach einer Zeit als Bischof seines Heimatbistums La Crosse von 1995 bis 2003 und anschließend als Erzbischof von St. Louis, ernannte ihn Papst Benedikt 2008 zum Präfekten der Apostolischen Signatur.

Immer wieder Applaus für den Kardinal

Der Vorschlag zur Vereinfachung der Ehenichtigkeitsverfahren ist für Burke, den Kanonisten, eine "diffuse Forderung". Zwar seien die kirchlichen Eheprozesse nicht göttlichen Rechts und daher durchaus veränderbar, aber eben auch "Frucht der jahrhundertelangen Erfahrung der Kirche." Die Behauptung, der Prozess könne vereinfacht werden, ohne zugleich an der Ehelehre zu rütteln, zeuge von wenig Respekt vor dem Sakrament, so Burke. "Es ist nicht der Prozess, der reformiert werden muss, sondern die Praxis der Bischöfe, nicht genügend geeignetes Personal zur Verfügung zu stellen." Wieder gibt es Szenenapplaus.

Der mittlerweile ehemalige Chef des obersten Vatikanischen Gerichts hält sich in Fragen der Ehetheologie auch sonst streng an die Buchstaben des Gesetzes: Die Ehe kann durch keine menschliche Gewalt aufgelöst werden, zitiert er den Codex des kanonischen Rechts. Das streiten auch Reformer wie Kasper nicht ab. Aber wenn menschliche Liebe brüchig werden kann, müsste das auch Anfragen an das Sakrament stellen, sagen sie.

„Der Kampf ist nie verloren.“

—  Zitat: Kardinal Raymond Burke

Für Raymond Burke und seine Mitstreiter sind jedoch schon solche Anfragen eine Gefahr, denn jede Schwächung des Ehesakraments ist für sie auch ein Angriff auf die Kirche selbst. Burke bezieht sich in seinem Vortrag mehrfach auf das Zweite Vatikanische Konzil, das die Familie eine Hauskirche nannte. "Die Kirche muss ihre Aufmerksamkeit auf die Heiligkeit der Ehe richten", sagt er. Von der Synode müsse Inspiration und Kraft für die Familien ausgehen, um "Zeugen der Liebe Christi zu sein, welcher unsere Kultur so dringend bedarf."

Damit formuliert Kardinal Raymond Leo Burke einen frommen Wunsch an die Familiensynode im Herbst. Doch auch er weiß, dass am Ende der zu erwartenden harten Auseinandersetzungen keineswegs die reine, unverfälschte Lehre stehen muss. Viele Zeichen stehen auf Veränderung.

Leidensfähigkeit ist gefragt

Burke bereitet sich auf seine ganz eigene Weise auf das Rückspiel der Synode in Rom vor. Er positioniert sich als Underdog. "Wir müssen bereit sein, zu leiden." Den Beschützern der Lehre sollen die Heiligen Johannes der Täufer, John Fisher und Thomas Morus zur Seite stehen - drei Märtyrer im Kampf für die Wahrheit des Christentums.

Burke lässt keine Zeifel zu, dass es sich bei seinem Kampf nicht um eine narzistische Kampagne handelt. "Ich habe Ihnen heute nicht meine Meinung vorgetragen. Meine Meinung ist nicht wichtig für Sie, meine Meinung rettet nicht Ihre Seele", sagt er.

Und doch sieht er die Verteidigung der Lehre als seine persönliche Aufgabe an: "Ich habe als Bischof die ernste Aufgabe, den Glauben zu verteidigen und ich werde dies weiterhin tun." Notfalls auch gegen Papst Franziskus, der seinem Kardinal Raymond Burke alles andere als wohl gesonnen ist. Ende 2013 zog er ihn zunächst von wichtigen Kurienämtern, darunter die wichtige Bischofskongregation, ab, bevor er Burke im November 2014 schließlich von der Apostolischen Signatur weglobte und zum Kardinal-Patron des souveränen Malteserordens machte. Ohne weiteren, nennenswerten Einfluss auf die Kurie könnte die Bischofssynode im Herbst der letzte große Auftritt des 66-jährigen Kardinals werden.

Was, wenn sich ausgerechnet in diesem Moment "die Modernisten" durchsetzen, wird er nach seinem Vortrag gefragt. Burke antwortet kompromisslos: "Der Kampf ist nie verloren." Schließlich sei mit dem Sieg Christi das letzte Kapitel der Geschichte bereits geschrieben. "Aber jetzt ist die Zeit großen Leidens."

Von Kilian Martin