Bundesarbeitsgericht: Urteil zu Kündigung nach Kirchenaustritt
Die von einem katholischen Krankenhaus entlassene Hebamme, die aus der Kirche ausgetreten ist, hat vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) Recht bekommen. In der vergangenen Woche erging das Anerkenntnisurteil des Gerichts, teilte ein Sprecher des BAG auf Anfrage von katholisch.de mit. Der vom BAG in einem Vorabentscheidungsverfahren angerufene Europäische Gerichtshof (EuGH) wird daher vorerst nicht über die Frage entscheiden, ob die im kirchlichen Arbeitsrecht in Deutschland vorgesehene Möglichkeit, Beschäftigte aufgrund eines Kirchenaustritts zu entlassen, mit dem EU-Recht vereinbar ist. Ende November wurde auf eine Anfrage von katholisch.de hin bekannt, dass das beklagte Krankenhaus eine Anerkenntniserklärung abgegeben hat und damit den Anspruch der Klägerin als berechtigt anerkannt hat.
"Die der Caritas angeschlossene Beklagte hat nach der mündlichen Verhandlung vor der Großen Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union die Revisionsanträge der Klägerin anerkannt, wonach das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2019 nicht aufgelöst ist", heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung des BAG. Mit der Zustellung des auf Antrag der Klägerin ergangenen Anerkenntnisurteils sei das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht abgeschlossen.
Ohne das Anerkenntnisurteil hätte der EuGH eine Richtungsentscheidung treffen müssen, die je nach Ausgang das Arbeitsrecht beider großer Kirchen in Deutschland deutlich hätte verändern können. In der evangelischen und wie in der katholischen Kirche ist ein Kirchenaustritt derzeit ein Kündigungsgrund. Das BAG-Urteil erging noch rechtzeitig vor dem angekündigten Termin für den Schlussantrag des Generalanwalts, der eigentlich am 11. Januar veröffentlicht werden sollte. Am Dienstag teilte das BAG mit, dass der EuGH den Termin für den Vortrag der Schlussanträge aufgehoben hat. Schlussanträge sind in der EuGH-Gerichtsordnung vorgesehene beratende Gutachten, die das Gericht nicht binden. In der Regel hat die Argumentation eines Schlussantrags aber großen Einfluss auf die Entscheidungen des EuGH und zur Begründung von Urteilen.
Weitere ähnliche Fälle dürften bald die Gerichte beschäftigten
Geklagt hatte eine Hebamme, die vor ihrer Einstellung an einem katholischen Krankenhaus aus der Kirche ausgetreten war. Zuvor war sie bereits einmal bei der Klinik angestellt gewesen. Der Kirchenaustritt fiel aber in die Zeit zwischen den beiden Anstellungen. Die Frau begründete ihren Austritt mit dem Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen. Zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2019 hatte sie selbst in einem Personalfragebogen angegeben, aus der Kirche ausgetreten zu sein. Ende August 2019 wurde der Beschäftigten gekündigt, nachdem Gespräche mit dem Ziel, sie zu einem Wiedereintritt zu bewegen, scheiterten. Im Krankenhaus werden aber auch konfessionslose Mitarbeiter beschäftigt, die nie der Kirche angehörten. Daher klagte die Frau.
Das Bundesarbeitsgericht legte im Juli 2022 dem EuGH die Frage vor, ob eine solche Kündigung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Auch wenn der Hebammen-Fall vom EuGH nun nicht mehr entschieden wird, ist davon auszugehen, dass sich das europäische Gericht künftig mit ähnlichen Konstellationen befassen muss. Nach Informationen von katholisch.de gibt es bereits weitere ähnliche Klagen, die aufgrund des laufenden Vorabentscheidungsverfahrens noch nicht entschieden wurden. (fxn)
Ergänzung, 19. 12. 2023, 13.45 Uhr: Informationen aus der Pressemitteilung des BAG ergänzt.