Studie: "Nihil obstat" sorgt für Angst, Druck und Selbstzensur
Das Verfahren zur Erteilung der kirchlichen Hochschullehrerlaubnis schränkt Theologinnen und Theologen in ihrer wissenschaftlichen Arbeit ein und ist mit Angst und Druck verbunden. Das hat eine Studie des Forums katholischer Theologinnen "AGENDA" und des Bochumer Zentrums für angewandte Pastoralforschung (zap) ergeben, die am Freitag auf dem Katholisch-Theologischen Fakultätentag in Mainz vorgestellt wurde. Für die Studie wurden Professorinnen und Professoren der katholischen Theologie nach ihren Erfahrungen mit der Erteilung des "Nihil obstat" befragt. Den Angaben zufolge haben sich 39 Prozent aller Theologieprofessoren in Deutschland, Österreich und der Schweiz an der Umfrage beteiligt. Zwei Drittel der Verfahren seien ohne Beanstandungen und Rückfragen zu Ende gegangen. Zudem sei der Anteil der kirchlichen Einwände seit den 1990er Jahren stetig zurückgegangen. Die Studie stellt aber fest, dass das Verfahren diskriminiere, da mehr Frauen als Männer Rückfragen und Beanstandungen erhalten hätten.
Besonders der wissenschaftliche Nachwuchs werde durch die Erfordernis einer kirchlichen Lehrerlaubnis beeinflusst. "Theolog:innen lassen sich durch ein bevorstehendes Verfahren unterschiedlich stark beeinflussen, wobei sich bemerkenswerterweise gerade jüngere Kohorten in ihrer wissenschaftlichen und kirchenpolitischen Positionierung einschränken", so Studienleiterin Miriam Zimmer. Teilnehmende der Studie hätten davon berichtet, dass zu bestimmten Themen nicht geforscht und publiziert werde, dass die eigene Lebensform geheimgehalten werde und dass existenzielle Entscheidungen wie die Gründung einer Familie, der Erwerb einer Immobilie oder die gemeinsame Karriereplanung in einer Partnerschaft nicht getroffen werden könnten, weil unklar sei, ob und wann mit dem Erhalt der Lehrerlaubnis gerechnet werden könne. 41 Prozent der Befragten gaben an, dass sie davon abraten, in wissenschaftlichen Qualifikationsschriften Themen zu bearbeiten, die den späteren Erhalt der Lehrerlaubnis gefährden könnten.
Transparenz und klares Verfahren gefordert
Die Vorsitzende von AGENDA, die Bochumer Dogmatikerin Gunda Werner, sprach sich für mehr Transparenz und Sicherheit aus. "Das Verfahren sollte in allen Phasen standardisiert werden. Gerade Rückfragen und Beanstandungen brauchen Regeln und verlässliche Kommunikationsstrukturen. Die Studie verdeutlicht, dass sich die 'Black Box' des Verfahrens in das kulturelle Gedächtnis der akademischen katholischen Theologie festgesetzt hat." Hier brauche es weitere Forschungen und Veränderungen im Verfahren.
Das Verfahren des "Nihil obstat" steht seit Jahren in der Kritik. Zuletzt hatte die jüngst zur Professorin an der Universität Münster berufene Ostkirchenkundlerin Regina Elsner das Verfahren scharf kritisiert und es als "kirchlichen Machtmissbrauch" bezeichnet. Das kirchliche Hochschulrecht sieht vor, dass Theologieprofessorinnen und -professoren zum Amtsantritt eine Unbedenklichkeitserklärung des Heiligen Stuhls, das Nihil obstat ("nichts steht entgegen"), benötigen. Zuständige Behörde in Rom ist das Dikasterium für die Kultur und die Bildung, beteiligt ist auch das Glaubensdikasterium. Neben dem "Nihil obstat" für die Professoren kommt dem Dikasterium auch die Ernennung oder Bestätigung von Rektoren kirchlicher Universitäten, der Präsides eigenständiger kirchlicher Fakultäten und der Dekane kirchlicher Fakultäten zu. Zuletzt sorgte die Verweigerung des "Nihil obstat" für den Brixner Moraltheologen Martin Lintner für eine öffentliche Diskussion. Im Sommer machte die Philosophisch-Theologische Hochschule Brixen öffentlich, dass das vatikanische Bildungsdikasterium Lintner die Unbedenklichkeitserklärung für die Wahl zum Dekan der Hochschule nicht erteilt hat. Laut Lintner gibt es im Vatikan bereits Bewegung hinter den Kulissen, das Verfahren anders zu gestalten. In Deutschland war der letzte öffentlich bekannt gewordene Fall der des damaligen Rektors der Jesuitenhochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig im Jahr 2018. (fxn)