Auch anderswo kämpften sexuelle Minderheiten um moralische Anerkennung

Moraltheologe Goertz: Segenserklärung nicht nur im Westen Enttäuschung

Veröffentlicht am 29.01.2024 um 11:46 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Ist die vatikanische Segenserklärung ein großer Schritt für den Umgang mit sexuellen Minderheiten? Der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz ist da skeptisch. Er sieht das römische Lehramt in einer Rechtfertigungssituation.

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Der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz ist skeptisch, ob die vatikanische Segenserklärung positive Auswirkungen auf das Verhältnis der Kirche zu sexuellen Minderheiten haben wird. "Ich hege Zweifel, dass die römische Erklärung von vielen Homosexuellen als Ermutigung verstanden wird, die ihnen – wie uns allen – auferlegte Geschlechtlichkeit besser leben zu können", schreibt er in der "Herder Korrespondenz" (Februar-Ausgabe). Nicht nur für Menschen im Westen sei die Erklärung eine Enttäuschung, auch "in anderen Teilen der Welt ringen sexuelle Minderheiten um moralische Anerkennung".

Als Grund für die "römische Unfähigkeit, beim Geschlechtlichen die Schwelle zur Freiheit zu überschreiten" sieht Goertz eine "ekklesionome Ethik, die sich in die katholische Morallehre eingenistet" habe. Den Gedanken, dass sich Christinnen und Christen bei Moralfragen einem geoffenbarten göttlichen Willen unterwerfen müssten, gebe es schon lange. Seit dem 19. Jahrhundert begreife sich das Papsttum zunehmend als die letztverbindliche Instanz der Definition moralischer Wahrheiten. "Wie dies in Einklang zu bringen ist mit der theologischen Überzeugung, dem Menschen sei eine von göttlicher Willenskundgabe unabhängige Erkenntnis des Guten und Gerechten geschenkt, auf diese Frage findet sich lehramtlich bis heute keine befriedigende Antwort." Das Lehramt müsste akzeptieren, dass das Sittliche "auf eigenen Beinen" stehe. Vom Dikasterium für die Glaubenslehre wie vom Papst sei deshalb "mehr zu verlangen", als "im Bereich des Sittlichen mit moraltheologisch ausrangierten Konzepten zu operieren".

In der Erklärung "Fiducia supplicans" hatte das Glaubensdikasterium Ende Dezember Segnungen von Paaren außerhalb der sakramentalen Ehe erlaubt. Dabei wurde jedoch gleichzeitig die kirchliche Sexuallehre, nach der sexuelle Handlungen lediglich innerhalb einer sakramentalen Ehe zulässig sind, unterstrichen. Die Erklärung hat weltweit für ein gespaltenes Echo gesorgt. Neben Wertschätzung gab es auch Kritik: Manchen in der Kirche ging sie nicht weit genug, Bischöfe etwa in Polen, aber auch in afrikanischen Ländern lehnten sie mit Verweis auf die geltende Kirchenlehre dagegen ab. (cph)