Standpunkt

Die synodale Kirche braucht eine Konfliktkultur, die nicht ausschließt

Veröffentlicht am 25.01.2024 um 00:01 Uhr – Von Jan-Heiner Tück – Lesedauer: 

Bonn ‐ Papst Franziskus hat mehrfach betont, dass Synodalität nicht mit Parlamentarismus zu verwechseln sei. Dennoch braucht auch eine synodale Kirche verbindliche Regeln, kommentiert Jan-Heiner Tück – und erinnert an demokratische Kompetenzen.

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Papst Franziskus hat wiederholt betont, dass Synodalität nicht mit Parlamentarismus zu verwechseln sei. Es gehe nicht "um den Showdown gegnerischer Kräfte". In der Tat, Synodalität zielt auf Einmütigkeit, nicht auf die Gewinnung von Mehrheiten. Dennoch, die päpstliche Differenzmarkierung übergeht, dass die parlamentarische Demokratie bewährte Verfahren der Konfliktlösung entwickelt hat. Dazu sind Kompetenzen wie Zuhören, Kompromissfähigkeit, Bindung an Regeln oder Minderheitenschutz nötig. Diese Kompetenzen müssen immer neu eingeübt werden. Sie helfen, die Krise der Demokratie und gesellschaftliche Polarisierungen zu überwinden. Statt harter Exklusion Andersdenkender gilt es, wenn möglich, den Punkt des Anderen zu bedenken.

Auch eine synodale Kirche braucht eine Konfliktkultur, die Andersdenkende nicht ausschließt, sondern deren Kritik in die Selbstverständigung einbezieht. Ein Beispiel? Die Konstituierung des Synodalen Ausschusses in Deutschland hat ein gespaltenes Echo hervorgerufen. Die einen begrüßen das neue Gremium als Start in die Kirche der Zukunft. Sie versichern, es werde von den römischen Einsprüchen nicht getroffen. Man bewege sich auf dem Boden des Kirchenrechts und der Ekklesiologie des Konzils. Kritik wird als "Invektiven-Theologie" abgetan. Andere, darunter gewichtige Stimmen wie Kardinal Walter Kasper, mahnen mit guten Gründen, man könne die bischöfliche Autorität nicht an gemischt besetzte Leitungsgremien delegieren. Das widerspreche dem Willen des Papstes.

Soll der Streit nicht eskalieren, müssen sich beide Seiten in synodaler Gesprächskultur üben. Befürworter müssen Rückfragen nach der Repräsentation und der theologischen Legitimation des Synodalen Rates beantworten – und zeigen, dass die "freiwillige Selbstbindung" der Bischöfe an synodale Mehrheitsbeschlüsse mit der sakramentalen Verfassung der Kirche vereinbar ist. Freundliche Versicherungen reichen hier nicht. Aber auch die römischen Instanzen sollten den deutschen Bischöfen nicht Widerborstigkeit attestieren, sondern anerkennen, dass es um die synodale Einbettung der bischöflichen Amtsführung geht. Gewiss, die Kirche hat einen anderen Bauplan als der liberale Rechtsstaat. Ob daher der Vorschlag nicht zu weit geht, Ämter durch Wahl zu vergeben, auf Zeit zu begrenzen und die Wiederwahl an positive Evaluationen zu binden? Umgekehrt ist klar, dass die synodale Einbettung des Bischofs- und Papstamtes verbindliche Regeln braucht. Das sollten die römischen Dikasterien registrieren, wenn die Rede von der synodalen Kirche nicht bloße Rhetorik bleiben soll. Klar ist: Sowohl die Krise der Demokratie wie die Krise der Kirche können nur durch eine synodale Kultur des Zuhörens, die Kunst der Kompromissbildung und die Einhaltung verlässlicher Regeln überwunden werden.

Von Jan-Heiner Tück

Der Autor

Jan-Heiner Tück ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien. Außerdem ist er Schriftleiter der Zeitschrift Communio und Initiator der Wiener Poetikdozentur Literatur und Religion.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.