Gądecki bittet Präsident Duda um Veto – doch der stimmt zu

Streit zwischen Kirche in Polen und neuer Regierung um In-Vitro-Gesetz

Veröffentlicht am 16.12.2023 um 10:52 Uhr – Lesedauer: 

Warschau ‐ Die Kirche in Polen hatte sich bislang mit Kommentaren zum Regierungswechsel zurückgehalten. Doch nun gibt es Streit wegen eines neuen Gesetzes zu künstlicher Befruchtung. Erzbischof Gądecki wandte sich deshalb an den Staatspräsidenten – ohne Erfolg.

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In Polen gibt es einen offenen Streit zwischen der katholischen Kirche und der neuen Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk. Die Kirche forderte Staatspräsident Andrzej Duda auf, das vom Parlament beschlossene Gesetz zur Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen zu blockieren. Dieser billigte jedoch das Inkrafttreten des Gesetzes, wie das Präsidialamt am späten Freitagabend mitteilte. Die neue Mitte-Links-Koalition hatte es im Parlament verabschiedet und damit eines ihrer zentralen Wahlversprechen erfüllt.

In einem am Freitag veröffentlichten Brief des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, an Duda heißt es, In-vitro-Fertilisationen seien ein "Experiment am Menschen, dessen eigentümliche 'Produktion' eine 'Form der Besitzergreifung des menschlichen Lebens' darstellt". Gądecki bat das Staatsoberhaupt, dem Gesetz entweder seine Unterschrift zu verwehren oder es dem Verfassungsgericht vorzulegen. Duda hat ein Vetorecht gegen neue Gesetze.

Problem der "überzähligen" Embryonen

Der Sejm (Unterhaus) hatte Ende November auf Antrag einer erfolgreichen Volksinitiative beschlossen, dass zeugungsunfähigen Paaren ab Juni 2024 die Kosten für künstliche Befruchtungen erstattet werden. Dafür stimmten neben der Mitte-Links-Koalition auch 23 Abgeordnete der rechtskonservativen PiS. Die Bischofskonferenz hatte das Parlamentsvotum zunächst nicht kommentiert.

Bei der In-Vitro-Methode (IVF) wird eine der Frau zuvor entnommene Eizelle im Reagenzglas mit Sperma des Mannes in Verbindung gebracht. Gądecki schreibt in seinem Brief, der vom Mittwoch datiert, in der Regel würden nicht alle so erzeugten Embryonen in die Gebärmutter der Frau übertragen. Manche Embryonen würden als "überzählig" deklariert und zerstört oder eingefroren. Auch ein Teil der in den Mutterleib übertragenen Embryonen würde nach "eugenischen Selektionskriterien" vernichtet, so der Erzbischof von Posen (Poznań). "Wir haben es also im Rahmen von Methoden, die vorgeblich dem Leben dienen sollen, mit einer absichtlichen selektiven Abtreibung zu tun."

Bild: ©picture alliance/NurPhoto/Mateusz Wlodarczyk (Archivbild)

Die Beseitigung der medizinischen oder psychologischen Ursachen von Unfruchtbarkeit böten eine viel bessere Chance auf die Geburt eines gesunden Kindes als künstliche Befruchtungen, schrieb Erzbischof Gądecki in seinem Brief.

Gądecki unterstrich: "Unfruchtbarkeit ist eine schwere Prüfung". Er plädiert für ein "nationales Programm für eine echte Behandlung von Unfruchtbarkeit". Die Beseitigung der medizinischen oder psychologischen Ursachen von Unfruchtbarkeit böten eine viel bessere Chance auf die Geburt eines gesunden Kindes als künstliche Befruchtungen. Gądecki sagte zugleich, die mit Hilfe der In-Vitro-Methode gezeugte Kinder verdienten ebenso Liebe und Respekt wie natürlich gezeugte.

Polens neuer Vizepremier Wladyslaw Kosiniak-Kamysz vom liberalkonservativen Dritten Weg wertete das Inkrafttreten des In-vitro-Gesetzes als Erfolg. "Das ist eine Chance für das Glück Tausender polnischer Familien", sagte er. "Schritt für Schritt kommen wir unseren Verpflichtungen nach." Der Co-Vorsitzende der Linken, Robert Biedron, kritisierte Gądeckis Brief an Duda scharf. Er erklärte: "Die Sitte, dass die Kirche über die Politik des Staates entscheidet, ist vorbei."

Duda: Chancengleichheit für alle

Der Staatspräsident kündigte unterdessen eine eigene Gesetzesinitiative an, damit bei Unfruchtbarkeit auch andere Behandlungsmethoden als IVF aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Angesichts der demografischen Herausforderungen bemühe sich Duda um Chancengleichheit für alle, die mit Unfruchtbarkeit zu kämpfen hätten, so das Präsidialamt.

In-vitro-Gegner kündigten bereits Proteste und Demonstrationen an. Krzysztof Kasprzak von der Stiftung "Leben und Familie" sagte laut dem Kirchensender Radio Maryja, es sei notwendig, dem Präsidenten zu zeigen, dass er die falsche Entscheidung getroffen habe. (mal/KNA)

16.12., 11.55 Uhr: Meldung aktualisiert; 14.45 Uhr: ergänzt um weitere Stimmen.