Standpunkt

Respekt für alle, die kirchlichen Tätersystemen Widerstand leisten

Veröffentlicht am 01.02.2024 um 00:01 Uhr – Von Regina Nagel – Lesedauer: 

Bonn ‐ Vor wenigen Tagen hat die Theologin Regina Elsner Machtmissbrauch beim Nihil-obstat-Verfahren beklagt. Regina Nagel ist dankbar dafür. Wer den Mut und die Kraft habe, Erfahrungen mit Missbrauch offenzulegen, dem gebühre Respekt und Unterstützung.

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"Das Erkennen der Einsamkeit dieser Erfahrungen hat mich genauso erschüttert, wie der fehlende Aufschrei gegen dieses zutiefst missbräuchliche System." So beschreibt Regina Elsner ihre Zeit des Wartens auf die kirchliche Lehrerlaubnis. Zum unsäglichen Nihil-Obstat-Verfahren findet sie klare Worte: "Es ist der Ort, an dem missliebige Theologien aussortiert werden, hochqualifizierte Theolog*innen erpresst werden, Bischöfe ganze Fakultäten an staatlichen Universitäten lahmlegen können, Denunziation und Willkür blühen, und ein enges Netz an aufrichtiger Dankbarkeit, erzwungenen Schuldigkeiten und Abhängigkeiten dafür sorgen, dass niemand darüber spricht."

Was sie benennt, ist nicht neu für die, die sich bisher mit Betroffenen unterhalten haben. Neu ist der Mut, diese Vorgehensweisen deutlich öffentlich zu kritisieren. Eine Studie des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (ZAP) in Bochum bestätigt, was sie schreibt und ein öffentlicher Brief des katholisch-theologischen Fakultätentags fordert Veränderung. All solche Schritte – persönliche Statements, Studien und offene Briefe von Interessenvertretungen – sind wichtig, um die vielen Facetten des Machtmissbrauchs in der katholischen Kirche offenzulegen und dies gilt unabhängig davon, ob man die Kirche noch für reformierbar hält oder nicht.

Jede*r, der/die sich zu Wort meldet – und sei es aus Selbstschutz anonymisiert – trägt dazu bei, Täter*innen und Täterstrukturen zu entlarven. Manchmal gelingt es, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und Veränderung bewirken. Ein Beispiel dafür ist seit zwei Jahren das unübersehbare Engagement von #OutinChurch. Allzu oft jedoch bleibt der Aufschrei aus. Die Gefahr des spirituellen Missbrauchs, unter anderem in evangelikal-charismatischen Kreisen der katholischen Kirche, wird beispielsweise kaum wahr- und viel zu wenig ernstgenommen. Der auch von Regina Elsner vermisste "Aufschrei" gegen zutiefst missbräuchliche Systeme kommt zu selten oder gerät viel zu schnell wieder in Vergessenheit.

Denen jedoch, die den Mut und die Kraft haben, ihre Erfahrungen mit Missbrauch offenzulegen und in und gegenüber Tätersystemen Widerstand zu leisten, gebührt höchster Respekt und Unterstützung. Auch, weil dies ein Gegenmittel sein kann zur meist unvermeidlichen Erfahrung erschütternder Einsamkeit.

Von Regina Nagel

Die Autorin

Regina Nagel ist Vorsitzende des Gemeindereferent*innen-Bundesverbands und verantwortliche Redakteurin der Verbandszeitschrift "das magazin". Sie ist Mitherausgeberin eines Buchs zu spirituellem Missbrauch an Frauen in der katholischen Kirche (Selbstverlust und Gottentfremdung, Patmos 2023).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.