Keine Hoffnung auf Lösung allein durch mehr Transparenz

Elsner: Nihil-obstat-Verfahren ist kirchlicher Machtmissbrauch

Veröffentlicht am 24.01.2024 um 12:26 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Seit Januar ist Regina Elsner Theologieprofessorin. Dem ging ein 13 Monate dauernder Prozess voran, bis sie die kirchliche Lehrerlaubnis erhielt. Für Elsner ist klar: Das Verfahren ist Machtmissbrauch – und das liegt nicht nur an Rom.

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Die Münsteraner Theologin Regina Elsner sieht den Prozess der Erteilung der kirchlichen Unbedenklichkeitserklärung ("nihil obstat") für die Hochschullehre als kirchlichen Machtmissbrauch. In einem Beitrag für "feinschwarz.net" (Mittwoch) berichtet die Ostkirchenkundlerin von ihren eigenen Erfahrungen mit dem in ihrem Fall 13 Monate dauernden Verfahren, dass sie jüngst durchlaufen hat. Elsner ist seit 1. Januar 2024 Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Das Nihil-obstat-Verfahren sei "eines der am besten gehüteten Tabus des katholischen Machtsystems", so Elsner. Und weiter: "Es ist der Ort, an dem missliebige Theologien aussortiert werden, hochqualifizierte Theolog*innen erpresst werden, Bischöfe ganze Fakultäten an staatlichen Universitäten lahmlegen können, Denunziation und Willkür blühen, und ein enges Netz an aufrichtiger Dankbarkeit, erzwungenen Schuldigkeiten und Abhängigkeiten dafür sorgen, dass niemand darüber spricht."

Das Ausmaß der missbräuchlichen Mechanismen in diesem akademischen Bereich mache sie fassungslos. Dabei spielten mehrere Faktoren eine Rolle: "Die absolute Intransparenz der Entscheidungsprozesse – vom Ortsbischof über ein eigenes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz bis zu den römischen Dikasterien für Bildung und für die Glaubenslehre – lassen einen (scheinbar) handlungsunfähig zurück." Im Laufe des Verfahrens habe sie nur vereinzelte und widersprüchliche Informationen über den Stand des Verfahrens erhalten: "An keiner Stelle hat jemand in dieser Kette das Gespräch mit mir gesucht. Man steht allein vor einem gesichtslosen System." Dieses "Ausgeliefert-Sein" hinterlasse tiefe Spuren.

Forderung nach Transparenz nur "Bitte um bessere Haftbedingungen"

Nach Elsners Ansicht würde eine größere Transparenz nur bedingt helfen. Entsprechende Forderungen hatte die "Arbeitsgemeinschaft Katholische Dogmatik und Fundamentaltheologie im deutschsprachigen Raum" im September in einem Offenen Brief an den neu ernannten Präfekten des Glaubensdikasteriums Víctor Manuel Fernández eingefordert. Römische Intransparenz sei zwar eine Möglichkeitsbedingung für den missbräuchlichen Umgang mit dem Verfahren. "Aber diesen missbräuchlichen Umgang setzt nicht Rom um. Es sind Strukturen eines Machtsystems, das bis auf die Ebene der Fakultäten selbst Solidaritäten unterbindet, Unrechtsbewusstsein verwischt und Resilienzen zerstört", so Elsner weiter. Größere Transparenz würde den massiven Eingriff der Kirche in die akademische Freiheit nicht grundsätzlich in Frage stellen: "Es ist nicht die notwendige Forderung nach Freiheit, sondern die Bitte um bessere Haftbedingungen."

Das kirchliche Hochschulrecht sieht vor, dass Theologieprofessoren zum Amtsantritt eine Unbedenklichkeitserklärung des Heiligen Stuhls, das Nihil obstat ("nichts steht entgegen"), benötigen. Zuständige Behörde in Rom ist das Dikasterium für die Kultur und die Bildung, die seit 2022 von Kardinal José Tolentino Calaça de Mendonça als Präfekt geleitet wird, beteiligt ist auch das Glaubensdikasterium. Neben dem Nihil obstat für die Professoren kommt dem Dikasterium auch die Ernennung oder Bestätigung von Rektoren kirchlicher Universitäten, der Präsides eigenständiger kirchlicher Fakultäten und der Dekane kirchlicher Fakultäten zu. Zuletzt sorgte die Verweigerung des Nihil obstat für den Brixner Moraltheologen Martin Lintner für eine öffentliche Diskussion. Im Sommer machte die Philosophisch-Theologische Hochschule Brixen öffentlich, dass das vatikanische Bildungsdikasterium Lintner die Unbedenklichkeitserklärung für die Wahl zum Dekan der Hochschule nicht erteilt hat. Laut Lintner gibt es im Vatikan bereits Bewegung hinter den Kulissen, das Verfahren anders zu gestalten. In Deutschland war der letzte öffentlich bekannt gewordene Fall der des damaligen Rektors der Jesuitenhochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig im Jahr 2018.

Das Theologinnennetzwerk Agenda erforscht zusammen mit dem Bochumer Zentrum für angewandte Pastoralforschung (ZAP) derzeit auf Grundlage einer Umfrage unter katholischen Hochschullehrenden die Erfahrungen von Theologinnen und Theologen mit dem Nihil-obstat-Verfahren. (fxn)