Bistum Trier: Kommission kritisiert Umgang mit Betroffenen und Akten
Mit deutlichen Worten kritisiert die Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Trier die Diözese für ihren Umgang mit Missbrauchsfällen – auch in jüngerer Zeit. Insbesondere bemängelt die Kommission die Aktenführung und den Umgang mit Betroffenen und mahnt Änderungen an.
Bei der Vorstellung des zweiten Zwischenberichts der Aufarbeitungskommission am Mittwoch nannte der Historiker Lutz Raphael die Aktenführung unzulänglich. So seien Dokumente an verschiedenen Orten vorhanden, aber nicht unbedingt miteinander verknüpft, obwohl sie inhaltlich zusammengehörten – beispielsweise ein Teil der Unterlagen einen Verdacht oder eine Beschuldigung enthalte.
Im 28-seitigen Bericht heißt es zur Aktenführung wörtlich: "Nach wie vor behindern mangelnde Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie Uneinheitlichkeit der Aktenführung, Fehlen eines Aktenplans und einer zentralen Zusammenfassung aller zu einer Person beziehungsweise einem Sachverhalt vorhandenen Akten die laufende Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs innerhalb des Bistums." Es gebe keinen Hinweis, dass sich daran etwas geändert habe.
Was die Kommission empfiehlt
Das mache es schwierig, alle wichtigen Akten für die Aufarbeitung und die Studien zusammenzustellen. Außerdem seien Verantwortliche im Bistum dadurch nicht immer umfassend über Missbrauchsfälle informiert gewesen und hätten auch nicht schnell und angemessen reagieren können. Die Kommission empfiehlt dem Bistum, Akten nachvollziehbar und professionell zu führen. Betroffene sollten außerdem einfacher sie betreffende Akten einsehen können.
Darüber hinaus rät die Kommission dem Bistum, Betroffenen gegenüber empathischer und weniger bürokratisch aufzutreten. Es sollte außerdem seine Strukturen zur Hilfe und Aufarbeitung vereinfachen. Der Kommissions-Vorsitzende Gerhard Robbers sprach von einer "manchmal kafkaesken" Lage; es sei nicht klar, an wen man sich mit welchem Thema wenden könne.
Eine Sprecherin des Bistums teilte zu dem Bericht mit: "Wir werden uns mit der Kritik und den Anregungen auseinandersetzen und werden auch ins Gespräch gehen zu verschiedenen Punkten, um Hinweise oder Aussagen besser zu verstehen oder Kritiken einzuordnen."
Der Verein "Missbrauchsopfer im Bistum Trier" (Missbit) sprach von einem "vernichtenden Urteil" für die Aktenführung. Missbit stellte sich zudem hinter die Forderung, Betroffenen Zugang zu allen für sie wichtigen Unterlagen zu geben. Das sei für Schmerzensgeldprozesse wichtig, die der Verein derzeit mit Betroffenen anstrebe.
Zahlen der Betroffenen und Beschuldigten gestiegen
Weiter sind dem Bericht zufolge die Zahlen der bekannten Betroffenen und Beschuldigten gestiegen. Aktuell weiß die Kommission demnach von 579 Betroffenen und 227 Beschuldigten im Zeitraum von 1946 bis 2021.
Die Kommission kritisiert darüber hinaus die Aufsicht des Bistums über Beschuldigte und Täter als "zumindest in der Vergangenheit unzureichend". Sie bezweifelt auch, dass eine 2022 erlassene Ordnung die Aufsicht über beschuldigte Priester verbessert. Denn sie lasse wichtige Fragen offen. Beschuldigte könnten zudem weiter als Seelsorger in Pfarreien eingesetzt werden.
Weitere Veröffentlichungen zur Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum kündigte die Kommission für Dezember und Januar an. Am 13. Dezember wollen demnach die Sonderermittler über den Stand ihrer Untersuchungen im Fall des unter Missbrauchsverdacht stehenden Priesters Edmund Dillinger informieren. Im Januar werde dann ein weiterer Teilbericht der laufenden historischen Studie veröffentlicht. Nachdem zuletzt die Amtszeit des früheren Trierer Bischofs Bernhard Stein (1967-1981) im Fokus stand, geht es dieses Mal um die Amtszeit seines Nachfolgers, Bischof Hermann Josef Spital (1981-2001). (KNA)