Von Nazis verfolgte Schriftstellerin hatte Kontakt zum "Duce"

Hubert Wolf: Else Lasker-Schüler bat Papst um Hilfe für Mussolini

Veröffentlicht am 03.01.2024 um 19:44 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Die Dokumente aus dem Pontifikat Pius' XII. halten Überraschungen bereit: Kürzlich sei ein Brief der jüdischen Schriftstellerin Else Lasker-Schüler an ihn entdeckt worden, so Kirchenhistoriker Hubert Wolf – mit einer schier unbegreiflichen Bitte.

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Else Lasker-Schüler, von den Nazis verfolgte deutsch-jüdische Schriftstellerin, hat sich im Sommer 1942 in einem Brief an Papst Pius XII. für die "Rettung" des italienischen Diktators Benito Mussolini eingesetzt. "Dieses Schreiben war bislang unbekannt und wurde kürzlich im Apostolischen Archiv des Vatikans entdeckt", schreibt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf am Mittwoch in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Konkret ersuchte Lasker-Schüler (1869-1945) den Papst in dem Schreiben – auch wenn das politisch absolut inopportun sein sollte –, Italien und vor allem ihren "Indianerfreund", den Duce, zu retten. Indianerfreundschaft sei dabei eine Umschreibung für unverbrüchliche Treue, die Lasker-Schüler immer wieder verwendet habe, auch für andere Personen, schreibt Wolf. Die Dichterin befürchtete offenbar den Sturz Mussolinis und die Machtübernahme der Deutschen in Italien – Ereignisse, die bald eintreten sollten.

Abgelegt in Privatarchiv

Der Brief, den die Dichterin am 23. Juni 1942 aus Jerusalem nach Rom geschickt hatte, sei dem Papst offenbar so wichtig gewesen, dass er ihn in seinem Privatarchiv abgelegt habe, so der Kirchenhistoriker, der seit Jahren in den Vatikanischen Archiven zu Pius XII. forscht. Ob es eine Antwort gegeben habe, sei unklar.

"Dieser Fund zeigt: Die Dokumente aus dem Pontifikat von Pius XII., Papst von 1939 bis 1958, die seit März 2020 der Forschung zugänglich sind, halten immer wieder Überraschungen bereit", betont Wolf.

Nach seinen Angaben hielt die jüdische Schriftstellerin über Jahre Kontakt zu Mussolini, der allerdings seit 1938 mehrere antisemitische Rassegesetze in Italien erließ. Lasker-Schüler habe Mussolini mehrfach eigene Werke geschickt, die er offenbar wenigstens zum Teil gelesen habe. Der Duce habe sie mehrfach nach Rom eingeladen, ein persönliches Treffen sei aber nie zustande gekommen. Bei aller Kritik an der antisemitischen Wende Mussolinis habe Lasker-Schüler dem Duce die sprichwörtliche Indianertreue gehalten, weil sie ihn zu kennen glaubte, wie er eigentlich sei, schreibt Wolf. (KNA)