Bischof Wilmer: Leite Hassmails an Staatsanwaltschaft weiter
Immer mehr Menschen werden nach Wahrnehmung des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer schneller aggressiv. "Ich selbst bekomme – neben aller berechtigten und legitimen Kritik an der Kirche – regelrechte Hassmails, die ich teils auch an die Staatsanwaltschaft weiterleite", sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag).
Viele Menschen seien gereizter als früher und leichter empört. In politischen Debatten, aber auch im Alltag sei die Bereitschaft geschwunden, anderen zuzuhören und auch die andere Seite zu sehen. Im öffentlichen Raum und besonders in den Sozialen Medien sei es oft nur ein kurzer Weg von der Empörung zum Hass. "Die Frustrationstoleranz sinkt."
Auf die Frage nach möglichen Ursachen antwortet Wilmer: "Wir haben es derzeit mit einer Vielzahl von Krisen zu tun." In vielen Biografien spiegelten sich die großen politischen Verwerfungen, vom Krieg bis zur Inflation. "Viele fragen sich, ob ihre Kinder noch ein gutes Leben haben werden." Der Bischof mahnte: "Wir bräuchten das, was der heilige Ignatius von Loyola, die 'Unterscheidung der Geister' genannt hat." Dazu gehöre die Bereitschaft genau hinzuschauen, Graustufen zu sehen und nicht nur schwarz-weiß zu denken.
Lob für Vatikan-Erklärung
Weiter bergüßte Wilmer, dass der Vatikan die Segnung homosexueller Paare unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt hat. "Es geht darum, die heutigen Lebenswirklichkeiten von gleichgeschlechtlichen Paaren zu würdigen, ohne damit das Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau infrage zu stellen. Das ist eine gute Nachricht", sagte er. Die Entscheidung sei "richtungsweisend". Auf die Frage, wann er das erste queere Brautpaar segnen werde, antwortete der Bischof: "Das weiß ich nicht."
Das vatikanische Glaubensdikasterium hatte am Montag die Grundsatzerklärung "Fiducia supplicans" ("Das flehende Vertrauen") veröffentlicht. Sie erlaubt es Priestern nun, homosexuelle und auch unverheiratet zusammenlebende Paare zu segnen. Dabei müsse aber eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden. So dürfe der Segen nicht in einem gottesdienstlichen Rahmen erfolgen, heißt es in dem Dokument. Die katholische Lehre, wonach Sex nur innerhalb einer Ehe von Mann und Frau erlaubt ist, bleibe unverändert.
Wilmer sagte, der Ruf nach Reformen in der Kirche werde von vielen Menschen geteilt. "Doch die Studien zeigen auch, dass sogar ein hoher Anteil von Kirchenmitgliedern Jesus Christus nicht mehr als Sohn Gottes ansieht oder nicht mehr an ein Leben nach dem Tod glaubt." Daher müssten nicht nur kirchliche Strukturen, sondern auch fundamentale Glaubensfragen in den Blick genommen werden. (tmg/KNA)