Papst bestätigt neuen Großerzbischof am Tag der Wahl

Vom Liturgiestreit gezeichnete Kirche wählt neues Oberhaupt

Veröffentlicht am 10.01.2024 um 13:11 Uhr – Lesedauer: 

Kochi ‐ Kann er die syro-malabarische Kirche befrieden? Die Bischofssynode hat Mar Raphael Thattil zum neuen Großerzbischof und damit zum Oberhaupt der größten Gruppe der katholischen Thomaschristen gewählt – auf ihn kommt eine große Aufgabe zu.

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Die Synode der syro-malabarischen Kirche hat einen neuen Großerzbischof gewählt. Der in Gemeinschaft mit dem Papst stehenden Kirche der katholischen Thomaschristen in Indien steht künftig der bisherige Bischof  von Shamshabad, Mar Raphael Thattil vor, wie der Heilige Stuhl am Mittwoch mitteilte. Die Leitung der Kirche war seit der Annahme des Rücktritts des bisherigen Großerzbischofs, Kardinal George Alencherry, Anfang September vakant. Papst Franziskus bestätigte die Wahl Thattils am Dienstag am selben Tag mit einem am Mittwoch veröffentlichten Brief. In großerzbischöflichen Kirchen wählt gemäß dem Verfassungsrecht der katholischen Ostkirchen die Bischofssynode den Vorsteher, die Wahl muss durch den Papst bestätigt werden. Das Erzbistum Ernakulam-Angamaly, der Sitz der syro-malabarischen Kirche, wird weiterhin von dem im August durch den Papst bestellten Apostolischen Administrator Bosco Puthur geleitet. Die seit Montag tagende Bischofssynode dauert noch bis Samstag.

Porträtfoto von Großerzbischof Raphael Thattil
Bild: ©Syro-malabarische Kirche (Archivbild)

Raphael Thattil wurde am 9. Januar 2024 zum neuen Großerzbischof der Syro-malabarischen Kirche gewählt und am selben Tag von Papst Franziskus bestätigt. Er tritt die Nachfolge von Kardinal George Alencherry an, dessen Amtszeit von Konflikten um die Form der Liturgie überschattet war.

Thattil übernimmt eine Kirche, die von einem heftigen Streit um die Liturgie gezeichnet ist. Die Annahme der Rücktritte Alencherrys und des Apostolischen Administrators des Großerzbistums Ernakulam-Angamaly wurden von einer Videobotschaft an die Gläubigen verbunden, in der der Papst ein Ende der Proteste gegen eine einheitliche Form der Liturgie einschärfte. Nachdem die Synode 2021 eine Form der Eucharistiefeier eingeführt hatte, die einen Mittelweg zwischen einer Orientierung am westlichen Ritus und dem angestammten ostsyrischen Ritus darstellte, kam es vor allem im Großerzbistum selbst zu massiven Protesten. Priester und Gläubige wollten an der latinisierten Form des Ritus festhalten, bei dem der Priester durchweg zum Volk hin zelebriert. Die einheitliche Form sieht dagegen vor, dass die eigentliche Eucharistiefeier ad orientem, also mit Rücken zum Volk, zelebriert wird, und der Priester sich vorher und nachher dem Volk zuwendet.

Bisweilen gewalttätige Proteste

Die Proteste waren teilweise gewalttätig. Im Sommer ernannte Papst Franziskus den slowakischen griechisch-katholischen Erzbischof Cyril Vasiľ zu seinem Sondergesandten mit dem Auftrag, den Konflikt zu lösen. Seine Schlichtungsversuche blieben weitgehend erfolglos. Nach dem Ultimatum des Papstes, zum Weihnachtsfest die einheitliche Liturgie einzuführen, hielten die Kritiker an ihrem Protest fest und vermuteten eine ungenügende Informationsgrundlage des Papstes. Trotz der Ermahnung hielten viele der Priester in Ernakulam-Angamaly daran fest, die Liturgie nicht in der einheitlichen Form zu feiern. Medienberichten zufolge konnte in der Kathedrale des Großerzbistums die einheitliche Liturgie nur hinter verschlossenen Türen gefeiert werden.

Der 67-jährige Thattil ist seit 1980 Priester. 2010 wurde er Weihbischof in seinem Heimatbistum Trichur. Papst Franziskus ernannte ihn 2014 zum Apostolischen Visitator für die syro-malabarischen Christen in Indien, die außerhalb des angestammten Territoriums der syro-malabarischen Kirche im Bundesstaat Kerala leben. 2017 wurde er zum ersten Bischof des neuerrichteten Bistums Shamshabad ernannt, das weite Teile Indiens mit Ausnahme des angestammten kanonischen Gebiets der syro-malabarischen Kirche umfasst.

Die syro-malabarische Kirche im Südwesten Indiens ist die größte der heutigen Kirchen und Gemeinschaften der Thomaschristen, die im 1. Jahrhundert durch den Apostel Thomas auf seinen Missionsreisen gegründet worden sein soll. Durch Verbindungen zur Assyrischen Kirche des Ostens feiert sie ihre Liturgie im ostsyrischen Ritus. Im Zuge der portugiesischen Kolonialisierung wurden die Thomaschristen zur Übernahme westlicher Formen und Hierarchien gezwungen und zerbrachen in mehrere Kirchen. Die Hierarchie der heutigen syro-malabarischen Kirche wurde erst 1923 errichtet. Sie ist nach der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine mit über 4 Millionen MItgliedern die zweitgrößte mit dem Papst in Gemeinschaft stehende Ostkirche. (fxn)