Einige Bischöfe würden auf neue geistliche Gemeinschaften an Unis setzen

Seelsorgerin: Hohe Gefahr von Machtmissbrauch in Hochschulpastoral

Veröffentlicht am 06.12.2023 um 12:24 Uhr – Lesedauer: 

Hohenheim ‐ Mit dem Studium beginnt für junge Menschen eine neue Lebensphase, die von großer Unsicherheit geprägt sein kann. Dort befinde sich ein Einfallstor für geistlichen Machtmissbrauch, warnt die Hochschulseelsorgerin Schwester Marie-Pasquale Reuver.

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Die Seelsorgerin Schwester Marie-Pasquale Reuver sieht ein großes Gefährdungspotential für Machtmissbrauch in der Hochschulpastoral. "In Hochschulgemeinden treffen die Seelsorgenden auf zum Teil sehr vulnerable Menschen", schrieb Reuver in einem Beitrag für die Internetseite Feinschwarz", der am Dienstag veröffentlicht wurde. Die meisten Studierenden befänden sich zu Beginn ihres Studiums in der Ablösung vom Elternhaus und auf der Suche nach eigenen Formen der Lebensgestaltung, so die Pastoralreferentin. Hinzu kämen oft Zukunftsangst, universitärer Leistungsdruck, Einsamkeit und finanzielle Sorgen. "Eine Situation, die ansprechbar macht für Menschen, die versprechen, dass 'alles gut wird', wenn sie nur nach diesen und jenen Regeln leben und vor allem beten." Für einige Studierende seien einfache Antworten sehr anziehend – und das, obwohl sie durch ihr Studium zu kritischem Denken erzogen würden.

Zudem kritisierte Reuver, dass einige Bischöfe "in letzter Zeit besonders auf neue geistliche Gemeinschaften an Hochschulstandorten" setzten. Diese Gemeinschaften würden von ihrer Struktur her meist ein hohes Gefährdungspotential für geistlichen Missbrauch in sich tragen. Die Hochseelsorgerin verwies in diesem Zusammenhang auf das Buch "Der Verrat der Seelenführer" der französischen Journalisten Céline Hoyeau, das sich mit Missbrauch in geistlichen Gemeinschaften beschäftigt. Hoyeaus Erkenntnisse ließen erahnen, "was in den nächsten Jahren in Deutschland auf uns zukommen wird".

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Auch Gruppen wie die Jugend 2000, die Loretto-Gemeinschaft, das Augsburger Gebetshaus um Johannes Hartl oder Influencer wie "liebezurbibel" hätten großen Einfluss in Studierendenkreisen, erklärte Reuver. "Wer nach spirituellen Inhalten sucht, wird oft auf eine dieser Gruppierungen aufmerksam und findet dort andere junge Menschen, ansprechende Musik und einen Glauben, der Sicherheit vorgaukelt." Andauernd werde vor vermeintlich gefährlicher Sexualität gewarnt und theologisch verantwortete Aussagen würden hinter persönlichen Gotteserfahrungen zurücktreten. "Eine Kontrolle von außen findet nicht statt und Leitungsfiguren werden idealisiert." Weiter bezeichnete Reuver Gruppen wie die "Studentenmission in Deutschland" oder "Campus für Christus", die ein sehr rigides Gottes- und Menschenbild aufweisen, als Gefahr. Auch diese Gruppierungen seien von "schwarz-weiß Denken, Leistungsfrömmigkeit, Überbetonung von Reinheit, Elitedenken und Postulierung des einzig richtigen Glaubens" geprägt.

Aus Berichten von Betroffenen werde deutlich, "dass das beste Hilfsmittel gegen Missbrauch geistlicher Autorität theologische Bildung und unvermittelte Gotteserfahrungen sind", so Reuver. Diese Berichte würden die Hochschulpastoral aber auch anfragen: "Es wird berichtet, dass Menschen oft in die Fänge 'gefährlicher Seelenführer:innen' geraten, weil da 'wenigstens jemand über Gott geredet hat'." Die Hochschulseelsorge müsse daher verstärkt darauf achten, Raum zu bieten, um über Gott zu sprechen oder mitunter auch Sprachlosigkeit auszuhalten. Der Anlass zu Reuvers Beitrag war die Tagung der katholischen Hochschulseelsorgerinnen und -seelsorger zum Thema Machtmissbrauch, die im September in Siegburg stattfand. Reuver ist Hochschulseelsorgerin in der Ökumenischen Hochschulgemeinde Hohenheim. (rom)