Ewige Opulenz in der Ewigen Stadt – Berninis Rom
Majestätisch erheben sich die hellen Säulengänge über den dunkelgrauen Pflastersteinen. Überlebensgroße Heiligenfiguren wachen auf den Dächern. Mit ihrer weiten Umarmung verbergen und präsentieren sie zugleich den wohl berühmtesten Platz der Welt: Mit den Kolonnaden rings um den Petersplatz hat sich Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) selbst ein Denkmal gesetzt – eines von vielen in Rom. Am 7. Dezember vor 425 Jahren wurde der Bildhauer geboren. Bis heute verharren Besucher ehrfürchtig staunend, wenn die Säulen den Blick auf den Petersplatz und die Basilika freigeben. Ein Meisterwerk der barocken Opulenz – und der optischen Täuschung. Betrachtet von bestimmten Punkten des ovalen Platzes verschwimmen die 284 durchnummerierten Travertin-Pfeiler zu einer einzigen Säulenreihe. Angeordnet sind sie eigentlich in vier Reihen hintereinander. Zwei runde Marmorkacheln mit der Aufschrift "Centro del Colonnato" verweisen auf den idealen Blickpunkt.
Das gewaltige Werk aus Kalkstein zählt zu den späteren im Leben des gebürtigen Neapolitaners Bernini. Mit etwa sieben Jahren verließ der kleine Gian Lorenzo die süditalienische Hafenstadt und zog mit seiner Familie nach Rom. Das Handwerk lernte er von seinem Vater. Der Bildhauer Pietro Bernini schuf etwa den barocken Barkassen-Brunnen vor der Spanischen Treppe. Sein Sohn sollte die Stadt bis zu seinem Tod – mit Ausnahme einer Arbeitsreise nach Paris – nicht mehr verlassen. Unsterblich sind seine Werke, die bis heute das Bild von Italiens Hauptstadt und des Vatikans prägen.
Temperamentvoll, eigenwillig und mitunter aggressiv
Schon bevor er 20 Jahre alt war, erhielt der als temperamentvoll, eigenwillig und mitunter aggressiv geltende Bernini seine ersten Aufträge. Mit Ende 20 sollte er für Papst Urban VIII. einen Baldachin über dem Papstaltar des damals neuen Petersdoms bauen. Das Ergebnis thront über dem Apostelgrab: Vier gewaltige, gewundene Bronzesäulen tragen das 29 Meter hohe Dach aus Metall. Trotz seiner Beschaffenheit wirkt es wie durch einen Windhauch in Bewegung.
Nachdem sein Mentor, der Barbarini-Papst Urban VIII. starb, arbeitete Bernini noch für vier weitere Päpste. Im Petersdom hinterließ er weitere Spuren mit dem Kathedra-Altar in der Apsis und der darüber schwebenden Taube. Für seine päpstlichen Auftraggeber Urban und Alexander VII. schuf er dort imposante Grabmäler. Der überlebensgroße Heilige Longinus ist ebenfalls Berninis Werk, genauso wie das Reiterstandbild von Kaiser Konstantin an der Scala Regia. Die heutige Architektur der Treppe geht ebenfalls auf den Künstler mit den dunklen Locken und dem Spitzbart zurück. Sein Plan, die Fassade des Petersdoms mit zwei Türmen zu verzieren, platzte hingegen ob der Statik.
Unweigerlich begleiten Berninis Schöpfungen Bewohner wie Besucher durch die Ewige Stadt. Auf dem Weg vom Vatikan in Richtung historisches Zentrum schweben seine zehn Engel über dem Tiber. Die Statuen mit Symbolen des Leidens und Sterbens Jesu Christi verzieren die antike Fußgängerbrücke an der Engelsburg.
Auch ohne Augenzwinkern ein bemerkenswertes Kunstwerk
Ob römische Dominikanermönche den Blick auf das Hinterteil eines Marmor-Elefanten als Zierde betrachteten, sei dahingestellt. Das freundlich wie pummelig wirkende Rüsseltier mit einem ägyptischen Obelisken auf dem Rücken geht ebenfalls auf Bernini zurück. Es steht vor der Basilika Santa Maria sopra Minerva, nahe am Pantheon. Einer römischen Legende nach war die Darstellung des tierischen Gesäßes ein Racheakt Berninis an einem Dominikaner, der links der Kirche wohnte. Der Pater beanstandete die Statik des ursprünglichen Entwurfs. Auf päpstliches Geheiß musste Bernini seinen Elefanten verändern und der Ordensmann anschließend mit dem Blick auf das tierische Hinterteil leben: ein angespanntes, mit dem Schwanz zur Seite gebogen, möglicherweise im Begriff sich zu entleeren.
Auch ohne Augenzwinkern bleibt es ein bemerkenswertes Kunstwerk. Im Rom des 17. Jahrhunderts waren Elefanten eine Ausnahme. Ob Bernini je einen mit eigenen Augen gesehen hat, ist ungewiss. An einen Blick ebenfalls über die Grenzen Roms hinaus wagte sich Bernini mit seinem Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona. Etwa fünf Gehminuten vom Pantheon entfernt gelegen, trägt auch er einen Obelisken. Eingefangen in ihren Bewegungen, repräsentieren vier überlebensgroße Männerfiguren die beherrschenden Flüsse der damals bekannten vier Kontinente.
Seine Brunnen, Monumente und Bauwerke, die zahlreichen Statuen und Büsten befinden sich bis heute hauptsächlich Rom. Sie stehen auf Plätzen, in Kirchen und Museen. So eindrucksvoll sein künstlerisches Erbe in der Stadt, so unscheinbar ist Berninis eigene Stätte für die Ewigkeit. Lediglich die schwarze Gravur auf einer von vielen weiß-grauen Marmorstufen am Hochaltar der Basilika Santa Maria Maggiore verweist auf das Grab des Barock-Meisters: "Johannes Laurentius Bernini, eine Zierde der Kunst und der Stadt, ruht hier in Demut". Eine Grünpflanze in einem terrakottafarbenen Plastiktopf ist die einzige Dekoration, der Besucherandrang bescheiden wie das Grab selbst.
Die Leute kommen alle nur, um Bernini zu sehen
Bernini-Interessierte drängeln sich indes in einer winzigen Kirche, rund einen Kilometer von der imposanten Papstbasilika entfernt. Vor goldenen Strahlen aus einem angedeuteten Himmel liegt die heilige Teresa von Avila. Vor ihr steht ein Engel mit einem Pfeil, zielt auf ihr Herz. Die weißen Marmor-Figuren sind in ihren Bewegungen und Emotionen erstarrt. Die "Verzückung der heiligen Teresa" zählt zu den berühmtesten Werken Berninis. Gemein hat sie mit seinen weiteren Statuen ihre Lebendigkeit. Dabei beschränkt sich der Künstler nicht auf bloße Äußerlichkeiten, sondern fängt Moment, Stimmung und Wesen der Abgebildeten ein.
Das gilt auch für die Ekstase der seligen Ludovica Albertoni. Dramatisch fasst sich die Mystikerin an Brust und Unterleib, ihren Kopf nach hinten geworfen, den Mund leicht geöffnet, die Augen geschlossen. Die Statue ist Fluch und Segen für die Gemeinde in der etwas versteckt liegenden Kirche San Francesco a Ripa in Trastevere. Die Leute kommen – aber sie kommen alle nur, um Bernini zu sehen, seufzt ein Gemeindemitglied am Infostand.